Grüne gegen Totalsanktionen: Entzug von Bürgergeld verfassungswidrig

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Der Fraktionsvize der Grünen, Andreas Audretsch, hält die vom Arbeitsministerium geplante komplette Streichung für unliebsame Bürgerrechtsbezieher für einen Verfassungsbruch. Er beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass 2019 Kürzungen bei Hartz IV über 30 Prozent für rechtswidrig erklärte.

30 Prozent Sanktionen sind möglich

Die laut Verfassungsgericht legale Möglichkeit, bis zu 30 Prozent des Regelsatzes im Extremfall teilweise zu kürzen, ist im Bürgergeld gegeben. Das betont auch Audretsch. Laut Audretsch habe das Verfassungsgericht zudem entschieden, dass das Existenzminimum in Deutschland jederzeit gesichert sein müsste.

Was sagte das Verfassungsgericht?

Am 5.11.2019 verkündete das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung darüber, ob Hartz IV Empfängern, die keine Jobangebote annahmen, die Leistungen komplett gestrichen werden dürften. Dies bezeichnete das Gericht als teilweise verfassungswidrig. Mehr als 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs dürften nicht entzogen werden – auch nicht zeitweise.(Az. 1 BvL 7/16).

30 Prozent sind immer die Grenze

Ausdrücklich ging es bei dem Urteil nicht (!) darum, ob sich Leistungsempfänger kooperativ oder unkooperativ verhielten. Auch bei einer tatsächlichen Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten gilt, laut Verfassungsgericht, die Grenze von 30 Prozent, die nicht überschritten werden dürfte. Weitergehende Kürzungen von Leistungen, die das Existenzminmum sichern, seien unvereinbar mit dem Grundgesetz.

“Grüne prüfen den Gesetzvorschlag”

Audretsch erwähnt die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass das Existenzminim gesichert sein müsste – und das zu jeder Zeit. Er sagt: “Diese Vorgaben sind Grundlage unserer Verhandlungen, darauf prüfen wir den Vorschlag der Bundesregierung nun im parlamentarischen Verfahren genau.”

Sozialverband sagt Widersprüche voraus

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider zeigt Jobcentern die drohenden Konsequenzen auf: “Ich kann die Jobcenter nur warnen, von der Möglichkeit, das Bürgergeld komplett zu streichen, viel Gebrauch zu machen. Es wird Widersprüche hageln.”

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“Bis vor das Verfassungsgericht”

Schneider kündigt an, dass die Sozialverbände den Betroffenen zur Seite stehen werden: “Dort, wo Arme mit Sanktionen belegt werden und sich allein kaum wehren können, werden die Sozialverbände bei der Formulierung des Widerspruchs helfen (…) notfalls geht es bis vors Bundesverfassungsgericht”.

Sozialrechtler warnt vor Willkür

Der Sozialrechtler Harald Thomé weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf willkürliche Strafe gegen Bürgergeld-Bezieher ermögliche. Zwar sollten angeblich nur “Totalverweigerer” bestraft werden. “Das steht so aber nicht im Gesetzentwurf”, betont Thomé.

“Breit gestreute Sanktionen”

Thomé warnt: “Es besteht die deutliche Gefahr, dass diese Sanktionsregel breit gestreut angewendet wird, also bei Ablehnung oder Abbruch einer Arbeit, was dann den Verlust sämtlicher Leistungen nach sich ziehen würde.”

Hunger und Verschuldung”

Totalsanktionen bedeuteten, laut Thomé, “kein Geld mehr für Essen, kein Geld für Strom, und auch kein Geld für Telekommunikation”. Den Betroffenen drohe Verschuldung.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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