Das Bürgergeld sollte ursprünglich eine Antwort auf die in vielen Punkten kritisierte Hartz-IV-Gesetze sein.
Die Ampel-Koalition trat ursprünglich mit dem Ziel an, Hartz IV zu überwinden und mit dem Bürgergeld eine sozial gerechtere Grundsicherung zu schaffen. Vertrauen, Respekt, Förderung und eine Begegnung auf Augenhöhe – so lauteten die ambitionierten Ziele der Koalition.
Doch was ist aus diesen Versprechen geworden? Die Realität zeigt jedoch, dass sich die Lage für Menschen, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, kaum verändert hat. Immer Gegenteil, das Bürgergeld soll nun noch schärfer als Hartz IV werden.
Bereits bei der Einführung wurde zum Beispiel kritisiert, dass beispielsweise der neue Regelsatz lediglich die Inflation ausgleicht und keine tatsächliche Verbesserung bringt. Denn eigentlich müsste der Regelsatz viel höher sein.
Immer mehr Sanktionen beim Bürgergeld
Seit Januar 2024 wurden „Totalsanktionen“ wieder eingeführt, welche stark an das alte Hartz-IV-System erinnern. Wer zum zweiten Mal ein zumutbares Jobangebot ablehnt, wird als „Totalverweigerer“ eingestuft und verliert für zwei Monate den vollen Regelsatz.
Dies ist ein erheblicher Eingriff in die Lebensbedingungen der Betroffenen, die so gezwungen werden, sich selbst auf Niedriglohnjobs ohne echte Verhandlungsbasis einzulassen.
Der neue „Gesetzentwurf zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung“ sieht jedoch noch weitere Verschärfungen vor, die eine neue Ära der Sanktionen und Einschränkungen einläuten könnten.
Was beinhalten die geplanten Neuerungen konkret?
Die Kabinettsvorlage, die momentan im Bundestag beraten wird, umfasst umfassende Verschärfungen:
- 30%-ige Sanktionen beim ersten Terminversäumnis: Wer einen Termin versäumt, muss mit einer sofortigen Kürzung rechnen, die für viele Betroffene existenzbedrohend ist.
- Pendelzeiten bis zu drei Stunden: Menschen sollen für einen sechs-Stunden-Tag eine Pendelzeit von bis zu drei Stunden in Kauf nehmen – eine Zumutung, die den Alltag vieler Menschen weiter erschwert.
- Umzug als „zumutbare Mitwirkung“: Betroffene könnten in Zukunft gezwungen werden, ihren Wohnort zu wechseln, was oft eine starke Veränderung und Entwurzelung mit sich bringt.
- Monatliche Meldepflicht: Das neue Gesetz sieht vor, dass sich Bürgergeldempfänger monatlich im Jobcenter melden müssen – eine zusätzliche Belastung, die oft ohne Mehrwert ist.
- Verkürzung der Vermögenskarenz: Die Zeitspanne, in der eigene Rücklagen nicht angetastet werden müssen, soll von zwölf auf sechs Monate verkürzt werden, was die finanzielle Sicherheit weiter untergräbt.
Zusätzlich strebt der Finanzminister Christian Lindner an, Bürgergeldleistungen für Ukrainer*innen zu streichen und die Wohnkosten pauschal anzusetzen.
Warum sind diese Verschärfungen beim Bürgergeld problematisch?
Die vorgesehenen Sanktionen und Einschränkungen werfen grundlegende Fragen zur Menschenwürde und zur Verhältnismäßigkeit auf.
Forschungen und Berichte zeigen immer wieder, dass Sanktionen nicht zu einer nachhaltigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt führen. Im Gegenteil: Sanktionen setzen Menschen unter Druck und lösen existenzielle Ängste aus. Die Vorstellung, durch Sanktionen Menschen schneller in Arbeit zu bringen, ist längst widerlegt.
Eine Studie des Forschungsinstituts der Agentur für Arbeit von November 2022 kam zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass Sanktionen keine positiven Effekte auf die Arbeitsintegration haben.
Vielmehr treffen sie besonders Menschen in prekären Lebenslagen und können deren Lebenssituation verschlechtern. Häufig betroffen sind dabei auch Kinder, die in Bedarfsgemeinschaften mit ihren Eltern leben und so indirekt unter den Sanktionen leiden.
Ist die neue Regelung zur Totalsanktion verfassungskonform?
Im Jahr 2019 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Sanktionen maximal 30 % des Regelsatzes betragen dürfen.
Diese Entscheidung legte die Grundrechte der Betroffenen klar dar und setzte enge Grenzen. Doch durch die neue Regelung zur Totalsanktion wurde ein Schlupfloch genutzt, das möglicherweise verfassungswidrig ist.
Die Kritik von Rechtsexperten und Sozialverbänden wächst, da diese neuen Sanktionen die Freiheit und Menschenwürde der Betroffenen in Gefahr bringen.
Sanktionfrei startet Petition
Die von „Sanktionsfrei e.V.“ gestartete Petition fordert:
- Keine weiteren Verschärfungen der Sanktionsregelungen: Die Sanktionen sollen nicht weiter ausgeweitet, sondern reformiert oder sogar abgeschafft werden.
- Abschaffung der monatlich verpflichtenden Termine: Die monatlichen Vorsprachen sind eine unnötige bürokratische Hürde, die das Vertrauen untergräbt.
- Stärkung der Vermittlungsbudgets und des Jobcenter-Personals: Mehr Mittel für gezielte Vermittlungen und ausreichend Personal könnten einen echten Beitrag zur Förderung der Arbeitsintegration leisten.
- Eine wissenschaftliche Auswertung der Wirksamkeit von Sanktionen anhand einer sanktionsfreien Modellkommune: Eine solche Evaluierung könnte endlich fundierte Erkenntnisse darüber liefern, wie wirksam Sanktionen tatsächlich sind.
Was steht für die Betroffenen auf dem Spiel?
Für Menschen, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, bedeutet jede weitere Verschärfung eine Einschränkung ihrer Lebensqualität und Perspektiven. Die angedrohten Sanktionen stellen keine Hilfe dar, sondern wirken als Bestrafung, die das Vertrauen in den Sozialstaat dauerhaft erschüttern könnte.
Die Petition appelliert daher an die Regierung, die ursprünglichen Ziele des Bürgergelds nicht aufzugeben und den Rechten und der Würde der Betroffenen Vorrang einzuräumen.
Die Petition kann hier unterzeichnet werden.
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