Das Zuflussprinzip sorgt immer wieder für Verwirrung. Grundsätzlich besagt dieses Prinzip, dass Einkommen erst dann auf die Bürgergeld-Leistungen angerechnet wird, wenn es tatsächlich auf dem Konto der Leistungsbeziehenden eingeht.
So soll eigentlich sichergestellt werden, dass niemand mittellos dasteht, bevor das erste Gehalt oder eine andere Einkommensquelle tatsächlich fließt.
Doch in der Praxis kann dieses Prinzip zu erheblichen Problemen führen, wie der Fall einer Mutter zeigt, deren Bürgergeld-Leistungen aufgrund eines Minijobs gestrichen wurden.
Warum wurde das Bürgergeld gestrichen?
Im besagten Fall meldete eine Mutter dem Jobcenter die Aufnahme eines Minijobs zum ersten August.
Daraufhin wurden ihre Bürgergeld-Leistungen einschließlich der Mietzahlungen sofort eingestellt, obwohl das erste Gehalt erst Mitte September eingehen sollte.
Hierbei griff das Jobcenter offensichtlich zu früh ein und handelte gegen das Zuflussprinzip. Nach dieser Regel hätte die Betroffene bis zum tatsächlichen Geldeingang weiter Anspruch auf ihre Bürgergeld-Leistungen gehabt.
Der Fall zeigt ein strukturelles Problem in der Praxis der Jobcenter. Theoretisch soll das Zuflussprinzip verhindern, dass Leistungsbeziehende vor dem ersten Gehalt ohne finanzielle Mittel dastehen.
Doch in vielen Fällen verhalten sich Jobcenter anders und streichen die Bürgergeld-Leistungen, sobald sie von zukünftigen Einnahmen erfahren – selbst wenn das Geld noch nicht überwiesen wurde.
Diese Praxis führt dazu, dass Betroffene ohne jegliche finanzielle Unterstützung bleiben, bis das erste Gehalt tatsächlich auf ihrem Konto eingeht.
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Was hätte die Mutter tun können?
Eine Möglichkeit, die finanzielle Notlage zu überbrücken, wäre ein Überbrückungsdarlehen gewesen. Ein solches Darlehen kann beim Jobcenter beantragt werden, um die Zeit bis zur ersten Gehaltszahlung zu überbrücken.
Allerdings wissen viele Bürgergeld-Beziehende entweder nichts von dieser Möglichkeit, oder sie erhalten von den Jobcentern keine ausreichenden Hinweise darauf, wie sie dieses Darlehen beantragen können.
In diesem Fall hätte die Mutter im Vorfeld aktiv werden und einen solchen Antrag stellen müssen. Leider geschieht dies häufig nicht, weil die Sachbearbeiter in den Jobcentern dies den Betroffenen nicht sagen und viele Leistungsberechtigte selbst von dieser Möglichkeit nichts wissen.
Welche Optionen haben Betroffene?
Wenn das Jobcenter Bürgergeld-Leistungen vorschnell einstellt, sollten Betroffene aktiv werden und Widerspruch einlegen.
Gerade wenn zwischen der Aufnahme der Arbeit und der ersten Gehaltszahlung mehr als ein Monat liegt, ist ein Widerspruch absolut sinnvoll und rechtlich begründet.
Es besteht die Möglichkeit, dass das Jobcenter den Bescheid auf Grundlage des Widerspruchs korrigiert und die fehlenden Zahlungen nachträglich leistet.
Viele Bürgergeld-Beziehende befürchten jedoch, dass sie durch den Widerspruch Nachteile erleiden könnten – beispielsweise in Form von Sanktionen. Doch diese Angst ist unbegründet: Ein Widerspruch führt nicht zu Sanktionen, wenn er gerechtfertigt ist.
Wie kann man sich schützen?
Um der Situation vorzubeugen, gibt es mehrere Handlungsmöglichkeiten. Eine davon ist, eine klare Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu treffen. Diese könnte beispielsweise beinhalten, dass das erste Gehalt erst zum ersten Tag des Folgemonats ausgezahlt wird, um Komplikationen mit dem Zuflussprinzip zu vermeiden.
Auf diese Weise würde das Einkommen in den richtigen Monat fallen und das Risiko einer vorzeitigen Streichung der Bürgergeld-Leistungen minimiert werden.
Warum ist das Zuflussprinzip problematisch?
Das Zuflussprinzip, das eigentlich dem Schutz der Leistungsbeziehenden dienen soll, ist in seiner praktischen Umsetzung oft problematisch. Zum einen erfordert es eine genaue Abstimmung zwischen Jobcentern und Leistungsbeziehenden, die in der Praxis oft nicht funktioniert.
Zum anderen führt es zu Unsicherheiten, wenn Jobcenter über zukünftige Einkünfte informiert werden, aber das Einkommen noch nicht eingegangen ist.
Diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis verursacht immer wieder Situationen, in denen Bürgergeld-Beziehende ohne Unterstützung bleiben, obwohl sie theoretisch noch Anspruch auf die Leistungen haben.
Zusätzlich erschwert die Unkenntnis vieler Betroffener über ihre Rechte und Möglichkeiten – wie etwa das Überbrückungsdarlehen – die Lage. Ohne rechtliche Beratung und Aufklärung durch das Jobcenter stehen viele Leistungsbeziehende vor existenziellen Problemen.
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