Hartz IV Regelsatz: Nur 5 Euro mehr

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Die Bundesregierung plant einen 5 Euro höheren Hartz IV Regelsatz. Dafür werden zahlreiche Ausgaben wie das Elterngeld, das Schulstarterpaket und bislang gültige Berechnungsgrundlagen gestrichen. Faktisch wird der Arbeitslosengeld II Regelsatz ausgerechnet für Familien gekürzt.

(26.09.2010) Gerade einmal um fünf Euro soll der Hartz IV Regelsatz ansteigen, dass sagte der FDP-Verhandlungsführer Heinrich Kolb am Sonntag in Berlin. Diesen Betrag habe die Bundesarbeitsministerin Ursula Leyen (CDU) während der heute statt gefundenen Koalitionsverhandlung den beteiligten Regierungspolitikern vorgeschlagen.

Am vergangenen Freitag war bereits durchgesickert, dass die Bundeskanzlerin den Unions-Ministerpräsidenten mitteilte, die Anhebung der Hartz IV Regelsätze würde "weit unter 20 Euro liegen". Am selben Tag hatte der Regierungssprecher Seibert der Presse mitgeteilt, über Zahlen wäre nicht gesprochen worden. Doch nun zeigt sich, das Dementi am Freitag war eine glatte Lüge.

Konkret, so der FDP-Politiker Heinrich Kolb, habe die Arbeitsministerin eine Anhebung der Arbeitslosengeld II Regelsätze für einen Alleinstehenden um fünf Euro vorgeschlagen. Damit steigt der Regelsatz von 359 auf 364 Euro. Die Regelsätze der Kinder und Jugendlichen sollen weiterhin anteilig berechnet werden. Positionen wie "Tabak und Zigaretten" werden aus den Regelsätzen heraus gerechnet. Dabei hat von der Leyen Trick reich den Bedarf der alkoholfreien Getränke angehoben. Auch ein Zugang zum Internet wurde mit diesem Betrag verrechnet.

Zuvor hatten zahlreiche Unions- und FDP Politiker die geplante "Nicht-Erhöhung" der Regelsätze forciert. So forderte der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gegenüber der Bild: "Der Sozialstaat darf nicht aus dem Ruder laufen, er muss bezahlbar bleiben. Die CSU wird einer Regelsatzerhöhung nur zustimmen, wenn es verfassungsrechtlich überhaupt nicht anders geht."

Parteien der Opposition haben bereits angekündigt, die Pläne der Bundesregierung zu durchkreuzen. Vor allem wurde die Trickserei und das Gemauschel im Vorfeld heftig kritisiert. "Es wird gekungelt, es wird gemauschelt, es wird getrickst, um die Hartz-IV-Sätze künstlich nach unten zu rechnen“, kritisierte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Allerdings hatte die SPD unter Regierung Schröder Hartz IV mit den vorliegenden Sätzen eingeführt.

Heftig kritisiert wird die minimale Anhebung vor allem von Erwerbslosen Initiativen. So sagte Brigitte Vallenthin von der Hartz 4 Plattform in Wiesbaden: Die "Respektlosigkeit und Demütigung gegenüber den Betroffenen durch Ministerin von der Leyen hätten größer nicht sein können. Wir sind gespannt, wie Ursula von der Leyen dies mit ihrem angeblich christlichen Gewissen vereinbaren und es begründen kann". Vallenthin kündigte bereits am Samstag eine Verfassungsklage gegen den SGB II Gesetzesentwurf an, falls dieser tatsächlich umgesetzt werden sollte.

Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum zeigte sich ebenso empört. So sagte Behrsing am Sonntag: "Es ist ein schlechter Scherz? Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat heute der Koalition von Union und FDP vorgeschlagen, den derzeitigen Hartz IV-Eckregelsatz von 359 Euro auf 364 Euro anzuheben. Fast zeitgleich schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS), dass etwa 200 Banker aus Kreditinstituten mit Staatshilfe wieder auf ein Jahreseinkommen von mehr als 500.000 Euro kämen. Deutlicher kann uns Schwarz-Gelb nicht klar machen, dass Menschen mit Hartz IV-Leistungen der Koalition nichts wert sind, während die Büttelpolitik für die Akteure und Profiteure der Finanz- und Wirtschaftskrise immer schamloser fortgesetzt wird."

Während gerade einmal im Schnitt fünf Euro mehr im Monat zugebilligt werden, werden stattdessen zahlreiche Sozialausgaben für Familien gestrichen. So soll das für Familien wichtige sog. Schulstarterpaket von 100 Euro im Jahr wieder gestrichen werden, Weiterhin wird das Elterngeld für Bezieher von Hartz IV Leistungen mit einem Bundesjahres-Etat von 650 Millionen Euro ebenfalls ersatzlos gestrichen werden. So rechnete Behrsing weiter vor: "Dafür werden uns 480 Millionen Euro mehr für die Bildung der Kinder vorgegaukelt. Faktisch wird Hartz IV aber um 170 Millionen Euro gekürzt. Hinzu kommen die angekündigten Streichungen bei Alkohol- und Tabakwaren in Höhe von 19,10 Euro. Das bedeutet für erwachsene Hartz IV-Bezieher eine Streichung von 14,10 Euro, wenn die heute angekündigten 5 Euro Erhöhung mit eingerechnet werden. Die Begründungen für diese Kürzung sind für mich eine furchtbare Doppelmoral mit sozial-rassistischen Tendenzen."

Auffällig bleibt weiterhin, dass die Höhe der ALG II- Regelsätze sich nicht an einem "nachvollziehbaren und transparenten" Verfahren orientieren, sondern nach politischem Willen und Haushaltslage entschieden wurde. Es sind gerade einmal 480 Millionen Euro für eine Reform von Hartz IV vorgesehen. Mehr billigt der Bundesfinanzminister dem Ressort Arbeit und Soziales nicht zu. So hatte der Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Vormittag schon angekündigt, falls die Ministerin mehr verlange, müsse sie das Geld selbst aus ihrem Bereich "erwirtschaften". So sagte Schäuble: "Das ist völlig unstreitig mit der Arbeitsministerin gewesen, und dabei bleibt es." Würden die Hartz IV-Regelsätze im Durchschnitt um 10 Euro ansteigen, mache dies rund 700 bis 800 Millionen Euro pro Jahr aus.

Soziale Initiativen, Gewerkschaften und Erwerbslosen Gruppen planen nun bundesweite Aktionen. So sagte der Sprecher des Erwerbslosen Forum: "Die Bundestagsabgeordneten von Schwarz-Gelb sollen sich darauf einstellen, dass wir sie nicht mehr Ruhe lassen und sie permanent damit konfrontieren, dass allein für eine ausgewogene und gesunde Ernährung mindestens 80 Euro im Monat fehlen" Eine bundesweite Demonstration ist für den 10. Oktober in Oldenburg geplant. Das Motto: "Krach schlagen statt Kohldampf schieben. Mindestens 80 Euro mehr für Lebensmittel sofort".

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar diesen Jahres ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren bei der Bemessung der Hartz IV Regelsätze vom Gesetzgeber gefordert. Schon die rot-grüne Bundesregierung hatte im Jahr 2005 den Regelsatz nach Haushaltslage beschieden. Nun hat offensichtlich die schwarz-gelbe Bundesregierung den selben verfassungswidrigen Fehler begangen. Es wird erwartet, dass eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgt. (sb)

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Bildnachweis: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt, Pixelio.de

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