Pflegegrad 2 wird in der Praxis häufig als „leichte“ oder „noch gut machbare“ Pflege eingestuft. Hinter dieser Zahl steckt jedoch ein Alltag, der Angehörige oft mehrere Stunden pro Tag bindet.
Rein rechtlich wird Pflegebedürftigkeit seit der Reform 2017 nicht mehr nach Minuten gemessen, sondern nach dem Grad der Selbstständigkeit. Grundlage ist ein Punktesystem, das erfasst, wie stark jemand in verschiedenen Lebensbereichen eingeschränkt ist.
Pflegegrad 2 umfasst Betroffene mit einer „erheblichen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten“. Laut den aktuellen Richtlinien des Medizinischen Dienstes liegt der Punktwert dabei zwischen 27 und unter 47,5 Punkten.
Trotzdem fragen Angehörige verständlicherweise: Wie viele Stunden Pflege pro Tag muss ich bei Pflegegrad 2 einplanen? Die Einstufung selbst hängt zwar nicht mehr direkt vom Zeitaufwand ab – für die Organisation des Alltags, für Gespräche mit Arbeitgebern oder die Entscheidung über einen Pflegedienst bleibt die Frage nach der tatsächlichen Pflegezeit aber wichtig.
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Von Pflegestufen zu Pflegegraden: Wegfall fester Minutenwerte
Bis Ende 2016 gab es die drei Pflegestufen. Damals war der tägliche Zeitaufwand für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung das entscheidende Kriterium. Für Pflegestufe 1 musste im Wochendurchschnitt mindestens 90 Minuten Hilfe pro Tag anfallen, davon mindestens 45 Minuten Grundpflege. Höhere Stufen erforderten drei beziehungsweise fünf Stunden Hilfe pro Tag.
Mit der Umstellung auf Pflegegrade wurde dieses minutengenaue System bewusst abgeschafft. Hintergrund war die Erkenntnis, dass die Lebenswirklichkeit vieler Pflegebedürftiger – insbesondere Menschen mit Demenz – sich nicht in starren Zeitkorridoren abbilden lässt. Stattdessen werden heute sechs Lebensbereiche („Module“) begutachtet, etwa Mobilität, kognitive Fähigkeiten, Selbstversorgung, Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen und Gestaltung des Alltags.
Das Ergebnis ist ein Gesamtpunktwert, der zum Pflegegrad führt. Für Pflegegrad 2 zählt also nicht, ob täglich 120 oder 150 Minuten Pflege geleistet werden, sondern wie selbstständig die betroffene Person noch ist.
| Pflegebereich | Geschätzter Zeitaufwand pro Tag (Orientierungswert) |
|---|---|
| Grundpflege (Körperpflege, Waschen, Duschen, An- und Auskleiden, Toilettengänge) | etwa 45–90 Minuten |
| Mobilität (Aufstehen, Hinlegen, Umsetzen, kurze Wege in der Wohnung, Treppen, Lagerung) | etwa 30–45 Minuten |
| Ernährung (Mahlzeiten vorbereiten, Anreichen von Speisen, Getränke bereitstellen und erinnern) | etwa 30–45 Minuten |
| Haushaltsführung (Einkaufen, Kochen, Aufräumen, Reinigung, Wäsche, organisatorische Aufgaben) | etwa 60–90 Minuten |
| Summe Pflege- und Betreuungsaufwand | in der Praxis häufig ca. 2,5–4 Stunden pro Tag |
Warum der reale Zeitaufwand trotzdem entscheidend ist
Auch wenn der Gesetzgeber nicht mehr mit Minuten rechnet, bleibt der reale Pflegeaufwand für Familien ganz konkret spürbar. Er entscheidet darüber, ob Angehörige ihren Beruf weiter im bisherigen Umfang ausüben können, wie viele Helfer benötigt werden, ob ein ambulanter Pflegedienst eingebunden werden muss und in welchem Umfang Entlastungsleistungen sinnvoll sind.
Ratgeber empfehlen daher, ein Pflegetagebuch zu führen.
Darin werden alle Pflegehandlungen mit ungefähren Zeiten dokumentiert – vom morgendlichen Waschen über das Anreichen von Mahlzeiten bis hin zur nächtlichen Hilfe beim Toilettengang. Ein solches Pflegetagebuch wird ausdrücklich auch für die Vorbereitung auf die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst empfohlen.
