Bürgergeld: Wird tatsächlich die KFZ-Reparatur vom Jobcenter gezahlt?

Lesedauer 2 Minuten

Die Zeiten werden immer verrückter. Während Bürgergeld Beziehende schon Mitte des Monats nicht mehr wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen, weil die Kaufkraft durch die anhaltende Inflation nachweislich sinkt, gibt es fast täglich “News” aus unseriösen Quellen, die über angebliche Zuschüsse und Ansprüche berichten.

Video behauptet: Bürgergeld-Bezieher bekommen die Auto-Reparatur bezahlt

Ein aktuelles Beispiel ist ein Video, das derzeit wieder bei TiKTok viral geht und tausende Klicks bekommt. Es berichtet davon, dass Bürgergeldempfänger die komplette KFZ-Reparatur ihres Autos vom Jobcenter bezahlt bekommen.

In dem Video (das wir bewusst nicht verlinken) ist ein Mann zu sehen, der vor seinem Auto steht. Eine Frauenstimme im Hintergrund behauptet, dass alle Bürgergeld Beziehenden auf Antrag die Reparatur vom Amt bezahlt bekommen, um mobil zu bleiben. Doch das ist Unsinn.

Übernahme der Reparaturkosten für ein Auto nur in Ausnahmefällen

Tatsache ist, dass eine Bezieherin, die dringend auf ihr Auto angewiesen ist, um ihrer Arbeit nachgehen zu können, vor dem Sozialgericht die Reparaturkosten für ihr Auto erstritten hat.

Der Fall wurde vor dem Sozialgericht Mainz verhandelt. Das Gericht wies darauf hin, dass das Jobcenter verpflichtet ist, Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zu erbringen, die erforderlich sind, um Hilfebedürftigkeit zu vermeiden.

Die Betroffene ist Reinigungskraft und arbeitet an zwei Arbeitsplätzen. Allerdings muss sie ihren Lohn mit Hartz IV (heute Bürgergeld) aufstocken. Hätte sie kein Auto mehr, müsste sie wieder die vollen Leistungen nach dem SGB II beziehen.

Allein aufgrund dieser Tatsache konnte die Betroffene erreichen, dass das Amt die Reparaturkosten übernimmt, da der Freibetrag nicht ausreicht, um dafür zu sparen. (Az.: S 10 AS 654/18)

Die Rechtslage ist eine andere

Es ist also keineswegs so, dass alle Bürgergeldempfänger die Reparatur ihres Kfz vom Jobcenter finanziert bekommen. Nur in Ausnahmefällen, wenn, wie bereits beschrieben, das KFZ dringend zur Ausübung der Erwerbstätigkeit benötigt wird und ansonsten wieder ein voller Leistungsbezug die Folge wäre, kann eine Übernahme beantragt werden.

Im Alltag zeigt sich jedoch, dass die Jobcenter solche Anträge zunächst ablehnen und die Betroffenen erst über den Klageweg zu ihrem Recht kommen.

Die Folgen solcher Falschmeldungen sind fatal

Doch was bewirken solche Videos, die nur mit Halbwahrheiten arbeiten? Schaut man in die Kommentare, findet man viele verärgerte Nutzer, die solche “Fakenews” für Tatsachen halten. Sie ärgern sich, dass sie ihre Reparatur nicht bezahlt bekommen, weil sie kein Bürgergeld beziehen.

Es wird ein völlig falsches Bild erzeugt, das nicht der Realität entspricht. Denn es ist, wie eingangs erwähnt, eine andere Realität, in der Bürgergeldbezieher leben. Eine Realität, die von Armut, Ausgrenzung und Not bestimmt ist. Die Leistungen vom Amt reichen nicht aus, um über die Runden zu kommen. Hunderttausende sind auf die Tafeln angewiesen und ein Sozialabbau kündigt sich bereits an.

Solche Videos und auch andere Berichte führen aber dazu, dass viele Nichtbetroffene ein Gefühl der Ungerechtigkeit entwickeln. Sie nehmen solche Videos und Berichte für bare Münze.

Scheindebatte fördert Sozialabbau

Die Folge ist eine Scheindebatte, in der weiterer Sozialabbau gefordert wird. Wohin eine solche Debatte führt, zeigt aktuell das Beispiel Italien. Dort wurde das Bürgergeld faktisch abgeschafft. Per SMS wurde den Betroffenen mitgeteilt, dass sie keine Leistungen mehr erhalten. Eine sozialpolitische Katastrophe.

Die Macher solcher Videos und Fake-News” sollten sich dieser Verantwortung bewusst sein. Sie mögen viele Klicks bekommen. Den Preis dafür zahlen die von Armut betroffenen Menschen. Sozialabbau wird zunehmend gesellschaftsfähig, Menschen werden ausgegrenzt und verhöhnt.

Spätestens aber, wenn diejenigen, die jetzt Armutsbetroffene verspotten, wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit selbst Sozialleistungen beantragen müssen, werden sie merken, wie bitter die Realität der Armut ist. Doch dann ist es zu spät.

Eine Bitte zum Schluss: Teilt diesen Artikel und helft dabei mit, diese Unwahrheiten zu entlarven.