Hartz IV: Jobcenter muss Verschuldenskosten zahlen

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Das SG Heilbronn hat dem Heilbronner Jobcenter 2.000 Euro Verschuldenskosten wegen missbräuchlicher Prozessführung auferlegt.

14.07.2016

Das Einkommen der 32-jährigen A. und ihres 37-jährigen Partners reicht nicht aus, um den Grundsicherungsbedarf für sich und ihre beiden sechs und acht Jahre alten Kinder zu decken. Obwohl die Eltern Einkommensnachweise vorlegten, bewilligte das Jobcenter der Stadt Heilbronn Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") nur vorläufig "bis zur Vorlage des tatsächlichen Einkommens". Mit anwaltlichem Beistand erhob A. Widerspruch und machte geltend, aufgrund der bereits eingereichten Einkommensnachweise hätte das Jobcenter ihnen nicht lediglich vorläufig, sondern endgültig aufstockendes "Hartz IV" gewähren müssen. Das Jobcenter half dem Widerspruch ab und bewilligte A. und ihrer Familie endgültige SGB II-Leistungen, weigerte sich aber, die Anwaltskosten zu zahlen. Denn sein Vorgehen habe "den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen".

Im nachfolgenden Klageverfahren lehnte es das Jobcenter gegenüber dem Sozialgericht ab, zu erläutern, weshalb es ungeachtet der Vorlage von Einkommensnachweisen zunächst nur vorläufig Leistungen bewilligt hatte, und verwies darauf, diesbezügliche gerichtliche Fragen seien "nicht entscheidungserheblich". Zudem bestand es – trotz gerichtlichen Hinweises, den Klageanspruch anzuerkennen – auf einer gerichtlichen Entscheidung nach mündlicher Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter.

Das SG Heilbronn hat das Jobcenter verurteilt, A. deren im Widerspruchsverfahren entstandene Anwaltskosten zu erstatten, weil ihr Widerspruch erfolgreich war.

Nach Auffassung des Sozialgerichts hat das Jobcenter darüber hinaus aber nicht nur die weiteren Anwaltskosten des Klageverfahrens, sondern auch sog. Verschuldenskosten i.H.v. 1.000 Euro zu zahlen: Die Prozessführung des Jobcenters sei missbräuchlich und stehe im Widerspruch zur langjährigen Rechtsprechung des BSG. Ein verständiger Prozessbeteiligter hätte die Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverteidigung erkannt und den Klageanspruch anerkannt. Gleichwohl habe der Vertreter des Jobcenters ohne neue Argumente auf einem Gerichtsurteil beharrt. Unter Berücksichtigung der richterlichen Arbeitszeit für die Abfassung und Korrektur des Urteils zuzüglich weiterer Gerichtskosten für Schreibdienst und Zustellung sei es daher angemessen, dem Jobcenter Verschuldenskosten i.H.v. 1.000 Euro aufzuerlegen.

Im Parallelfall S 15 AS 860/15 hat das Sozialgericht mit Urteil vom gleichen Tag ebenfalls das Jobcenter verurteilt, die Anwaltskosten der dortigen Kläger im Widerspruchs- und Klageverfahren zu übernehmen sowie Verschuldenskosten i.H.v. 1.000 Euro verhängt. In diesem Fall hatte das Jobcenter den Klägern auf ihren Widerspruch hin höhere Kosten für Brennstoff bewilligt und es ebenfalls trotz erfolgreichen Widerspruchs abgelehnt, die Anwaltskosten der Kläger von rund 460 Euro für das Widerspruchsverfahren zu übernehmen. In diesem Fall hatte bereits im letzten Jahr ein Gerichtstermin stattgefunden, in dem die zuständige Richterin dem Vertreter des Jobcenters die Rechtslage ausführlich erläutert hatte. Ungeachtet dessen bestand dieser ohne neue Argumente auf eine mündliche Verhandlung mit ehrenamtlichen Richtern sowie auf einem Urteil. Die Berufung wurde jeweils nicht zugelassen. (pm)

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