Schwerbehinderung: 100%-Zuschuss für einen Neustart – So profitiert man

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Wer als schwerbehinderter Mensch lange ohne Job ist, hat über § 16i SGB II („Teilhabe am Arbeitsmarkt“) realistische Chancen auf eine reguläre, sozialversicherungspflichtige Stelle – mit massiven Lohnkostenzuschüssen für den Arbeitgeber, verbindlichem Coaching im Job und der Möglichkeit, sich weiterzubilden. Entscheidend sind die Zugangsvoraussetzungen und ein sauberer Ablauf mit dem Jobcenter.

Wer gilt als „sehr arbeitsmarktfern“ – und warum Schwerbehinderte schneller Zugang haben

Für eine Förderung nach § 16i muss die Person in der Regel

  • mindestens 25 Jahre alt sein,
  • mindestens 6 Jahre in den letzten 7 Jahren Bürgergeld/Grundsicherung nach SGB II bezogen haben und
  • in dieser Zeit nicht oder nur kurzzeitig beschäftigt gewesen sein (auch Minijob/Selbstständigkeit zählt).

Sonderregel: Für schwerbehinderte Menschen (GdB ≥ 50 oder Gleichgestellte) reicht ein 5-Jahres-Zeitraum mit SGB-II-Leistungsbezug. Das ist in der Praxis der wichtigste Zugangserleichterer für die Zielgruppe.

Was springt konkret dabei heraus?

Lohnkostenzuschüsse bis zu 5 Jahre:

  • Jahr 1–2: 100 %,
  • Jahr 3: 90 %,
  • Jahr 4: 80 %,
  • Jahr 5: 70 %.

Die Zuschüsse orientieren sich mindestens am gesetzlichen Mindestlohn (bzw. an Tarif-/Kirchenlohn, wenn höher) plus pauschalierten Arbeitgeber-Sozialbeiträgen. Seit 1. Januar 2025 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,82 € – das macht die Förderung für Arbeitgeber spürbar attraktiv. Für Beschäftigte erhöht das die Chance, dass ein Betrieb den Schritt wagt.

Coaching im Job: Im ersten Beschäftigungsjahr muss der Arbeitgeber die/den Beschäftigte\:n unter Fortzahlung des Lohns für eine beschäftigungsbegleitende Betreuung freistellen. Das Coaching stabilisiert den Einstieg – gerade bei gesundheitlichen Einschränkungen.

Weiterbildung inklusive: Nötige Weiterbildungen sind förderfähig; bis zu 3.000 € Weiterbildungskosten pro Förderfall können übernommen werden. Das hilft, Qualifikationslücken zu schließen – vom Staplerschein bis zur anerkannten Teilqualifizierung. ([Bundesagentur für Arbeit][3])

Besonderheit Arbeitsvertrag: Eine Befristung bis zu 5 Jahren ist zulässig, solange der Zuschuss läuft. Teilzeit ist möglich; der Zuschuss richtet sich nach der vereinbarten Arbeitszeit. Wer eine ungestützte, bessere Stelle oder eine Ausbildung findet, hat ein Sonderkündigungsrecht ohne Frist, um sofort wechseln zu können.

Stabil und auf Dauer angelegt: Der „Soziale Arbeitsmarkt“ wurde entfristet – § 16i ist also kein Auslaufmodell, sondern bleibt als reguläres Instrument erhalten.

Schritt für Schritt: So kommen Betroffene und Betriebe zur Förderung

  1. Eignung prüfen: Stimmen Alter, Leistungszeiten (6-in-7 bzw. 5-Jahres-Sonderregel) und die Beschäftigungslage? Das Jobcenter prüft die Kriterien und dokumentiert, dass in der Vergangenheit nur kurzzeitige Beschäftigungen vorlagen.
  2. Arbeitgeber finden: Entweder schlägt das Jobcenter passende Stellen vor – oder Sie bringen selbst einen interessierten Betrieb mit.
  3. Förderzusage/Bewilligung klären: Vor Start der Stelle holt das Jobcenter die Zuweisung ein und erteilt dem Arbeitgeber die Förderzusage (inkl. Infos z. B. zu Praktika/Weiterbildung im Programm). Der formale Bewilligungsbescheid regelt die Zuschüsse.
  4. Arbeitsvertrag & Start: Nach Zuweisung und Bewilligung beginnt das Beschäftigungsverhältnis; das Coaching läuft ab Tag 1 an.

