Jobcenter-Fallmanager spricht sich gegen Sanktionen bei Hartz IV aus

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Auch innerhalb der Behörden regt sich Widerspruch gegen die Sanktionen bei Hartz IV. Viele trauen sich allerdings erst zu kritisieren, wenn sie aus dem Beruf eines Jobcenter-Mitarbeites ausscheiden. Herbert Sternitzke hat 15 Jahre im Jobcenter in Bielefeld gearbeitet. Er ist ein weiterer ehemaliger Fallmanager, der sich deutlich gegen Sanktionen bei Hartz IV ausspricht.

Fallmanager äußert scharfe Kritik an Hartz IV-Sanktionen

In einem Interview mit der taz kritisierte Sternitzke Hartz IV-Sanktionen. Diese hätten den Effekt, dass Arbeitssuchende Arbeitsstellen lediglich annehmen, um drohenden Sanktionen und dem damit verbundenen Druck zu entgehen.

Da es sich häufig jedoch nur um Hilfstätigkeiten oder unpassende Arbeiten handelt, komme eine langfristige Inklusion in den Arbeitsmarkt überhaupt nicht zustande. Die fehlende Motivation und der häufige Tätigkeitswechsel führe bei den Betroffenen zu Überforderung und gesundheitlichen Belastungen, weiß Sternitzke aus eigener Erfahrung zu berichtet.

Die Sanktionen waren ursprünglich bei der Einführung von Hartz IV im Jahre 2005 im Konzept „Fördern und Fordern“ enthalten. Man hatte die Idee, man muss fordern, damit die Leistungsempfängerinnen und -empfänger einen gewissen Druck verspüren, damit sie sich für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.

Geld allein ist keine ausreichende Motivation

Der ehemalige Fallmanager weist darauf hin, dass die wegen des Sanktionsdrucks angenommenden Hilfstätigkeiten, die häufig auch mit Leiharbeit verbunden sind, in aller Regel nur kurzfristige Anstellungen mit Niedriglöhnen sind. 200 oder 300 Euro mehr Lohn als die Hartz IV-Leistungen würden da kaum ausreichen, um Menschen zu Arbeiten zu motivieren, die ihnen nicht liegen oder welche mit einer hohen Belastung verbunden sind.

Würden dann noch finanzielle Belastungen hinzukommen, die Betroffenen alleinerziehend sein oder eine private Krise erleben, sei es mit der Sanktionspraxis kaum möglich, die Betroffenen aus dem dauerhaften Leistungsbezug zu bekommen. Die Lebenssituationen vieler Betroffenen würden immer komplexer, so Sternitzke, und Sanktionsdruck helfe nicht dabei, das Leben und die Arbeitssituation neu zu ordnen.

Sanktionen sind eine destruktive Form der Motivationserzeugung, wir brauchen aber eine konstruktive Form der Motivationsentwicklung.

Lediglich 0,1 Prozent der Leistungsempfänger wurden 2018 wegen Leistungsmissbrauchs angeklagt. Hartz IV als soziale Hängematte ist also ein Mythos. Trotzdem wurden 2019 800.000 Sanktionen, die überwiegend wegen Meldeversäumnissen oder dem Verstoß gegen eine Eingliederungsvereinbarung oder Abbruch einer Maßnahme verhängt wurden.

Sternitzke plädiert dafür, Sanktionen durch Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen zu ersetzen. Dieses könne durch nachhaltige Qualifikationsangebote geschaffen werden, die sich an den Neigungen und Interessen der Betroffenen orientieren müssten. Aktuell ist die Zahl der Qualifikationsmaßnahmen der Jobcenter rückläufig und zu vielen verordneten Maßnahmen haben die Betroffenen gar keinen Bezug Bild: Stockwerk-Fotodesign / AdobeStock

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