Bürgergeld: Jobcenter müssen das “Alles oder Nichts Prinzip” beachten

Lesedauer 3 Minuten

Beim Vermögen von Bürgergeld-Beziehern müssen die Jobcenter das “Alles oder Nichts Prinzip” beachten. Das Bundessozialgericht hatte nämlich mit Urteil vom 20.02.2020 – B 14 AS 52/18 R – wie folgt geurteilt:

Leitsatz Gericht

1. Der für die Vermögensbewertung maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung ist im Fall der Rückwirkung des Leistungsantrags der Monatserste.

2. Eine wesentliche Änderung von Vermögen im Laufe eines Kalendermonats ist zu berücksichtigen.

Monatserster als Stichtag für die Vermögensbewertung

Nach Aussage des BSG gilt hier für Bürgergeldempfänger, dass nicht auf den Antrag beim Jobcenter abzustellen ist, sondern auf den Monatsersten als den ersten Tag des Antragmonats.

Beispiel:

Stellt ein Hilfebedürftiger einen Antrag zum 15. des Monats, muss das Jobcenter bei der Berücksichtigung seines Vermögens das Vermögen berücksichtigen, welches der Antragsteller zum 01. des Monats ( Antragsmonat ) hatte.

Der für die Vermögensbewertung maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung ist im Fall der Rückwirkung des Leistungsantrags (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II) der Monatserste.

§ 12 Abs 4 Satz 3 SGB II bestimmt, dass wesentliche Änderungen des Verkehrswerts zu berücksichtigen sind

Beispiel:

Der Antragsteller hatte seinen ALG II Antrag am 05.03. 24 gestellt. Dieser wurde wegen Vermögensüberschreitung abgelehnt.

Aufgrund des Alles – oder – Nichts Prinzip gilt hier, dass keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II besteht und somit kein Bürgergeld bezogen werden kann.

Solange Vermögen zu berücksichtigen ist, steht es dem Leistungsanspruch im Sinne eines “Alles-oder-nichts” entgegen

Vorhandenes, zu verwertendes und verwertbares Vermögen bleibt so lange zu berücksichtigen, wie es tatsächlich vorhanden ist; ein “fiktiver Vermögensverbrauch” ist nicht zu berücksichtigen ( so auch zum SGB XII: BSG vom 20.9.2012 – B 8 SO 20/11 R – )

Das BSG sagt aber nun, dass wenn sich das Vermögen innerhalb des Monats verringert, das heißt, die Vermögensfreibeträge werden eingehalten bzw. unterschritten, denn muss das Jobcenter dies auch berücksichtigen, heißt, es besteht ab diesem Tag Anspruch auf Bürgergeld.

Unser Beispiel:

Am 05.03.2024 wurde ALG II abgelehnt wegen Nicht – Hilfebedürftigkeit aufgrund von zu viel Vermögen, ALG II Antrag wurde abgelehnt.

Etwas später kauft der Antragsteller von seinem Vermögen eine neue Schlafcouch, ein Fahrrad für sich selbst und seine 2 Kinder, des weiteren für seine Frau eine neue Waschmaschine.

Monatsprinzip gilt bei der Berücksichtigung von Vermögen nicht

Am 21.03.2024 wurden nun die Vermögensfreibeträge eingehalten und aufgrund der Veränderung beim Vermögen ( Verringerung bzw. Unterschreitung der Vermögensfreigrenzen ) des Antragstellers musste hier das JC ab dem 21.03.2024 anteilig Bürgergeld für den Monat März gewähren.

Das Bundessozialgericht hat aber auch noch auf was weiteres hingewiesen

Die taggenaue Bewertung des Vermögens kann auch dazu führen, dass innerhalb eines Kalendermonats der Leistungsanspruch entfällt, sollte sich der Wert des Vermögens entsprechend erhöhen – so das Bundessozialgericht ( Rz. 36 ).

Nämlich, dass wenn sich das Vermögen innerhalb eines Monats so erhöht, dass die Vermögensfreigrenzen überschritten werden, der Anspruch auch auf ALG II entfallen kann.

Auch hier gilt wieder als Stichtag, der Tag, an dem die Freigrenzen überschritten wurden.

Wesentlich ist eine Änderung der Geldbetragshöhe, wenn sie im Hinblick auf die Vermögensfreibeträge erheblich ist, so das BSG.

Ob der Antragsteller über Vermögen verfügte, das seine Hilfebedürftigkeit ausschloss, bestimmt sich bezogen auf den Tag als kleinste mögliche Bedarfszeit nach dem SGB II.

Weil der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für jeden Tag besteht, an dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 41 Abs 1 Satz 1 SGB II ).

Beispiel:

ALG II wurde seit dem 01.01.2024 bezogen. Im Sommer 03.07.2024 erbt der Empfänger von Bürgergeld 20.000 Euro, welches kein zu berücksichtigendes Einkommen beim Bürgergeld ist, aber seinem Vermögen zu zu ordnen ist.

Die Vermögensfreigrenzen wurden durch die Erbschaft überschritten, somit entfällt der Anspruch auf ALG II ab dem 03.07.2024 aufgrund fehlender Hilfebedürftigkeit.

Es besteht so lange kein Anspruch auf Bürgergeld, also bis zu dem Tage, wo die Vermögensfreigrenzen nicht mehr überschritten werden, dies ist dem JC nach zuweisen.

Bei späterem Erwerb von Vermögen zählt immer der Zeitpunkt des Erwerbs, so das BSG.

Der Begriff des “Zeitpunkts” im SGB II wird grundsätzlich einem Kalendertag gleichgesetzt (BSG vom 14.2.2013 – B 14 AS 51/12 R -).

Fazit:

Bürgergeld wird mit 30 Tagen pro Monat berechnet, d. h. für jeden einzelnen Tag besteht Anspruch auf ALG II.

Wird das Vermögen während des Bezugs von ALG II erhöht bzw. die Freigrenzen überschritten, besteht ab dem Tage des Erwerbs bzw. Zufluss des Vermögens/Überschreitung kein Anspruch mehr auf Bürgergeld wegen Nicht – Hilfebedürftigkeit.

Wurde Bürgergeld wegen erhöhten Vermögens abgelehnt und innerhalb eines Monats bzw. Bewilligungsabschnitts werden die Freigrenzen unterschritten, besteht ab diesem Tage Anspruch auf anteiliges Bürgergeld für diesen Monat.

Wichtig

Sehr schnell kommen die Jobcenter mit der Tatsache, wofür das überschüssige Vermögen ausgegeben wurde, um z. Bsp. Ersatzansprüche nach § 34 zu prüfen oder den Sanktionstatbestand nach § 31 Abs 2 Nr 1 SGB II zu überprüfen.

So lange kein Luxus Auto gekauft wurde, ist alles gut, man kann sich auch einen schönen Urlaub gönnen, wie es Nicht- Leistungsbezieher auch tun.

Sowohl das Bundessozialgericht ( B 14 AS 55/12 R ) aber auch die obergerichtliche Rechtsprechung sind sich einig, dass die Grenze erst da zu ziehen ist, wo Vermögen kausal zum Zwecke der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit verschwendet wird mit Hinweis des Gerichts auf ( § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II).