Typische Stolpersteine – und wie Sie sie vermeiden

„Zu viel“ Beschäftigung in der Vergangenheit: Entscheidend ist, ob frühere Tätigkeiten nur kurzzeitig waren. Je geringer der Umfang und je länger her, desto unkritischer. Das wird einzelfallbezogen bewertet – unbedingt im Beratungsgespräch thematisieren.

Förderlücke zum Start: Der Zuschuss soll vor Arbeitsaufnahme bewilligt sein. Beginnt die Arbeit ohne Förderzusage, können Leistungen rückwirkend ausgeschlossen sein. Also rechtzeitig Antrag/Zuweisung anschieben.
Befristung ohne Perspektive: Zwar bis zu 5 Jahre zulässig, aber Ziel bleibt Übernahme in ungeförderte Beschäftigung. Hier hilft ein klarer Entwicklungsplan im Kooperations- bzw. Eingliederungsprozess (Qualifizierung, Einarbeitung, steigende Verantwortung).

Praxisnutzen speziell für schwerbehinderte Menschen

  • Schneller rein dank 5-Jahres-Regel: Wer GdB ≥ 50 oder gleichgestellt ist, erreicht die Zugangsschwelle oft früher als andere. Das ist für Menschen mit längerer Krankheitsphase oder Reha-Verläufen zentral. ([kreis-kleve.de][1])
  • Arbeitsplatz mit Absicherung: Sozialversicherungspflicht, klarer Lohn, Coaching – ein Paket, das Sicherheit gibt und gleichzeitig den Wiedereinstieg tragfähig macht.
  • Rechte kennen: Freistellung für Coaching, Weiterbildung, Sonderkündigungsrecht bei Wechsel in Ausbildung/ungestützte Arbeit – das sind starke Hebel, um im eigenen Tempo Stabilität aufzubauen.

Wenn Sie kein Bürgergeld beziehen: Diese Alternativen passen oft besser

Nicht alle schwerbehinderten Menschen sind im SGB-II-Bezug. Zwei relevante Alternativen:

Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX):
Dauerhaft angelegter Lohnkostenzuschuss bis zu 75 % des regelmäßigen Arbeitsentgelts plus Aufwendungen für Anleitung/Begleitung am Arbeitsplatz. Besonders interessant als Alternative zu Werkstatt-Beschäftigung. Wichtig: Bundesrecht setzt den Rahmen; Details regeln die Länder. Beratung über Integrationsamt/IFD.

Eingliederungszuschuss (SGB III):
Für Neueinstellungen durch die Agentur für Arbeit, wenn jemand nicht im Bürgergeld ist. Höhe/Dauer variieren; für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen ab 55 kann die Förderdauer bis zu 96 Monate reichen – im Einzelfall ein starkes Instrument für nachhaltige Beschäftigung.

Mini-FAQ für den Alltag

Gilt § 16i auch in Teilzeit?
Ja. Der Zuschuss richtet sich nach der vereinbarten Arbeitszeit im Vertrag.

Was passiert, wenn ein Tariflohn über Mindestlohn gezahlt wird?
Dann bemisst sich der Zuschuss auf Grundlage des höheren Entgelts.

Kann ich während der Förderung den Arbeitgeber wechseln?
Ja, möglich – Förderhöhe startet beim neuen Arbeitgeber erneut mit 100 %, solange die Gesamtdauer von 5 Jahren nicht überschritten wird.

Darf der Vertrag befristet sein?
Ja, bis zu 5 Jahre; einmalige Verlängerung innerhalb der Gesamtdauer zulässig.