Hartz IV: Gebührenwucher mit Ausweisdokumenten?

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Hartz-IV: Gebührenwucher mit Ausweisdokumenten?
Kommentar von Joachim Weiss

(23.08.2010) Kein Geld für Schulbücher. Aids-Kranke müssen ihre Mehraufwendungen selbst tragen. Jahrelanger staatlicher Betrug an minderjährigen Kindern durch falsch berechnete Regelsätze. Hartz-IV-Bezieher müssen sich darauf einstellen, dass der Begriff »Sozialstaat« hierzulande nur noch als Alibifunktion dient. Auch von Seiten der Sozialgerichtsbarkeit haben die Betroffenen nicht viel zu erwarten. Hartz-IV-Bezieher mit ausländischer Staatsangehörigkeit trifft dieser Misstand besonders hart: Die meisten können sich weder gegen falsche Bescheide noch gegen rassistische SachbearbeiterInnen wehren, werden gemobbt und teilweise gezielt kriminalisiert: Denn selbst eine gültige Aufenthaltserlaubnis gilt bei abgelaufenem Pass als Verstoß gegen das Ausländerrecht und kann im Extremfall zum Entzug der Aufenthaltserlaubnis und Abschiebung führen.

Das wissen die Menschenschinder in den Behörden natürlich genau und setzen die Betroffenen durch feige Drohungen und Denunziation bei den Ausländerbehörden massiv unter Druck. Nach oben buckeln, nach unten treten!

Was die Übernahme der Kosten für Pass-Verlängerungen anbelangt, stören sich die Grundsicherungen –und wie das Urteil zeigt, auch die Sozialgerichtsbarkeit – auch nicht an den teilweise maßlos überzogenen Gebühren, die manche Konsulate von ihren hier lebenden Landsleuten verlangen.

Sie reichen, je nach Staatsbürgerschaft, von 10 Euro in Estland bis 137,50 Euro in Ecuador, ermittelte die interkulturelle Handelszeitung Ethnotrade. Eine fünfköpfige Familie aus Ecuador zahlt damit stolze 687,50 Euro. Spitzenreiter beim Abzocken ist Afghanistan mit einer Gebühr von 112 Euro pro Verlängerungsjahr. Rund 160,- Euro werden vom Generalkonsulat der Dominikanischen Republik erhoben – Wuchergebühren, für die sich keine Stiftung Warentest interessiert.

Dabei läge hier in der Tat einmal der Fall einer sinnvollen Integrationsmaßnahme vor, die nach einer europäischen Lösung verlangt. Anstatt über die Größe von Hühnereiern zu debattieren, sollte sich die Europäische Kommission einmal Gedanken über eine EU-weite Gebührenordnung für Reispässe und Aufenthaltsdokumente machen.

Doch hinter dem staatlich tolerierten Gebührenwucher stecken nicht immer Bereicherungsabsichten und Korruption. Zahlreiche kleine und verarmte Nicht-EU-Staaten könnten sich ohne diese Einkünfte den Unterhalt einer diplomatischen Vertretung in Deutschland gar nicht leisten. Das ist die politische Seite des Problems.

Den Damen und Herren in der schwarzen Robe scheint das egal zu sein. Sie wollen Ärger vermeiden, ihre Fallzahlen erfüllen und vor allem keine Beförderungssperre riskieren. Wie im Falle des skandalösen Schulbuch-Urteils hört man stattdessen Sätze, wie „das Gericht ist an das BSG gebunden“ und müsse daher „ein Urteil verkünden, dass man nicht gerne ausspricht“ (Vorsitzender Richter Wolfgang Spellbrink). Will heißen: Irgendjemand muss schließlich die Drecksarbeit erledigen! Ist das die Zukunft der deutschen Sozialgerichtsbarkeit? (Joachim Weiss, gegen-stimmen.de)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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