Für Angehörige ergibt sich aus dieser Dokumentation nach einigen Wochen ein realistisches Bild: Wie viele Stunden pro Tag gehen tatsächlich für pflegerische Aufgaben, Betreuung und Organisation drauf? Bei Pflegegrad 2 ist dieses Zeitvolumen meist deutlich höher, als man anfangs denkt.
Typische Pflegeaufgaben bei Pflegegrad 2 – und wie viel Zeit sie kosten
In vielen Ratgebern finden sich Orientierungswerte, die den Alltag greifbarer machen. Sie sind nicht rechtsverbindlich, aber hilfreich für eine erste Planung.
Eine Auswertung zeigt: Bei Pflegegrad 2 liegen typische Pflegezeiten häufig im Bereich von etwa zweieinhalb bis knapp vier Stunden pro Tag, je nach individueller Situation. Ein Ratgeber gibt beispielhaft an, dass für Körperpflege, Mobilität, Hilfe bei der Ernährung und Haushaltsführung zusammen etwa 2,5 bis 3 Stunden anfallen können.
Ein anderer Leitfaden rechnet bei Pflegegrad 2 mit rund zwei Stunden Grundpflege (etwa Waschen, An- und Auskleiden, Toilettengänge) plus etwa zwei Stunden hauswirtschaftliche Versorgung pro Tag.
Entscheidend ist: Diese Werte sind Orientierungsgrößen. Sie variieren stark, je nachdem, ob die betroffene Person etwa noch selbstständig zur Toilette gehen kann, ob Hilfsmittel vorhanden sind, ob ein Fahrstuhl im Haus existiert oder ob Gehstrecken durch lange Flure und Treppen erschwert werden.
Orientierungstabelle: Zeitaufwand bei Pflegegrad 2 im Alltag
Die folgende Tabelle fasst typische Bereiche der häuslichen Pflege bei Pflegegrad 2 zusammen und zeigt grobe Orientierungswerte für den täglichen Zeitaufwand. Sie stellt keine gesetzliche Grundlage dar, sondern bündelt die Spannbreiten.
| Pflegebereich / konkrete Tätigkeit | Geschätzter Zeitaufwand pro Tag (Richtwert) |
|---|---|
| Morgendliche Grundpflege gesamt (Waschen, Zähne, Gesicht, Kämmen) | ca. 20–40 Minuten |
| Hilfe beim Aufstehen, Umlagern, Transfer vom Bett zum Stuhl | ca. 10–15 Minuten |
| An- und Auskleiden morgens (inkl. Strümpfe, Schuhe, ggf. Kompressionsstrümpfe) | ca. 10–20 Minuten |
| Toilettengang morgens (inkl. Begleitung, Hygiene, ggf. Inkontinenzmaterial) | ca. 5–10 Minuten |
| Zusätzliche Toilettengänge tagsüber (2–4×, inkl. Hilfe beim Hinsetzen/Aufstehen) | gesamt ca. 15–40 Minuten |
| Kurze Hilfen zwischendurch (Hände waschen, frische Kleidung, kleine Unfälle) | ca. 5–15 Minuten |
| Duschen oder Baden (nicht täglich, auf den Tag umgelegt) | im Schnitt ca. 10–15 Minuten pro Tag |
| Abendliche Grundpflege (Waschen, Zähne, ggf. Eincremen) | ca. 15–25 Minuten |
| Umkleiden abends / Nachtwäsche anziehen | ca. 5–10 Minuten |
| Letzter Toilettengang / Vorbereitung für die Nacht | ca. 5–10 Minuten |
| Begleitung bei Wegen in der Wohnung (Wohnzimmer, Bad, Küche, Balkon) | ca. 10–20 Minuten |
| Unterstützung beim Hinsetzen, Aufstehen, Umsetzen (Stuhl, Sessel, Rollstuhl) | ca. 10–20 Minuten |
| Kontrollgänge und kurze Hilfen zur Sturzprophylaxe (z. B. Teppichkanten, Kabel) | ca. 5–10 Minuten |
| Frühstück vorbereiten (Brötchen, Brot, Aufschnitt, Kaffee/Tee) | ca. 10–15 Minuten |
| Mittagessen vorbereiten oder aufwärmen | ca. 20–30 Minuten |
| Abendessen vorbereiten (kalte Mahlzeit / kleine warme Speise) | ca. 10–20 Minuten |
