Wenn Bürgergeld-Leistungen dem Jobcenter zurückgezahlt werden müssen

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Bei einem Antrag auf Bürgergeld befürchten Antragsteller, dass das Jobcenter die gezahlten Leistungen zurückfordert. Diese Sorge ist nicht unberechtigt, denn Rückforderungen sind keine Seltenheit. In welchen Situationen dies passieren kann, wird in diesem Artikel erläutert.

Die Angst vor dem Erstattungsbescheid

Immer wieder wenden sich Betroffene an unsere Redaktion. Manche befürchten, dass sie Leistungen zurückzahlen müssen, wenn sie eine Arbeit finden. Andere sorgen sich, dass sogar die eigenen Kinder die Leistungen der Eltern zurückzahlen müssen. Doch wann kann das Jobcenter tatsächlich Leistungen zurückfordern?

Jobcenter errechnet Bedarf und Bürgergeld-Anspruch

Auf Antrag berechnet das Jobcenter den jeweiligen Bedarf. Angenommen wird ein theoretischer Bedarf von 900 Euro im Monat. Stellt sich aber später heraus, dass die Leistungsberechtigten mehr Geld zur Verfügung hatten als der errechnete Bedarf, dann wurden zu viel Leistungen gezahlt. Das Jobcenter spricht dann von einer “Überzahlung”.

Dieses Beispiel ist allerdings stark vereinfacht und es kommt immer wieder zu Fehlberechnungen durch die Leistungsbehörden, da z.B. Einkommensfreibeträge, Versicherungspauschalen und andere Faktoren bei der Bedarfsermittlung eine wichtige Rolle spielen. Bescheide sollten daher immer überprüft werden.

Gründe, warum das Jobcenter Bürgergeld-Leistungen zurückverlangt

Aus welchen Gründen aber verlangen die Jobcenter Leistungen zurück? Am häufigsten sind diese Gründe:

  • Bei schwankendem Einkommen wird mehr verdient, als zuvor berechnet
  • Es wurden Doppelleistungen ausgezahlt
  • Leistungsbeziehende haben keinen Ortsabwesendheitsantrag gestellt und sind ohne Erlaubnis des Jobcenters verreist
  • In dem Antrag wurden unvollständige oder falsche Angaben gemacht
  • Es wurde eine Hilfebedürftigkeit selbst herbei geführt

Achtung: Auch Kinder können eine Aufforderung zur Rückzahlung bekommen. Das kommt durch bestimmte Regelungen bei den Bedarfsgemeinschaften. Der Rückforderungsanspruch wird dann nach dem 18. Geburtstag gestellt. Lesen Sie dazu mehr hier.

Häufiges Problem schwankendes Einkommen

Viele Aufstocker haben ein unregelmäßiges Einkommen. Das Bürgergeld wird jedoch immer im Voraus ausgezahlt. In der Regel ist das Geld schon vor dem Monatsersten auf dem Konto, damit zum Beispiel die Unterkunftskosten am Monatsanfang bezahlt werden können.

Es gilt aber auch das so genannte Zuflussprinzip. Das bedeutet, dass das Jobcenter Einkünfte, zum Beispiel aus einer Erwerbstätigkeit, in dem Monat auf den Bedarf anrechnet, in dem das Einkommen auch zufließt.

Beispiel: Das Einkommen wird z.B. im April verdient. Das Einkommen wird erst im Mai ausgezahlt. Das Jobcenter rechnet das Einkommen im Mai an.

Das Zuflussprinzip führt in der Praxis immer wieder zu Problemen. Die Leistungen müssen nachträglich korrigiert werden. Wurde weniger Einkommen erzielt als vorher berechnet, muss das Jobcenter nachzahlen. Wurde mehr Einkommen erzielt, fordert die Behörde die Leistungen zurück.

Bei schwankendem Einkommen gewährt die Leistungsbehörde “Leistungen unter Vorbehalt”. Dies ist daran zu erkennen, dass die Behörde einen “vorläufigen Bescheid” erlässt. Ist der Bewilligungszeitraum abgelaufen, errechnet das Jobcenter ein Durchschnittseinkommen.

Danach berechnet der Leistungsträger, ob im Bewilligungszeitraum zu viel oder zu wenig Leistungen gezahlt wurden. Zu viel gezahlte Leistungen werden per Bescheid zurückgefordert, bei zu wenig berechneten Leistungen erhalten die Betroffenen eine Nachzahlung.

Wer Leistungen zurückzahlen muss, muss mit einer Aufrechnung rechnen. Die Behörde schickt einen Aufhebungsbescheid und zahlt in den Folgemonaten weniger Leistungen. Lesen Sie dazu auch: Aufrechnungen.

Bezug von Doppelleistungen

Wer mehrere Sozialleistungen bezieht, ist oft mit dem Problem der Doppelleistungen konfrontiert. Oft springt das Jobcenter ein, wenn eine andere Sozialleistung nicht zeitnah bewilligt wurde. Die andere Behörde soll dann die Sozialleistungen direkt an das Jobcenter nachzahlen. Das funktioniert in der Praxis aber oft nicht.

