Eheähnlich oder Arbeitslosengeld II

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Der Staat hat die Hürden für das Arbeitslosengeld II seit 1. August höhergelegt. Viele der gut 50 im sogenannten Fortentwicklungsgesetz zu Hartz IV festgeschriebenen Neuregelungen machen Betroffenen das Leben schwer. Für Auseinandersetzungen zwischen Behörden und Langzeitarbeitslosen dürfte vor allem folgende Änderung sorgen: Wer bestreitet, in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben, muß das jetzt beweisen können. Sonst gibt es nur gekürzte Leistungen oder gar keine mehr. Der Staat geht dann nämlich davon aus, daß der Mitbewohner finanziell auch für den anderen einstehen kann, resümierte AP knapp einen Monat nach Inkrafttreten der Änderungen.

»Das Problem der Bedarfsgemeinschaft wird besonders viel Ärger machen«, befürchtete Anne Ames, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen. »Wir rechnen mit einer Vielzahl von Sozialgerichtsverfahren«, erklärte auch Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen. Allerdings wird es mit der Umkehr der Beweislast für ALG-II-Antragsteller schwierig. Denn jetzt darf der Staat immer dann eine eheähnliche oder lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft vermuten, wenn folgende Kriterien zutreffen: Menschen leben seit mindestens einem Jahr zusammen, haben ein gemeinsames Konto, können über Vermögen und Einkommen des Partners verfügen, haben gemeinsame Kinder oder versorgen zumindest gemeinsam Kinder respektive Angehörige. Auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind erstmals betroffen. Wohnen zwei Menschen über ein Jahr zusammen, wäre der Status der »Eheähnlichkeit« laut Gesetz bereits erfüllt, erläuterte Künkler gegenüber AP. »Da wäre es unerheblich, wenn beide gar nicht aus einem Topf wirtschaften oder nur als Zweckgemeinschaft die Wohnung teilen.«

Und wie weist man dann letztendlich nach, daß die Beziehung keinesfalls eheähnlich ist? »Das ist genau das Problem«, betonte Ames. Detaillierte Vorgaben fehlten im neuen Gesetz. »Eine bloße Behauptung, daß die Partnerschaft nicht auf Dauer angelegt ist und beide in Notfällen nicht füreinander einstehen, reicht nicht aus«, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Was als Nachweis geeignet sei, müsse immer im Einzelfall entschieden werden.

Ames rät Betroffenen, sich vom Partner bescheinigen zu lassen, daß er keinesfalls bereit ist, finanzielle Unterstützung zu leisten. »Wie weit man damit kommt, muß die Praxis zeigen«, räumte Künkler ein. Notfalls müsse das Sozialgericht angerufen werden.

Schätzungen zufolge, die AP zitierte, droht über 300000 Bedarfsgemeinschaften jetzt der Entzug von ALG-II-Leistungen. Dem Staat wird das nur recht sein. Bis Jahresende sind »Einsparungen« von 400 Millionen Euro allein für den Bund und von nochmals rund 100 Millionen Euro für die Gemeinden angepeilt. Ab 2007 sollen sie auf rund 1,2 Milliarden Euro (Bund) sowie rund 300 Millionen Euro (Gemeinden) jährlich wachsen.

Damit das Ziel erreicht wird, wurden auch die Vermögensfreigrenzen für ALG-II-Empfänger geändert. Betroffene dürfen frei verfügbares Vermögen jetzt nur noch bis maximal 150 Euro pro Lebensjahr auf der hohen Kante haben (bislang 200 Euro)– das bedeutet eine Kürzung um ein Viertel. Im Gegenzug steigt der Freibetrag fürs Altersvorsorge-Vermögen von 200 auf 250 Euro je Lebensjahr. Der Haken: Davon profitieren Sparer, die arbeitslos wurden, nur dann, wenn sie eine Klausel vereinbaren können, nach der das Vermögen nicht vor dem Ruhestand ausgezahlt werden kann. Das aber ist wegen der noch ausstehenden Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (in Paragraph 165, Absatz drei sind die vor dem 1.8.2006 geltenden 200 Euro bzw. maximal 13 000 Euro ausdrücklich genannt) momentan nicht möglich. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft will die Bundesagentur für Arbeit allerdings so vorgehen: Bei Personen, die am 1.8.2006 Arbeitslosengeld II bereits beziehen, erfolgt eine Prüfung der Vermögensverhältnisse erst anläßlich der Bearbeitung des Weiterbewilligungsantrags; es wird demzufolge keine sofortige Prüfung der Vermögensverhältnisse für Bestandsfälle auf Basis der neuen Rechtslage geben. Für den Fall, daß das Schonvermögen den Freibetrag nach der neuen Rechtslage übersteigt, wird dem Leistungsempfänger die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erklären, daß übersteigende Vermögensteile der Alterssicherung zugeführt werden. Diese Erklärung reicht dann für den Bewilligungszeitraum von sechs Monaten. Die Überlegungsfrist von zwei Monaten soll auch für Personen gelten, die erstmals ab dem 1.8.2006 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen und deren Vermögen den Freibetrag übersteigt. Soweit der GDV. Abschließend machte AP darauf aufmerksam, daß die komplette Liste der Änderungen unter www.arbeitsagentur.de nachgelesen werden kann. Der Gesetzestext ist auf den Seiten des Bundesarbeitsministeriums unter www.bmas.bund.de zu finden. (aus JW-Ratgeber)