Bürgergeld: Warum wollen viele Jobcenter-Mitarbeiter mehr sanktionieren?

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Eine Mehrheit von Jobcenter-Beschäftigten hält das Bürgergeld für zu hoch. Dies zeigt eine aktuelle Studie des DIW und der Uni Bochum Für die Studie wurden 2024 Mitarbeiter in sieben Jobcentern in Nordrhein-Westfalen befragt. Aber warum ist das so?

Über viele Jahre hinweg lernten viele Sachbearbeiter Leistungsberechtigte hart zu sanktionieren und sind jetzt offenbar überfordert, Kooperation auf Augenhöhe statt “Knüppel aus dem Sack” umzusetzen.

Ralf Julke fragt daher in der Leipziger Zeitung: “Was passiert eigentlich in einem System (…) wenn man das Prinzip „Strafe muss sein“ aufweicht?”

Mitarbeiter der Jobcenter sehen Bürgergeld kritisch

Laut Studie hält nur jeder fünfte befragte Mitarbeiter der Jobcenter das Bürgergeld im Vergleich zu Hartz IV für eine Verbesserung, rund die Hälfte sieht gar eine Verschlechterung. Um die 60 Prozent der Befragten denken, die Änderungen der Hartz IV Regeln würden Leistungsberechtigte nicht ausreichend zur Arbeitssuche motivieren.

Was sagt die Studie aus?

Während die Studie also nicht viel über Erfolg oder Misserfolg des Bürgergelds zur Arbeitsvermittlung aussagt, gibt sie einen guten Eindruck in das Denken der Mitarbeiter der Jobcenter über Leistungsberechtigte.

Die befragten Mitarbeiter kritsieren nicht etwa das, worunter Leistungsberechtigte leiden, zum Beispiel, dass die Qualifizierungen verbessert werden müssten, oder die psychosoziale Betreuung gefördert werden müsste.

Für härtere Sanktionen

Im Gegenteil: 73 Prozent der Befragten ist gerade die Milderung der Sanktionen gegen Leistungsberechtigte ein Dorn im Auge. Eine Mehrheit der Befragten lehnt die höheren Bürgergeld-Regelsätze für Erwachsene und das erhöhte Schonvermögen ab.

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Coaching für Langzeitarbeitslose wird akzeptiert

Ein höherer Regelsatz für Kinder sowie verbessertes Coaching für Langzeitarbeitslose finden hingegen drei Viertel der befragten Jobcenter-Mitarbeiter gut.

Der Studienautor Schupp vermutet: „Zu den wenig positiven Bewertungen können neben der Ausgestaltung des Bürgergelds auch die verschlechterte wirtschaftliche Lage in Deutschland oder die zunehmend aufgeladene Stimmung gegen Bürgergeldbeziehende geführt haben.”

Diffamieren von Leistungsberechtigten sagt nichts über Erwerbsintegration aus

Schupp betont, dass diese Hasspropaganda gegen Bürgergeld-Bezieher und der Erfolg (wie Misserfolg) der Arbeitsvermittlung zwei Paar Schuhe sind.

„Damit ist aber noch nicht gesagt, dass das Bürgergeld nicht seine Aufgabe erfüllt, nämlich die Erwerbsintegration von Leistungsberechtigten zu verbessern.“

Was zeigt die Befragung von Jobcenter-Beschäftigten nicht?

Ralf Julke zufolge kann eine Befragung von Mitarbeitern der Jobcenter gerade nichts über reale Integration in den Arbeitsmarkt durch das Bürgergeld aussagen.

Julke erklärt: “Diese (die Mitarbeiter der Jobcenter) wurden jahrelang darauf trainiert, ihre Vermittlungsergebnisse auch mit dem Druck verhängter Sanktionen zu verbessern.”

Julke führt aus: “Die Jobcentermitarbeiter/-innen stecken selbst in einem Leistungssystem, in dem die Betreuung der Klienten nicht als Fürsorge betrachtet wird, sondern als verlängerter Arm einer Wirtschaftslobby, die Menschen unbedingt in Arbeit zwingen möchte, egal, wie schlecht diese bezahlt wird.”

“Versachlichung der Debatte”

Jürgen Schupp schließt aus den Ergebnissen der Studie: „Gefragt ist jetzt eine politische Kommunikation, die die Debatte versachlicht, pragmatisch über die Bedarfslagen und Ansprüche aufklärt und die Umbauprozesse erklärt.”