| Anreichen von Speisen / Unterstützung beim Essen (1–3 Mahlzeiten) | gesamt ca. 20–40 Minuten |
| Getränke bereitstellen, einschenken, ans Trinken erinnern | ca. 10–20 Minuten |
| Nachbereitung der Mahlzeiten (Tisch abräumen, leichtes Reinigen) | ca. 10–20 Minuten |
| Medikamentengabe (Tabletten stellen, Einnahme überwachen) | ca. 5–10 Minuten |
| Kontrolle von Hilfsmitteln (Brille, Hörgerät, Gehstock, Rollator) | ca. 5–10 Minuten |
| Einfache krankheitsbedingte Maßnahmen (z. B. Eincremen, Einlagen wechseln) | ca. 10–15 Minuten |
| Leichte Reinigung im Wohnbereich (Oberflächen wischen, Saugen kleiner Flächen) | ca. 10–20 Minuten |
| Spülen, Geschirr ein-/ausräumen | ca. 10–15 Minuten |
| Wäsche versorgen (Sortieren, Aufhängen, Zusammenlegen, Einräumen – auf den Tag umgelegt) | ca. 10–20 Minuten |
| Einkaufen (inkl. Planung, Hin- und Rückweg – auf den Tag umgelegt) | ca. 10–20 Minuten |
| Organisation & Telefonate (Arzttermine, Rezepte, Pflegekasse, Abstimmung mit Pflegedienst) | ca. 10–20 Minuten |
| Gespräche, gemeinsame Zeit, Vorlesen, Fernsehen erklären, Orientierung geben | ca. 20–40 Minuten |
| Kurze Spaziergänge / Bewegung im Freien (wenn möglich) | ca. 10–30 Minuten |
| Beschäftigung (Spiele, Übungen, einfache Aufgaben im Haushalt einbinden) | ca. 15–30 Minuten |
| Begleitung zu Arztterminen oder Therapien (auf den Tag umgelegt) | im Schnitt ca. 5–15 Minuten pro Tag |
| Dokumentation, Einträge im Pflegetagebuch, kurze Nachbereitung des Tages | ca. 5–10 Minuten |
| Gesamter Pflege-, Betreuungs- und Organisationsaufwand bei Pflegegrad 2 | in der Praxis häufig ca. 2,5–4 Stunden pro Tag |
Rechnet man konservativ mit etwa drei Stunden pro Tag, ergibt das bereits rund 21 Stunden Pflegeaufwand pro Woche – zusätzlich zu den emotionalen Belastungen und der ständigen Bereitschaft, im Alltag schnell reagieren zu müssen.
Zeitaufwand und Leistungen bei Pflegegrad 2
Die Einstufung in Pflegegrad 2 löst verschiedene Leistungsansprüche aus, die dabei helfen sollen, genau diesen Zeitaufwand abzufedern. Seit 1. Januar 2025 wurde das Leistungsniveau in der sozialen Pflegeversicherung angehoben.
Für Pflegegrad 2 stehen in der häuslichen Versorgung unter anderem folgende Beträge zur Verfügung:
Pflegebedürftige können entweder Pflegegeld in Höhe von 347 Euro monatlich (wenn Angehörige oder Freunde überwiegend pflegen) oder Pflegesachleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst im Umfang von bis zu 796 Euro monatlich erhalten. Zusätzlich gibt es den Entlastungsbetrag von bis zu 131 Euro monatlich, der zweckgebunden unter anderem für Betreuungs- und Entlastungsangebote eingesetzt werden kann.
Für temporäre Entlastung sorgen zudem Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege.
Ab 2025 wird hierfür schrittweise ein gemeinsames Jahresbudget eingeführt: Krankenkassen und Pflegekassen erläutern, dass seit 1. Juli 2025 für Pflegegrade 2 bis 5 ein kombinierter Betrag von bis zu 3.539 Euro für bis zu 56 Tage pro Kalenderjahr zur Verfügung steht. (Leistungen vor dem Stichtag werden darauf angerechnet.﹚
Diese Zahlen lassen sich direkt mit dem tatsächlichen Zeitaufwand verknüpfen.
