Arbeitsaufnahme aus Hartz IV heraus erzeugt Schulden beim Jobcenter

Lesedauer 3 Minuten

Arbeitsaufnahme aus Hartz IV heraus hat in vielen Fällen Schulden zur Folge.
Wer in Hartz IV eine Arbeit mit der üblichen Lohnzahlung am Monatsende aufnimmt, macht dadurch Schulden beim Jobcenter, denn das Amt fordert bereits gezahltes Geld zurück.

Rechtliche Grundlagen des Problems

Hier spielen 2 Prinzipien zusammen:

  1. Alg2-Leistungen sind Vorausleistungen. Sie werden nicht wie Lohn(der erarbeitet werden muss) nach Ablauf des Monats gezahlt, sondern als Sozialleistungen im Voraus, damit der Leistungsberechtigte den Monat damit leben kann. Das Geld für Juli wird z.B. Ende Juni überwiesen. Das Vorausleistungsprinzip ist in §42 Abs.1 SGB II geregelt.
  2. Das Zuflussprinzip regelt, dass Einkommen in dem Monat angerechnet wird, in dem es zufließt, also auf dem Konto/in der Hand landet und nicht in dem Monat, in dem es erwirtschaftet wird. Nachzulesen ist dies in §11 Abs.2 SGB II.

Beispiel zur Verdeutlichung des Problems

Ich möchte die Entstehung des Problems anhand eines Beispiels aufzeigen:

Jan beginnt am 1.7. zu arbeiten. Bisher hat er 900€ vom JC erhalten, nun hat er 1200€ Netto. Das Einkommen reicht aus, um kein Geld mehr vom Jobcenter zu benötigen. Ende Juni aber braucht er nochmal Geld vom Jobcenter, denn er muss ja die Miete, Essen,… für Juli bezahlen. Das Jobcenter zahlt.

Ende Juli bekommt er dann seinen ersten Lohn. Damit kann er seine Kosten für August decken und freut sich, da er ca. 300€ mehr hat, als beim Amt.

Dann aber erhält er im August (oder ein paar Monate später) einen Brief vom Jobcenter. Jan hat für Juli Geld vom Jobcenter erhalten, aber auch im Juli Lohn erhalten, der im Juli angerechnet wird. Das hat zur Folge, dass er die kompletten 900€ von Ende Juni zurückzahlen muss.

Das Geld hat Jan nicht, da er vom gleichen Geld den August leben muss.
Er kann nicht zahlen und hat nun Schulden beim Jobcenter.

Er muss nun 3 Monate lang arbeiten, bis er überhaupt einen finanziellen Vorteil von der Arbeitsaufnahme hat. Tolle Motivation zur Arbeitsaufnahme!

Jan bleibt nun nur noch die Möglichkeit eine Ratenzahlung zu vereinbaren und die Rückzahlung in kleinere Raten aufzuteilen, aber die Konsequenz, dass er durch die Arbeitsaufnahme 900€ Schulden gemacht hat, bleibt trotzdem bestehen.

Wer sich auskennt, kann Schulden durch die Arbeitsaufnahme vermeiden!

Um Schulden durch die Arbeitsaufnahme zu vermeiden muss man frühzeitig aktiv werden, wenn sie erstmal entstanden sind, ist es zu spät.

Wenn Jan’s Lohn nicht Ende Juli zufließt, sondern erst am 1. August, dann kann das Jobcenter ihn nach dem Zuflussprinzip (siehe oben) nicht im Juli anrechnen und daher die Zahlung für Juli nicht zurückfordern.

Um das zu erreichen, gibt es 2 Möglichkeiten:

  1. Jan spricht mit seinem Chef, erklärt die Problematik und der Chef verzögert die Auszahlung. Idealerweise wird dies sogar schon im Arbeitsvertrag festgehalten.
  2. Wenn Jan aus Versehen eine falsche IBAN angibt, dann kommt das Geld nicht auf seinem Konto an, sondern wird zurück zum Chef gebucht.

(Die falsche IBAN muss aber eine real existierende IBAN sein, denn die IBAN enthält eine Prüfziffer (Buchhaltungsprogramme erkennen das)

– es kann die von einem ehemaligen eigenen Konto, die von einem Freund oder eine aus dem Internet von irgendeiner Instituition sein – das Geld kommt nicht an, weil IBAN und Name nicht zusammen passen und wird zurück zum Chef gebucht)

Jan geht dann Anfang August zum Chef bzw. der Buchhaltung und fragt nach seinem Lohn – entschuldigt sich für die falsche IBAN und alles ist gut. Diese Methode macht insbesondere bei großen Arbeitgebern mit festem Zahllauf Sinn.

EDIT:
Diese Methode ist nicht empfehlenswert. Es werden bei Überweisungen nicht mehr zwingend IBAN und Name des Empfängers abgeglichen (warum auch immer). Das könnte dazu führen, dass euer Lohn tatsächlich auf einem falschen Konto eingeht. Diesen dann zurück zu holen, kann für den Arbeitgeber mit erheblichem Aufwand verbunden sein. Ihr habt dann zwar keine Rückforderung aber möglicherweise richtig Ärger mit dem neuen Arbeitgeber.

In beiden Varianten kann das Jobcenter nichts dagegen tun und vor allem nichts zurückfordern.

Hier wirkt das Zuflussprinzip jetzt gegen das Amt.

Alternative: Einstiegsgeld

Alternativ kann Jan beim Jobcenter Einstiegsgeld nach §16b SGB II beantragen, dann bekommt er ein paar Monate noch “Motivationsgeld” vom Jobcenter, obwohl er bedarfsdeckend verdient.

Um diese Leistung zu bekommen beantragt Jan das Einstiegsgeld vor Unterschrift des Vertrags bei seinem Fallmanager.  Hierfür gibt es kein Formular, sondern dieses kann formlos beantragt werden.

Formulierungsvorschlag:

“Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich Einstiegsgeld nach §1b SGB II für die Arbeitsaufnahme bei … am … Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen”

Fazit

Eigentlich müsste das Jobcenter bezüglich der Problematik der Rückforderung durch Arbeitsaufnahme und den Möglichkeiten dies zu umgehen beraten, geschieht aber leider zumindest nicht regelmäßig. Auch Einstiegsgeld wird aus meiner Sicht viel zu selten bewilligt.

Hier zeigt sich ein “sozialrechtliches Prinzip”: WISSEN IST GELD

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