Hartz IV: Neue Handlungsanweisungen der BA

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Hartz IV: Die Bundesagentur für Arbeit und Soziales hat neue Handlungsanweisungen zum SGB II herausgegeben.
Die Bundesagentur für Arbeit und Soziales hat neue Handlungsanweisungen zum SGB II herausgegeben. Dabei handelt es sich um verbindliche Weisungen, die sowohl für Arbeitsgemeinschaften nach § 44b Abs. 3 SGB II als auch für sog. Optionskommunen nach § 6b Abs. 1 SGB II bindend sind.

Die wichtigsten Änderungen haben wir hier zusammengefasst.

Weisung zu § 7 SGB II:

– In Rz 7.35 wird der Begriff "stationäre Einrichtung" nunmehr nach dem Urteil des BSG B 14/7b AS 16/07 R, definiert. Danach ist einzig entscheidend, ob durch die Unterbringung in der Einrichtung die Fähigkeit zur Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist. Ist dies nicht ausgeschlossen, handelt es sich nicht um eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II. Ob der Betroffene dabei tatsächlich einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder nicht, ist hingegen vollkommen unerheblich.

– In der Neufassung von Rz 7.41 ist nun generell eine Prognose zu stellen, ob die voraussichtliche Aufenthaltsdauer in einer stationären Einrichtung länger als sechs Monaten dauert. Vorher galt, dass bei einer nicht zu erstellenden Prognose der
Leistungsausschluss erst nach 6 Monaten stationären Aufenthaltes eintritt. Mit der Neuregelung will die BA offensichtlich erreichen, dass mehr als bisher ALG II Empfänger sofort von Leistungen ausgeschlossen werden.

– In Rz 7.83 ff. wird klargestellt, das Anspruch auf Ausbildungsgeld nach den §§ 104 ff. SGB III von § 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II ebenso umfasst wird.

– Die Neufassung der Rz 7.85 widerspricht sich in sich selbst, in Satz 1
steht: "Der Anspruchsausschluss des § 7 Abs. 5 gilt nicht für Weiterbildungen, die nach § 77 SGB III förderungsfähig sind und diese tatsächlich absolviert wird." d.h. konkret, dass nach § 77 SGB III förderungsfähige Weiterbildungen nicht zum Leistungsausschluss führen. Ob die Weiterbildung dabei tatsächlich gefördert wird, ist egal. In Satz 3 steht dann jedoch: "Eine grundsätzliche Förderfähigkeit als Weiterbildung, ohne dass diese tatsächlich gefördert wird, begründet dagegen keinen Leistungsanspruch
auf ALG II."

Damit führt, im Widerspruch zu Satz 1, eine Weiterbildung, die nach § 77 SGB III förderungsfähig ist, doch zum Leistungsausschluss, solange sie nicht tatsächlich gefördert wird.

– In Rz 7.90a wird klargestellt, dass der Kinderbetreuungszuschlag nach § 14b BAföG nicht auf den Alleinerziehendenmehrbedarf angerechnet werden darf.

Weisung zu § 21 SGB II:

– Die Neufassung der Rz 21.8a widerspricht der Rz 21.8: Lt. 21.8 ist derjenige Alleinerziehend, bei dem kein weiteres Mitglied
der Bedarfsgemeinschaft BG im Haushalt für Pflege und Erziehung des Kindes sorgt. Lt. 21.8a gelten geschiedene Eltern, die ihr Kind wechselseitig betreuen (z.B. 2 Wochen Mama, 2 Wochen Papa), nicht als Alleinerziehend, da sich
hier angeblich zwei Personen kümmern.

Dies widerspricht 21.8, da die dort genannten Voraussetzungen auch hier vorliegen: keine weitere Person in der BG, die sich um Pflege und Erziehung des Kindes kümmert. Tatsächlich sorgt abwechselnd immer nur eine Person für das Kind, mit dem das Kind dann eine BG bildet, wobei die Anspruchsvoraussetzungen gemäß Rz 21.8 vorliegen und diese Person für diesen Zeitraum anteilig Anspruch auf den Mehrbedarf hat. Die BA versucht hier durch die Hintertür hinsichtlich des Mehrbedarfes für Alleinerziehende zwischen Eltern die geschieden sind, eine BG zu konstruieren, obwohl gar keine vorliegt, nur um den Mehrbedarf nicht
zahlen zu müssen. Betroffenen sollten hier erfolgreich dagegen vorgehen können.

