Jobcenter müssen bei der Anrechnung von Einkommen eines Bürgergeldbeziehers brutto von netto unterscheiden können. Hat die Behörde fehlerhaft ein zu geringes Nettoeinkommen berücksichtigt und damit mehr Bürgergeld ausgezahlt, kann sie vom Grundsicherungsempfänger nicht ohne Weiteres überzahlte Leistungen mit dem Argument zurückfordern, er hätte den Bescheid besser prüfen müssen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam in einem am Mittwoch, 16. April 2025, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 3 AS 772/23).
Jobcenter können eigene Rechenfehler nicht immer abwälzen
Die Kläger, eine dreiköpfige Familie, beziehen seit Juli 2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (seit 2023 Bürgergeld) vom Jobcenter.
Der Ehemann arbeitet seit Februar 2021 als Verkäufer in einem Lebensmittelladen. Laut Arbeitsvertrag erhält er hierfür 1.600 Euro netto monatlich. Den Arbeitsvertrag legte er auch dem Jobcenter vor, das daraufhin das Einkommen mindernd auf die Hilfeleistung anrechnete.
Dabei ging die Behörde jedoch fehlerhaft von einem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von 1.600 Euro. Nach Anrechnung von Freibeträgen rechnete sie ein zu berücksichtigendes Nettoeinkommen in Höhe von nur 1.276,40 Euro aus. Folge: Die Hilfeleistung fiel höher aus.
Als der Ehemann seine Lohnbescheinigung vorlegte, fiel der Berechnungsfehler auf. Das Jobcenter forderte für zehn Monate überzahlte Leistungen von insgesamt über 3.000 Euro zurück.
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Doch die muss die Familie nicht zahlen, urteilte am 3. April 2025 das LSG. Zwar hätte die Familie bei genauem Lesen des Bescheides den Rechenfehler des Jobcenters bemerken können.
Eine Rückzahlungsverpflichtung ergebe sich dann bei grober Fahrlässigkeit oder einer schweren Verletzung der Sorgfaltspflichten.
Bei komplizierten Berechnungen, wie sie in Grundsicherungsbescheiden vorkommen, könne von einem juristischen Laien verlangt werden, dass er die Berechnung durchliest und mögliche Fehler in den eingestellten Daten bemerkt. Dabei komme es auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das subjektive Einsichtsvermögen der Betroffenen an.
Im vorliegenden Fall habe die Ehefrau den Bescheid gelesen und grob geprüft und dabei auch den Betrag von 1.600 Euro entdeckt. Sie habe glaubhaft gemacht, dass sie die Begriffe netto und brutto nicht sicher habe auseinanderhalten können.
Daher habe sich der Fehler des Jobcenters nicht aufdrängen müssen. Dies schließe eine rückwirkende Korrektur des Bescheides zum Nachteil der Familie aus.