Hartz IV: Gleich 15 Beistände begleiteten Meldetermin im Jobcenter

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15 Bestände begleiten Hartz IV Beziehende

Bei Meldeterminen im Jobcenter ist es immer ratsam, einen Beistand mitzunehmen. Dieser kann später zum Beispiel als Zeuge agieren, seelischen sowie fachlichen Beistand leisten und auch dem Sachbearbeiter siganlisieren, dass Hartz IV Leistungsbeziehende nicht allein sind. Der Verein “Kölner Erwerbslose in Aktion” begleitete eine Hartz IV Beziehende, die nach eigenen Angaben seit einiger Zeit von ihrer Sachbearbeiterin schikaniert wird. Die Aktivisten stellten gleich 15 Beistände und sorgten damit für viel Aufmerksamkeit.

Wir dokumentieren hiermit den Bericht der “Keas”:
Mehr als 20 Minuten mussten sie warten, im Warteraum des 3. Stockwerks im Jobcenter Köln-Porz. Doch das Warten hatte sich gelohnt. Die Sachbearbeiterin Frau A. staunte nicht schlecht und stammelte nur noch „Bitte setzen Sie sich hin, bitte setzen Sie sich hin“, bevor sie wieder in ihr kleines Zimmer verschwand. Diesmal war „ihre Kundin“ nämlich nicht alleine gekommen.

Nachdem Frau A. sie für mehrere Monate um 100% gekürzt hatte und auch durch weitere Schikanen und Datenschutzverletzungen aufgefallen war, saßen nun 15 Beistände zusammen mit der Erwerbslosen im Wartebereich und standen zeitgleich auf, um mit ihr den Meldetermin wahrzunehmen.

Das war wohl zu viel für Frau A. Die ansonsten durch ihre harte Linie, Sanktionen, sowie als schikanös, erniedrigend und rassistisch empfundenen Äußerungen bekannt gewordene Sachbearbeiterin suchte sich hektisch Verstärkung bei ihren Kolleginnen und Kollegen.

Doch die Meute blieb ruhig stehen. Schließlich hatte sie einen Grund, hier zu sein. Es ging um die Begleitung einer Erwerbslosen zu ihrem Meldetermin. Es ging aber auch darum, grundsätzlich das Verhalten der Sachbearbeiterin aufzuzeigen und ihre Versetzung zu fordern. Immer häufiger erfuhr die Beratungsstelle der KEAs von Betroffenen über die Methoden im Jobcenter Porz. Immer häufiger mussten Erwerbslose von den KEAs unterstützt werden und wurden zu Meldeterminen zur Sachbearbeiterin Frau A. begleitet. Es wurden Widersprüche geschrieben, Beschwerden geschrieben. Doch nichts ist passiert.

„Wir haben uns zusammengeschlossen und unsere Freund*innen mitgebracht“, heißt es denn auch in einem später verteilten Flyer.

Jobceter Porz Begleitung

„Keinen Kundenkontakt für die Sachbearbeiterin Integration Frau A. – Böswillig und rassistisch agierende Sachbearbeiter*innen abziehen“.

Die Meute – eine Aktionsform der massenhaften Begleitung, wie sie früher häufiger im Rahmen von Zahltagen durch die KEAs und andere Erwerbslosen-Initiativen stattfand.

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Zwischenzeitlich versuchte eine Kollegin, die Teamleitung oder Standortleitung zu holen. Beide waren angeblich nicht da. Stattdessen kam Herr J., vormaliger Teamleiter, und stellte sich als Vertreter von Frau A. vor und bestand mit eigenwilliger Rechtsauslegung darauf, dass der Meldetermin nur mit maximal 2 Beiständen stattfinden könne. Dies lehnte die Menge ab. Sie waren alle zur Unterstützung gekommen.
Vorschläge seitens der Begleitenden, in einem großen Raum im oberen Stock oder hier im Wartebereich den Meldetermin stattfinden zu lassen, wurden wiederum seitens der Jobcenters abgelehnt.

Und so begann eine lebhafte Diskussion im Warteraum. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde und ein Antrag auf Wechsel der Sachbearbeiterin wurden übergeben. Auch andere Betroffene oder ihre Begleitenden waren mit dabei.
Ein junger iranischer Mann berichtete ruhig über seine als rassistisch und erniedrigend empfundenen Erfahrungen mit Frau A. Ihm sollten ein Praktikumsplatz, ein Ausbildungsplatz und ähnliches verboten werden, immer mit der Begründung, er könne ja einen 1-Euro-Job machen und die Sprache lernen (die er sehr gut spricht!).

