WASG: Schluss mit dem Missbrauch!

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Ein Kommentar von Lucy Redler, Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG Berlin)

Auf allen Kanälen ist die Rede von der Kostenexplosion bei Hartz IV, vom massenhaften Missbrauch des Arbeitslosengelds II und der angeblichen Bereicherung der Arbeitsunwilligen auf Kosten der Gesellschaft.

Der Stern-Redakteur Hans-Ulrich Jörges sieht in Hartz IV gar kommunistische Bedürfnisbefriedigung und behauptet es gebe ein "ausgewuchertes System der Zusatzleistungen" und eine Familie mit zwei Kindern bringe es monatlich auf 2.000 Euro. Letzteres entspreche einem Stundenlohn von zwölf Euro. Der Sozialstaat sei ausgebaut statt abgebaut worden.

Ich werde angesichts dieser neoliberalen Propagandawelle gegen die Ärmsten der Armen einfach nur wütend. Mit welcher Dreistigkeit die etablierten Politiker und die ihnen gewogene Presse vom Scheitern ihrer eigenen Politik ablenken, scheint keine Grenzen zu kennen. Die Realität jedenfalls sieht anders aus.

Kostenexplosion? Gibt es einfach nicht. Die Kosten für ALG I und ALG II zusammengerechnet werden laut BIAJ im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr nicht ansteigen (BIAJ = Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe).
Explodiert sind die Gewinne der Banken und Konzerne. Allein die dreißig DAX-Konzerne haben letztes Jahr über 20 Milliarden Dividenden ausgeschüttet – und weiter Arbeitsplätze vernichtet.

Massenhafter Missbrauch? Missbrauch und Betrug gibt es. 11 Milliarden Euro Steuern wurden 2005 von den Großkonzernen nur gezahlt, nachdem sie mittels Kontrollen dazu gezwungen wurden.

Eine kleine, radikale Minderheit kann den Hals nicht voll genug bekommen – und diese Minderheit findet sich nicht am unteren sondern am oberen Ende der Gesellschaft.

Zusatzleistungen? In der alten Sozialhilfe gab es die Möglichkeit verschiedenste Zusatzleistungen zu beantragen. Beim ALG II gibt es noch ganze drei: Möbel-Erstausstattung, Kinderwagen und Klassenfahrt für Kinder.

Zwölf Euro in der Stunde? Ausgehend von einer vierköpfigen Familie wären die vom Stern-Redakteur angeblichen 2.000 Euro ohnehin nur sechs Euro in der Stunde pro Elternteil. Wie er sich die 2.000 Euro zusammen gerechnet hat, bleibt aber sowieso sein Geheimnis. Ausbau des Sozialstaats? Das einzige, was durch Hartz IV ausgebaut wurde ist der Niedriglohnsektor, denn aus Angst vor Armut sind abhängig Beschäftigte erpressbarer geworden.

Tatsache ist, dass ALG II-EmpfängerInnen gerade mal 1,67 Euro pro Mittag- und Abendessen zur Verfügung haben, 34 Cent für eine Tageszeitung und 18 Euro im Monat für den öffentlichen Nahverkehr. Das ist zu viel zum Sterben und zu wenig für ein würdiges Leben.

Aber es ist schon wahr: es muss Schluss gemacht werden mit dem Missbrauch! Mit dem Missbrauch von Zeitungsseiten und Fernsehminuten für die Verbreitung solcher Propagandalügen! Mit dem Missbrauch von Macht und Reichtum durch die Kapitalisten und ihrer Politiker-Kaste. Mit dem Missbrauch der Arbeitskraft von Millionen für die Profitmaximierung von einigen Wenigen! Höchste Zeit also, dass andere Zeiten anbrechen. Am besten "französische Zeiten" – mit Massenprotesten und Streiks gegen den neoliberalen Kapitalismus.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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