Eltern erwachsener Kinder mit Schwerbehinderung können Kindergeld oft lebenslang erhalten. Entscheidend ist, ob die Behinderung rechtzeitig eingetreten ist und ob das Kind seinen Lebensunterhalt aufgrund der Einschränkungen nicht selbst bestreiten kann.
Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und geplanter Erhöhungen des Kindergelds ist dieser Anspruch für viele Familien ein wichtiger Baustein der finanziellen Absicherung.
Kindergeld bei Schwerbehinderung 2026: Rechtliche Grundlage verstehen
Die rechtliche Grundlage findet sich in § 32 Absatz 4 Nummer 3 Einkommensteuergesetz. Ein Kind wird ohne Altersgrenze berücksichtigt, wenn eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung vorliegt, die es dauerhaft daran hindert, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, und wenn diese Behinderung vor einer bestimmten Altersgrenze eingetreten ist.
Maßgeblich ist also nicht jede Behinderung, sondern nur eine, die tatsächlich zur fehlenden Selbstunterhaltsfähigkeit führt.
Altersgrenzen 25 und 27 Jahre: Wann bleibt Kindergeld lebenslang?
Für die meisten heute betroffenen Familien gilt die 25-Jahres-Grenze. Die Behinderung muss spätestens am Tag vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Entscheidend ist der Beginn der gesundheitlichen Beeinträchtigung, nicht der Tag der Diagnose.
Gerade bei psychischen Erkrankungen oder chronischen Verläufen ist es deshalb wichtig, dass Arztberichte, Schulunterlagen oder Therapieprotokolle den schleichenden Verlauf und frühe Einschränkungen belegen. Für Kinder, die bis einschließlich 1981 geboren sind, kann eine Übergangsregelung greifen.
In diesen Fällen kann es ausreichen, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen.
Selbstunterhalt und Einkommen: Wie die Familienkasse 2026 rechnet
Ob ein erwachsenes Kind sich selbst unterhalten kann, beurteilt die Familienkasse anhand des notwendigen Lebensbedarfs. Als Orientierung dient der steuerliche Grundfreibetrag, der 2025 etwas über 12.000 Euro liegt und 2026 erneut ansteigt.
Hinzu kommt ein individueller Mehrbedarf aufgrund der Behinderung, etwa für Medikamente, Therapien, Hilfsmittel, Fahrten zur Werkstatt oder zusätzliche Betreuungsleistungen. Diese Summe bildet den notwendigen Lebensbedarf.
Dem gegenüber stellt die Familienkasse die verfügbaren Mittel des Kindes. Berücksichtigt werden Nettoeinkommen aus Arbeit oder Werkstatt, Renten wegen Erwerbsminderung, Grundsicherung, Pflegegeld und andere Leistungen, jeweils nach Abzug bestimmter Aufwendungen.
Liegen diese Mittel dauerhaft unter dem errechneten Bedarf, gilt das Kind als außerstande, sich selbst zu unterhalten. Dann besteht Kindergeldanspruch ohne Altersgrenze. Liegt das Einkommen knapp darüber, muss im Einzelfall gerechnet werden.
Ein geringes Überschreiten einer pauschalen Grenze führt nicht automatisch zur Ablehnung, wenn behinderungsbedingte Mehrbedarfe nachweisbar hoch sind.
Nachweise für Kindergeld bei behinderten Kindern: Was 2026 wichtig ist
Für die Prüfung verlangt der Zentrale Kindergeldservice umfangreiche Nachweise. In der Praxis ist ein Schwerbehindertenausweis ein wichtiges Indiz, häufig mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50, gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist er aber nicht.
Ebenso anerkannt sind Feststellungsbescheide nach dem SGB IX oder Rentenbescheide über eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, sofern sie Art, Schwere und Beginn der Einschränkungen erkennen lassen.
Besonders kritisch ist die Frage des Zeitpunkts. Aus den Unterlagen muss hervorgehen, seit wann die Funktionsstörungen bestehen und dass sie bereits vor der maßgeblichen Altersgrenze vorlagen. Gerade bei seelischen Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen kommt es darauf an, Verläufe möglichst lückenlos zu dokumentieren.
Zusätzlich müssen Eltern die besonderen Formulare für behinderte Kinder ausfüllen. Neben dem allgemeinen Antrag auf Kindergeld mit Anlage Kind verlangt der Zentrale Kindergeldservice meist eine Erklärung zu den Verhältnissen des Kindes mit Behinderung sowie eine Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen.
Dort werden Beschäftigung, Rente, Grundsicherung und sonstige Einnahmen des Kindes detailliert abgefragt.
Erwachsene Kinder mit Behinderung: Werkstatt, Rente und Grundsicherung
Bei erwachsenen Kindern geben bestimmte Konstellationen wichtige Hinweise für den Kindergeldanspruch. Eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen, der Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sprechen in der Regel dafür, dass die Voraussetzungen für Kindergeld über 25 hinaus vorliegen.
Auch hohe Pflegegrade oder Merkzeichen wie H für Hilflosigkeit oder Bl für Blindheit deuten auf eine weitgehende Abhängigkeit von Unterstützung hin. Merkzeichen B bescheinigt die Notwendigkeit einer Begleitperson und stärkt die Argumentation zusätzlich.
Gleichzeitig sind hier typische Fallstricke versteckt. Erhält das erwachsene Kind Grundsicherung, wird das Kindergeld häufig als Einkommen des Kindes gewertet und von der Sozialbehörde ganz oder teilweise abgezweigt. Die Eltern bleiben zwar formal kindergeldberechtigt, sehen das Geld aber faktisch nicht, weil es zur Deckung des sozialrechtlichen Bedarfs verwendet wird.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Heirat eines behinderten erwachsenen Kindes. Verdient der Ehepartner ausreichend, kann die Familienkasse annehmen, dass der Unterhalt nun durch den Partner gesichert ist und der Kindergeldanspruch der Eltern entfällt.
Kindergeldantrag 2026: So vermeiden Eltern Rückforderungen
Kindergeld für erwachsene Kinder mit Behinderung sollte möglichst früh beantragt werden, sobald absehbar ist, dass die Einschränkungen dauerhaft sind und der Eintritt der Behinderung rechtzeitig nachweisbar ist.
Nach der Bewilligung sind Eltern verpflichtet, Einkommensänderungen, neue Renten, Grundsicherungsbezug oder Veränderungen beim Pflegegrad zeitnah mitzuteilen. Unterbleibt das, drohen Rückforderungen über mehrere Jahre, die Familien finanziell stark belasten können.
Kommt es zu einer Ablehnung oder Aufhebung, lohnt ein genauer Blick in die Begründung. Oft stützen sich die Entscheidungen auf unvollständige medizinische Unterlagen oder eine zu schematische Einkommensprüfung.
Ein gut begründeter Widerspruch, ergänzt um aktuelle Gutachten und eine realistische Bedarfsrechnung, kann den Anspruch in vielen Fällen doch noch sichern. Unterstützung bieten Behindertenverbände, Sozialberatungsstellen und Fachanwältinnen oder Fachanwälte für Sozialrecht.