Andere berichteten ebenfalls von rassistischen Zuschreibungen, nach denen ihnen Wohnungen, der Besuch von schwerstkranken Angehörigen oder gleich das ganze ALG II verwehrt werden sollte. Alles ohne Gesetzesgrundlage, als reine Willkürentscheidung einer Sachbearbeiterin. Erst Widersprüche und der Gang zum Sozialgericht machten solche Entscheidungen teilweise wieder rückgängig.

Fast eine Stunde lang wurde im Warteraum mit Herrn J. diskutiert. Dieser stand aalglatt da und tat so, als würde er zuhören. „Das interessiert Sie doch überhaupt nicht, Sie hören ja nicht einmal zu. Ich habe noch kein einziges Wort des Bedauerns von Ihnen gehört. Sie decken die Frau ja!“, war dann auch der empörte Zwischenruf eines Beteiligten. Der zwischenzeitlich hinzugerufene Security schaute nur etwas unwohl aus seiner Uniform. Herrn J. war wohl auch entgangen, dass er lange Zeit Teamleiter eben dieses Teams mit Frau A. war. Ihm waren all diese Beschwerden durchaus bekannt, nur gehandelt hatte er nicht.

Und das ist auch das Problem. „Viele von uns haben Frau A. schon seit Jahren als Sachbearbeiterin.“, heißt es weiter in dem Flyer, der an umstehende verteilt wurde. „Viele Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden wurden geschrieben. Doch nie ist etwas passiert. Alles verhallte in den langen Gängen des Jobcenters. Mitarbeiter*innen des Jobcenters Porz erhalten Deckung durch ihre Vorgesetzten und Teamleiter*innen. Wir stehen heute hier, weil es uns reicht! Wir haben keine Lust mehr, gedemütigt zu werden. Wir haben keine Lust mehr, willkürliche Kürzungen und Schikanen zu erleben. Wir fordern, dass Frau A. versetzt wird und keinen Kund*innen-Kontakt mehr hat.
Wir sind erwerbslos, aber wir sind nicht wehrlos!“

Am Ende der Diskussion kam es noch zu einer belustigenden Gesetzesauslegung seitens Herrn J. Gerade, als die Betroffene Erwerbslose und die Begleitenden sich anschickten zu gehen, meinte Herr J. auf einmal, nein, der Meldetermin habe nicht stattgefunden. Zu einem Meldetermin müsse die Eingeladene im Zimmer der Integrationskraft sitzen und hier dürften maximal 2 Begleitende mit hinein.

Kurzerhand und wohl schneller als es Herr J. oder der Security dies erwartet hatten, wurde auf dem Absatz kehrt gemacht und die Erwerbslose saß, zusammen mit zwei Begleiter*innen, im Zimmer der sich ansonsten eher versteckt haltenden Sachbearbeiterin Frau A. Diese, sichtlich verärgert, wollte den Termin nur bei geschlossener Tür stattfinden lassen, was ihre „Kundin“ jedoch ablehnte.

Jobcenter Porz Begleitung

Und so begann eine erneute lustige Diskussion über das Öffnen und Schließen einer Tür während eines Meldetermins. Und über spannende Auslegungen des Datenschutzes, der nämlich dann verletzt sei, wenn die betroffene Erwerbslose all ihre Zeug*innen und Beistände mit dabei haben möchte und deshalb die Tür geöffnet haben möchte.

Vielleicht ging es aber auch eher um die Angst der Sachbearbeiterin, nicht mehr im Verborgenen agieren zu können. Eine Gesetzesgrundlage ließ sich jedenfalls nicht dafür finden.
Dem Termin war genüge getan, sogar sitzend im Zimmer. Frau A. brach ihrerseits den Termin ab. Die Meute zog sich langsam zurück.

Es wurden noch einige Flyer in der Empfangshalle verteilt. Auch hier kannten einige Frau A. und ihre Schikanen. Sie stimmten den Einschätzungen zu und freuten sich über die Aktion. Für alle Beteiligten ist klar: dies war erst der Anfang. „Wir kommen wieder und wir werden nicht locker lassen, bis Frau A. und andere böswillig und rassistisch agierende Sachbearbeiter*innen aus dem Kundenkontakt genommen wurden.“

Und das wird wohl auch nötig sein. Nur wenige Tage später kam per Post die Androhung einer Sanktion: Die Betroffene sei „nicht zum Meldetermin erschienen“. Mehr als 15 Zeug*innen werden etwas anderes bezeugen können. Und sind motiviert, weiter zu machen.

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