Ein schwerbehinderter Leistungsbezieher beantragte für sein Auto die Übernahme der Kosten für einen Autoreperatur vom Jobcenter. Des weiteren pflegt er seine mit im Haushalt wohnende Mutter. Das Auto benötige er, um seine Mutter weiterhin in menschenwürdiger Weise pflegen zu können.
Sein Antrag wurde vom Jobcenter abgelehnt mit der Begründung: Bei der beantragten Leistung handele es sich nicht um eine Leistung nach dem SGB II. Gegen den Ablehnungsbescheid wurde Widerspruch eingelegt. Er vertrat die Auffassung, dass der Staat die Pflege von Angehörigen begrüße. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten wurde betont, dass der Kläger die Reparaturkosten als Zuschuss und nur hilfsweise als Darlehen begehre.
Inhaltsverzeichnis
Reparaturkosten als Zuschuss und nur hilfsweise als Darlehen vom Antragsteller begehrt
Dem Widerspruch wurde vom Jobcenter nicht statt gegeben.
Keine Rechtsgrundlage vorhanden für Übernahme der Kosten
Eine einschlägige Rechtsgrundlage für eine Übernahme der Reparaturkosten für das Fahrzeug als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen, sei nicht ersichtlich. Der Kläger benötige das Fahrzeug nicht zur Eingliederung in Arbeit. Zudem seien Reparaturkosten nicht von der Regelleistung umfasst.
Der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, hat erstmals Hauptsacheklage beim Sozialgericht Landshut erhoben.
Kläger ist auf sein Auto angewiesen wegen der Pflege seiner Mutter
Aufgrund der Infrastruktur des Wohnortes des Klägers sei dieser auf das Auto angewiesen. Der Kläger leide unter erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden und benötige das Auto für seine Mutter.
Er könne nur kurze Strecken zu Fuß gehen. Die Mutter habe bereits Herzinfarkte und Schlaganfälle erlitten. Das Auto sei somit lebensrettend. Im Ort gebe es nur einen Rufbus. Die Busfahrt dauere zu lange, da der Kläger seine Mutter pflegen müsse.
Der Fahrer sei sein Cousin. Dieser habe den Kläger jede Woche gefahren und der Kläger habe ihm jede Woche die 20 EUR in bar bezahlt.
Der Kläger hat sein Auto schließlich reparieren lassen. Laut der vorgelegten Rechnung, die der Kläger ab dem 02.11.2022 in Raten beglich, beliefen sich die Kosten auf über 2000 €.
Das Gericht lehnte schließlich den Antrag des Klägers ab.
Begründung
Ein Härtefallmehrbedarf für ein Auto ist möglich – Reparaturkosten nach § 21 Abs. 6 SGB II.
1. Als Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen kommt hier der Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht.
2. In diesem Zusammenhang kommen sowohl die Reparaturkosten als auch die Zahlungen für die einzelnen Fahrten in Höhe von jeweils 20 EUR in Betracht.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung des Härtefallmehrbedarfs – Nichtvorliegen eines unabweisbaren Bedarfes
Nach § 21 Abs. 6 SGB II gilt:
Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.
Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Der aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in das SGB II eingeführte zusätzliche Anspruch auf einen Härtefallmehrbedarf soll jedoch Sondersituationen Rechnung tragen, in denen ein seiner Art oder Höhe nach auftretender Bedarf vom Regelbedarf nicht ausreichend erfasst wird und sich dieser als unzureichend erweist. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei zumutbar
Soweit zur Begründung auf die Pflege der Mutter abgestellt wird, hält es die Kammer nicht für ausgeschlossen, dass der Pkw hierfür von großem Nutzen sein kann. Dies wäre aber ein Bedarf der Mutter und nicht des Klägers.
Ärztliche Atteste nicht aussagekräftig wegen Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel
Der Kläger ist nicht aus gesundheitlichen Gründen auf die Nutzung eines Pkw angewiesen. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen dokumentieren auch bei kritischer Würdigung keine Beeinträchtigungen, die auf eine dauerhafte und erhebliche Einschränkung der Mobilität schließen lassen.
Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Kläger weiterhin zumutbar (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. Mai 2022,).
Weiterhin kommt hinzu, dass vor Ort ein Lebensmittelgeschäft zur Verfügung steht. Es ist zunächst nachvollziehbar, dass der Kläger einen günstigeren Supermarkt aufsuchen möchte. So entschieden vom SG Landshut, Urteil v. 27.10.2023 – S 11 AS 62/22 –
Fazit
Eine Kostenübernahme nach § 21 Abs. 6 SGB II für eine Autoreparatur ist möglich unter engen Voraussetzungen: Das Gericht ist der Meinung, dass Bürgergeldempfänger für Reparaturkosten ihres PKW einen Härtefallmehrbedarf beim Jobcenter beantragen können.