Wenn also die Nachzahlung auf das Konto des Leistungsbeziehenden überwiesen wurde, wird das Jobcenter einen Erstattungsbescheid zusenden. Leistungsbeziehende sind hierbei in der Bringschuld. Sie müssen die Überweisung dem Jobcenter sehr zeitnah mitteilen.

Weil aber die Bürgergeld-Leistungen sehr knapp bemessen sind, verursacht diese Situation oft Probleme, weil die Behörde die Gesamtsumme ohne Aufrechnung zurückhaben will.

Betroffene sollten sich dann an den Inkasso-Dienst der Bundesagentur für Arbeit oder an das zuständige Jobcenter wenden. Erläutern sollten Betroffene, dass sie kaum finanzielle Mittel haben und deshalb eine Aufrechnung verlangen. Wird diese abgelehnt, sollte ein Widerspruch eingelegt werden. Damit sollten Betroffene nicht lange warten, da ansonsten sogar Mahngebühren fällig werden.

Meistens geben die Behörden nach. Es werden dann zur Aufrechnung maximal 30 Prozent der Leistungen einbehalten, bis der fällige Betrag abgezahlt ist.

In den Urlaub gefahren, ohne das Jobcenter zu informieren

Gerade in der Sommerzeit versäumen es einige Leistungsberechtigte, einen Antrag auf Ortsabwesenheit zu stellen, um einige Tage oder Wochen Urlaub zu machen. Dieser Antrag ist jedoch unbedingt erforderlich, da das SGB II vorschreibt, dass Leistungsberechtigte dem Arbeitsmarkt an ihrem Wohnort jederzeit zur Verfügung stehen müssen.

Für Zeiten unerlaubter Ortsabwesenheit müssen dem Jobcenter die Leistungen zurückgezahlt werden. Daher ist es sehr wichtig, vor Antritt einer Reise einen entsprechenden Antrag zu stellen. In diesem Artikel sind wird dazu noch ausführlicher eingegangen.

Falsche Angaben bei Antragstellung

Ein weiteres häufiges Problem sind wissentlich oder unwissentlich falsche bzw. nicht gemachte Angaben. Typischerweise passiert das in solchen Situationen:

  • Ein Neben- oder Hauptjob wurde nicht oder nicht rechtzeitig gemeldet
  • verschwiegenes verwertbares Vermögen
  • Das Jobcenter vermutet eine eheähnliche Gemeinschaft
  • Verschwiegene Unterhaltszahlungen
  • Höheres Einkommen als angegeben

Das Jobcenter sollte bei jeder tatsächlichen Veränderung innerhalb einer Woche informiert werden. Wer diese Zeit verstreichen lässt, riskiert unter Umständen eine Strafanzeige wegen Sozialleistungsbetrug.

Das Jobcenter unterstellt sozialwidriges Verhalten

Ein weiterer häufiger Grund ist der Vorwurf des sozialwidrigen Verhaltens. Immer wieder werfen Jobcenter Leistungsberechtigten vor, sie hätten ihre Hilfebedürftigkeit “selbst herbeigeführt”. Das Jobcenter will dann Erstattungsansprüche geltend machen. Immer wieder landen solche Fälle auch vor Gericht, weil die Behörde nicht nur das Bürgergeld, sondern auch die Sozialversicherungsbeiträge zurückfordert.

Dann werfen die Jobcenter “sozialwidriges Verhalten” vor:

  • Der Job wurde ohne wichtigen Grund gekündigt, um eine Hilfebedürftigkeit herzustellen
  • Wohneigentum wurde deutliche unter Wert verkauft, damit kaum oder kein anrechenbares Vermögen entsteht
  • Die Miete wurde absichtlich nicht gezahlt und die Wohnung muss geräumt werden. Das Jobcenter verlangt die Umzugskosten zurück
  • Die Ausbildung wurde selbst gekündigt, ohne zeitnah einen Anschlussjob oder eine andere Ausbildungsstätte gesucht zu haben
  • Bei einer selbstständigen Tätigkeit musste Insolvenz angemeldet werden, weil Betrug begangen wurde
  • Vorhandenes Vermögen wurde verschwendet, um eine Hilfebedürftigkeit zu erzielen

Bagatellgrenze bei Bürgergeld-Rückforderungen

Eine gute Nachricht ist: Seit dem 1.1. ist eine Bagatellgrenze von 50€ für Rückforderungen mit §40 Abs1 S3-5 SGB II eingeführt. Das Thema ist allerdings komplex und deshalb in einem gesonderten Artikel beschrieben und erklärt.

Immer Bescheide prüfen oder prüfen lassen!

Zu beachten ist allerdings, dass das Jobcenter das sozialwidrige Verhalten auch nachweisen muss. Immer wieder scheitern die Behörden vor Gericht. Deshalb sollte bei diesem Vorwurf immer an Widerspruch oder Klage gedacht werden.

In allen Erstattungsfällen sollte der Bescheid auf seine Richtigkeit überprüft werden. Dabei helfen unabhängige Beratungsstellen.