Bürgergeld: Wenn das Jobcenter sagt, das geht nicht, geht es doch

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Die Szene ist Alltag in vielen Beratungsstellen: Eine Bürgergeld‑Empfängerin ruft im Jobcenter an, schildert eine unerwartet gestiegene Stromnachzahlung und bittet um einen Zuschuss.

Am anderen Ende der Leitung verneint der Sachbearbeiter knapp und schiebt nach, ein schriftlicher Antrag lohne sich nicht. Eine solche mündliche Absage erscheint harmlos, entfaltet aber weitreichende Folgen, denn ohne Verwaltungsakt fehlt jede Grundlage für Rechtsschutz.

Schriftform im Sozialrecht wichtig

Rechtsansprüche auf staatliche Leistungen entstehen nicht durch Telefonate, sondern durch Verwaltungsakte. § 33 Satz 1 SGB X erlaubt zwar ausdrücklich auch mündliche Entscheidungen, verpflichtet die Behörde aber, auf Verlangen eine schriftliche oder elektronische Bestätigung nachzureichen.

Erst diese Bestätigung enthält die Begründung, die Rechtsbehelfsbelehrung und den konkreten Zahlbetrag – also genau die Informationen, die im Streitfall vor Gericht überprüfbar sind.

Warum sind mündliche Zusagen oder Ablehnungen nichts wert?

Mündliche Aussagen lassen sich später kaum belegen. Kommt es zu Verzögerungen oder widersprüchlichen Auskünften, steht Aussage gegen Aussage.

Ein Bescheid schafft Klarheit: Er definiert den Beginn der Widerspruchsfrist von einem Monat, zwingt das Jobcenter zur Begründung und eröffnet den Weg in das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht. Ohne Bescheid fehlen Fristen, Begründungen und vor allem die Möglichkeit, gerichtliche Überprüfung zu erzwingen.

Carolin Klose: Wenn der Sachbearbeiter im Jobcenter sagt, Nein das geht nicht!

Was regelt das Gesetz zu Mehrbedarfen und Zuschüssen?

Zusätzliche Leistungen – etwa bei Schwangerschaft, Alleinerziehung, behinderungsbedingtem Mehrbedarf oder unabweisbaren besonderen Umständen – sind in den §§ 21 und 24 SGB II verankert.

Sie werden auf Antrag gewährt, sobald die anspruchsbegründenden Tatsachen vorliegen.

Ob der Bedarf „unabweisbar“ oder „laufend“ ist, entscheidet das Jobcenter im Einzelfall. Gerade hier sind schriftliche Entscheidungen unverzichtbar, denn nur sie legen offen, ob die Behörde die gesetzlichen Kriterien korrekt angewandt hat.

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Wie läuft das Widerspruchsverfahren ab?

Wer einen Ablehnungs‑ oder Bewilligungsbescheid erhält, kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich oder elektronisch Widerspruch einlegen.

Das Jobcenter muss den Vorgang intern überprüfen; verändert sich die Einschätzung nicht, ergeht ein Widerspruchsbescheid, gegen den Klage zum Sozialgericht möglich ist. Ohne den ersten Bescheid wäre schon die Frist unklar, sodass Betroffene Gefahr liefen, ihren Rechtsanspruch aus Unwissenheit zu verlieren.

Welche Fristen gelten, wenn das Jobcenter gar nicht antwortet?

Bleibt auf einen schriftlichen Antrag jegliche Reaktion aus, ist nach sechs Monaten eine Untätigkeitsklage zulässig (§ 88 Abs. 1 SGG). Die Frist verkürzt sich auf drei Monate, wenn ein Widerspruch unbearbeitet bleibt.

Auch hier setzt alles voraus, dass überhaupt ein Antrag gestellt wurde – idealerweise per Einschreiben, Fax‑Sendeprotokoll oder über das Online‑Portal der Bundesagentur für Arbeit, wo automatisch eine Eingangsbestätigung erzeugt wird.

Weshalb hilft ein positiver Bescheid selbst bei Fehlern der Behörde?

Ein schriftlicher Bewilligungsbescheid begründet Vertrauensschutz. Zahlt das Jobcenter später versehentlich zu wenig oder zu spät, kann die Leistung rückwirkend nachgefordert werden.

Wird zu viel gezahlt, darf eine Rückforderung nur unter engen Voraussetzungen erfolgen, etwa wenn offenkundig war, dass die Zahlung irrtümlich erfolgte. Alles andere löst den Schutz des § 45 SGB X aus, der fehlerhafte begünstigende Verwaltungsakte unter Bestandsschutz stellt. Ohne Bescheid existiert dieser Schutz nicht.

Welche Rolle spielen digitale Angebote und Beratungsstellen?

Portale wie gegen‑hartz.de oder tacheles‑sozialhilfe.de stellen Musteranträge und aktuelle Rechtsprechung bereit.

Viele Erwerbslosen‑ und Mietervereine bieten kostenlose Prüfungen von Bescheiden an. Wer unsicher ist, kann den Antrag vorab dort gegenlesen lassen. So verringert sich die Gefahr formaler Fehler, die das Jobcenter ausnutzen könnte, um Anträge abzulehnen.
Arbeitskammer des Saarlandes

Was bedeutet das für Betroffene in der Praxis?

Das Recht auf ein Existenzminimum ist nur so stark wie sein schriftlicher Nachweis. Wer Leistungen zum Lebensunterhalt, Mehrbedarfe oder Zuschüsse abruft, sollte konsequent auf schriftliche Anträge und ebenso schriftliche Bescheide bestehen.

Erst der Bescheid verwandelt die behördliche Entscheidung in einen juristisch angreifbaren Akt – ob positiv oder negativ. Er ist damit das Fundament jeder weiteren Auseinandersetzung und schützt vor willkürlichen Veränderungen.

Fazit

Ein Telefonat mit dem Jobcenter kann vieles klären, ersetzt aber nie den Verwaltungsakt bzw. den schriftlichen Bescheid.

Darum gilt: Antrag immer schriftlich stellen, Bescheid abwarten, Fristen prüfen und bei Bedarf Widerspruch einlegen. Wer diese Schritte beachtet, nutzt die im Sozialrecht fest verankerten Schutzmechanismen und sichert damit sein Grundrecht auf eine existenzsichernde Leistung.