Ein Beispiel: Wird ein Teil der täglichen Pflege durch einen ambulanten Dienst übernommen, kann man aus den Preisen des Pflegedienstes grob ableiten, wie viele Stunden pro Monat durch Sachleistungen abgedeckt sind.
Ein Rechenbeispiel zeigt etwa, dass bei monatlichen Kosten von 525 Euro bereits rund zwei Drittel des Budgets für Pflegesachleistungen bei Pflegegrad 2 ausgeschöpft sind.
In der Praxis bedeutet das: Je genauer Angehörige ihren Zeitaufwand kennen, desto besser können sie entscheiden, in welchem Umfang ein Pflegedienst eingebunden werden sollte und wie Pflegegeld und Sachleistungen sinnvoll kombiniert werden können.
Zeitaufwand, Arbeitsleben und rechtliche Rahmenbedingungen
Viele pflegende Angehörige stehen im Erwerbsleben. Sie müssen klären, ob der Pflegeaufwand von mehreren Stunden täglich mit einer Vollzeitstelle vereinbar ist. Wo das nicht der Fall ist, kommen etwa Pflegezeit- oder Familienpflegezeitregelungen in Betracht, die zeitlich befristete Freistellungen oder Arbeitszeitreduzierungen ermöglichen.
Gerade in Gesprächen mit Arbeitgebern oder bei der Planung von Teilzeitmodellen ist es hilfreich, den durchschnittlichen täglichen Pflegeaufwand anhand eines Pflegetagebuchs belegen zu können. Wenn Angehörige schildern können, dass sie beispielsweise an fünf bis sieben Tagen pro Woche jeweils rund drei Stunden Pflege leisten, wird die Situation greifbarer – und es wird deutlich, dass es sich nicht um gelegentliche Hilfe, sondern um eine dauerhafte zweite „Schicht“ handelt.
Wie man den eigenen Zeitaufwand realistisch erfasst
Theoretische Orientierungswerte sind hilfreich, ersetzen aber keine individuelle Betrachtung. Wer selbst pflegt, erlebt schnell, dass der tatsächliche Aufwand von Tag zu Tag schwankt. Gute Tage brauchen weniger, schlechte Tage deutlich mehr Zeit.
Nächtliche Unruhe, zusätzliche Arzttermine oder Krankenhausaufenthalte verändern die Bilanz immer wieder.
Ein systematisches Pflegetagebuch kann deshalb mehr leisten als jede allgemeine Tabelle. Es dokumentiert über einige Wochen: welche Tätigkeiten anfallen, wie lange sie ungefähr dauern, wie oft unerwartete Zusatzwege, Telefonate oder Organisation dazukommen. Ratgeber von Sozialverbänden und Pflegekassen empfehlen, solche Aufzeichnungen nicht nur vor der ersten Begutachtung, sondern auch bei Anträgen auf Höherstufung zu führen.
Aus diesen Aufzeichnungen ergibt sich oft ein klares Bild:
Die anfangs unterschätzten „kleinen Handgriffe zwischendurch“ summieren sich zu einem zweiten Arbeitstag – und zwar auch dann, wenn die betroffene Person „nur“ Pflegegrad 2 hat.
Pflegegrad 2 ist selten „leichte Pflege“
Pflegegrad 2 wird rechtlich als „erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ beschrieben. Hinter dieser Formulierung steht im Alltag häufig ein Pflegeaufwand von mehreren Stunden pro Tag. Zwar entscheidet heute die Punktzahl in den Begutachtungsmodulen über den Pflegegrad und nicht mehr die minutengenaue Pflegezeit.
Für Familien ist die Frage nach dem Zeitaufwand aber weiterhin entscheidend: Sie bestimmt, ob die Versorgung allein durch Angehörige möglich ist, ob und wie Pflegedienste eingebunden werden und welche Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden sollten.
Die hier dargestellten Orientierungswerte und die Tabelle können helfen, ein Gefühl für die Größenordnung bei Pflegegrad 2 zu bekommen. Sie ersetzen jedoch nicht den Blick auf die individuelle Situation. Wer seinen eigenen Pflegealltag sorgfältig dokumentiert, schafft damit die beste Grundlage, um Leistungen passgenau zu nutzen, Überlastung zu vermeiden – und Pflege so zu organisieren, dass sie für alle Beteiligten langfristig tragbar bleibt.