Vorausgesetzt, sie sind aus gesundheitlichen Gründen auf ihren PKW angewiesen. Dies setzt aussagekräftige ärztliche Unterlagen voraus! Des weiteren muss die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sein.
Gesundheitliche Gründe sind nach zuweisen
Diese gesundheitlichen Gründe müssen nachgewiesen werden (aktuelle Attests, Gutachten). Vorzugsweise liegt vielleicht ein Merkzeichen G vor oder ein Pflegegrad. Hier war der Kläger allerdings nicht gut vorbereitet, seine ärztlichen Unterlagen waren zu pauschal und nicht genug aussagekräftig)
Des weiteren müssen zum Bsp. für Fahrten zu Arztbesuchen oder zum Einkaufen vor Ort selbst keine Möglichkeiten dazu gegeben sein!
Unzumutabrkeit der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln
Es muss medizinisch nachweisbar sein, dass der Leistungsempfänger die öffentlichen Verkehrsmittel nicht zugemutet werden können!
Rechtstipp Redakteur Detlef Brock
Von gegenteiliger Auffassung und zur Zeit der Regelfall: LSG NRW, Beschluss v. 06.09.2022 – L 2 AS 795/22 B – Leitsatz Detlef Brock
1. Keine Kostenübernahme nach § 21 Abs. 6 SGB II für eine Autoreparatur.
2. Die hierfür erforderliche Unabweisbarkeit des Bedarfs ist hier aber schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Möglichkeit der Nutzung eines Kfz nicht zum menschenwürdigen Existenzminimum zählt (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 ).
3. Auch die für die Nutzung eines Fahrzeugs erforderlichen Reparaturkosten sind deshalb nicht existenznotwendig und kein unabweisbarer, besonderer Bedarf.
4. Ein Verweis auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht unzumutbar (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 4 AS 4/14 R – ).
Hinweis zur Sozialhilfe
Seit 01.01.2023: Auch ein angemessenes Kraftfahrzeug bleibt von der Anrechnung verschont (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII). Zur Angemessenheit: Nach der Gesetzesbegründung sind Kraftfahrzeuge ohne weitere Erläuterung bis zu einem Verkehrswert von 7.500 Euro angemessen.
Neue Anspruchsgrundlage für Einmalige Bedarfe als Zuschuss in der Sozialhilfe
Einmaliger – Härtefallmehrbedarf nach § 30 Abs. 10 SGB XII seit dem 01.01.2023: Im Rahmen der Rechtsvereinheitlichung zum 1. Januar 2023 wurde in Absatz 10 aus der Regelung des § 21 Absatz 6 SGB II der einmalige Härtefallmehrbedarf übernommen.
Nicht übertragen wurde der laufende Härtefallmehrbedarf, da für solche Fälle im Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII die abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27a Absatz 4 greift.
Wann wird die Behörde den Mehrbedarf bewilligen müssen?
Bei Vorliegen der Voraussetzungen – dürfte gegeben sein bei hoher Verschuldung ( z. Bsp. Er tilgt ein Darlehen für Mietschulden, ein weiteres Darlehen zur Ersatzbeschaffung von Möbeln),
Der Leistungsempfänger befindet sich bereits in der Beratung einer Schuldnerberatungsstelle– weil denn ein Darlehen nicht zumutbar ist – kann der Sozialhilfeempfänger seine Reparaturkosten für den PKW als Mehrbedarf geltend machen.
Weiteres Beispiel für den neuen Mehrbedarf – Einmaliger Mehrbedarf für Waschmaschine
Dies Gesagte gilt auch automatisch, wenn der Sozialhilfeempfänger aufgrund seiner hohen Schulden (mindestens Tilgung von 2 Darlehen, Aufsuchen der Schuldnerberatungsstelle, die Verwaltungsanweisungen der Behörden gehen hier von einer Aufrechnung des Regelsatzes v. 30% aus).
Einmaliger Zuschuss für 15 Jahre alte beschädigte Waschmaschine bei hoher Verschuldung ( Aufrechnung der RL v. ca. 30% )
Einen Einmaligen Härtefallmehrbedarf nach § 30 Abs. 10 SGB XII für eine neue Waschmaschine kann geltend gemacht werden, wenn die Alte z. Bsp. nach 15 Jahren beschädigt ist.
Bei zu hoher Verschuldung Darlehen rechtswidrig
Ein Darlehen wäre hier für den Leistungsempfänger aufgrund seiner finanziellen Situation unzumutbar!
Schlussbemerkung
9 von 10 Sozialhilfeempfängern ist gar nicht bekannt, dass es diesen Einmaligen – Härtefallmehrbedarf in der Sozialhilfe gibt! Hier muss eindeutig Aufklärung stattfinden.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.