Keine Unfallversicherung bei Angststörung – Urteil

Lesedauer 2 Minuten

Gilt keine Haftung der Unfallversicherung, wenn der Unfall in einem psychischen Ausnahmezustand während und wegen einer akuten Angststörung / Depression stattfand? Damit beschäftigte sich das Oberlandesgericht in Karlsruhe. (Az: 12 U 175/23, Urteil vom 16. Mai 2024) zu befassen.

Der Betroffene litt unter einer Angststörung, verbunden mit schweren Depressionen. Im Alter von 15 Jahren sprang er aus seinem Zimmerfenster.

Schwere Verletzungen und Forderungen an die Unfallversicherung

Dabei erlitt er schwere Verletzungen an den Beinen und der Wirbelsäule. Die Mutter forderte im Abschluss von der Versicherung eine Invaliditätsleistung in Höhe von 36.200 Euro.

“Keine Unfreiwilligkeit”

Die Versicherung lehnte es ab, Leistungen zu zahlen und begründete dies damit, dass für einen Unfall das Kriterium der Unfreiwilligkeit fehlte.

Keine Leistungen bei Bewusstseinsstörung

Der Vertrag mit der Unfallversicherung enthielt folgende Klausel für Fälle, in denen Leistungen ausgeschlossen sind:„Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.“

“Zwang durch psychische Erkrankung”

Die Mutter klagte, und es ging vor das Landesgericht Baden-Baden. Hier argumentierte die Mutter, es hätte keine Freiwilligkeit geben können, dann ihr Sohn habe aufgrund seiner psychischen Erkrankung während des Suizidversuchs einem Zwang unterlegen.

“Gerade wegen des Zwangs sind Leistungen ausgeschlossen”

Das Gericht widersprach ihr diesbezüglich nicht. Es erklärte aber gerade mit dieser Zwanghaftigkeit, dass Leistungen zu Recht ausgeschlossen seien.

Die Juristen verwiesen auf den Vertrag, der Leistungen bei Geistes- und Bewusstseinsstörungen ausschließe. Eine solche habe vorgelegen, wenn ihr Sohn unter Zwang gehandelt hätte.

“Es gab kein Wahrnehmungsdefizit”

Die Mutter interpretierte die Klausel jedoch anders und zog mit dieser Interpretation vor das Oberlandesgericht Karlsruhe. Denn eine Leistungen ausschließende Bewusstseins- oder Geistesstörung setze ein Wahrnehmungsdefizit voraus.

Dies habe bei ihrem Sohn aber gerade nicht vorgelegen. Er habe zwar zwanghaft gehandelt, aber seine Umwelt zutreffend wahrgenommen.

“Wahrnehmung nicht entscheidend”

Das Oberlandesgericht in Karlsruhe akzeptierte diese Argumentation nicht. Ein Wahrnehmungsdefizit sei kein Kriterium für den Leistungsausschluss in der genannten Klausel.

Es reiche hingegen völlig aus, dass der Betroffene zum Zeitpunkt des Unfalls, nicht in der Lage gewesen war, Sinneseindrücke geistig zu verarbeiten und angemessen auf diese zu reagieren.

Ausdrücklich erfasse der Ausschluss nicht nur Bewusstseinsstörungen, sondern auch Geistesstörungen des Versicherten. Damit wären gerade Zustände und seelische Störungen erfasst, in denen nicht die Aufnahme und Reaktion gestört sei.

Vielmehr ginge es in diesen Fällen darum, dass Handlungen nicht rational gesteuert werden könnten.

Also wies auch das Oberlandesgericht die Klage ab, und der bei seinem Suizidversuch Geschädigte erhält keine Leistungen von der Unfallversicherung.