Weisung zu § 28 SGB II:

– Die Neufassung der Rz 28.7 verweigert Kindern, die Sozialgeld beziehen und Schwerbehindert mit Merkzeichen G oder aG sind, den Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Diesen sollen nur noch Personen mit voller Erwerbsminderung erhalten. Für den Anspruch auf Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II sieht der Gesetzgeber keinerlei derartige Anspruchsvoraussetzung oder -einschränkung vor. In § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II wird Anspruchsvoraussetzung lediglich Erwerbsunfähigkeit sowie der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit Merkzeichen G oder aG gefordert. Von "voller Erwerbsminderung" steht da nichts.

Kinder unter 15 Jahren sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II immer erwerbsunfähig. Damit haben diese lt. Gesetzgeber Anspruch auf diesen Mehrbedarf, wenn sie im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit Merkzeichen G oder aG sind. Hätte der Gesetzgeber Kinder von diesem Mehrbedarf ausschließen und diesen auf "voll Erwerbsgeminderte" begrenzen wollen, hätte er sich statt der Bezeichnung "erwerbsunfähig" der Bezeichnung "voll Erwerbsgemindert im Sinne des …" bedient. Das hat er aber nicht getan hat und auch keine Nachbesserung vorgenommen. Der Gesetzgeber ermächtigt die Bundesagentur für Arbeit auch nicht, hier
irgendwelche vom Gesetzestext abweichenden Festlegungen zu treffen, die BA hat für eine derartige Festlegung also keinerlei Ermächtigungsgrundlage. Hartz IV Betroffenen sollten hier erfolgreich dagegen vorgehen können.

Weisung zu § 31 SGB II:

– In Rz 31.26 wird nun klargestellt, das eine wiederholte Pflichtverletzung nur vorliegen kann, wenn dem Betroffenen über die
Vorangegangene bereits ein Bescheid zugegangen ist.

– In Rz 31.30 wird klargestellt, dass für Personen, deren ALG II zu 100% sanktioniert wurde und deren Sozialversicherungspflicht damit entfällt, ein Zuschuss zur angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung analog § 26 Abs. 3 SGB II möglich ist. Offen bleibt, ob der Betroffene diesen selbst beantragen muss und ob es sich dabei um eine Ermessens- oder Pflichtleistung handelt.

Weisung zu § 11 SGB II:

– In Rz 11.63 setzt die BA ihre Auffassung, das Verpflegung bei stationärem Aufenthalt Einkommen ist, konsequent um, und eröffnet Betroffenen hierbei Kosten, die durch einen stationären Aufenthalt entstehen, als Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB II geltend zu machen. Die Bagatellgrenze wird dabei nicht berührt. Diese Regelung gilt also nur bei Überschreiten der Bagatellgrenze.

Unabhängig davon sollten Betroffene gegen eine Anrechnung von Verpflegung bei stationärem Aufenthalt immer Widerspruch einlegen, da dies, wie das BSG kürzlich entschieden hat, bereits in der Vergangenheit rechtswidrig war und, wegen immer noch fehlender Rechtsgrundlage, weiterhin rechtswidrig sein wird.

– Lt. Rz 11.84a gilt die Einschränkung des § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II
nicht (mehr) für Auszubildende. Diese dürfen nun ihre tatsächlichen
Aufwendungen immer dann absetzen, wenn diese den Pauschalfreibetrag von
100 Euro übersteigen, auch wenn ihre Ausbildungsvergütung 400€ Brutto/Monat
oder weniger beträgt.

– Aus Rz 11.96 werden die sozialen Ausgleichsleistungen für SED-Opfer (§ 9 Abs. 1 Berufliches und 16 Abs. 4 Strafrechtliches
Rehabilitationsgesetz) gestrichen, da diese bereits nach dem in Rz 11.95 genannten "Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet" privilegiert sind.

– In der Neufassung der Rz 11.101a bleiben nun auch zweckbestimmte kommunale Zuschüsse zu Schulbüchern oder Lernmittel anrechnungsfrei.

– In Rz 11.102 wird klargestellt, das der Abzug von 20% der Ausbildungsförderung als zweckbestimmte Einnahme nur bei BAföG, nicht jedoch bei BAB vorgenommen werden darf.

– In Rz 11.102a wird klargestellt, dass der Kinderbetreuungszuschlag nach § 14b BAföG nicht als Einkommen angerechnet werden darf. (25.06.2008)