Zum 1. Juli 2025 klettert die monatliche Abgeordnetenentschädigung von 11 227,20 Euro auf 11 833,47 Euro. Das Plus von gut 600 Euro entspricht einer Steigerung um 5,4 Prozent und markiert den stärksten Nominallohn-getriebenen Zuschlag seit fünf Jahren.
Kritik kommt hingegen vom Sozialrechtsexperten Dr. Utz Anhalt, der darauf hinweist, dass die Erhöhung “in etwa dem gesamten Bürgergeld-Regelsatz einer alleinstehenden Person entspricht”.
Wie das Diäten-Karussell funktioniert
Die jährliche Anpassung ist kein freihändiger Beschluss des Parlaments, sondern folgt § 11 Abs. 4 Abgeordnetengesetz. Dort ist festgelegt, dass die Grundentschädigung jeweils zum 1. Juli in der Höhe steigt, in der der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Nominallohnindex im Vorjahr gewachsen ist.
Der Bundestag bestätigt den vom Parlamentspräsidium veröffentlichten Betrag lediglich formal. Das Verfahren ersetzt seit 2014 die frühere Kopplung an das Gehalt einer oder eines Bundesrichter*in, die lange Zeit als Vergleichswert diente.
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Bürgergeld: eine Nullrunde als Kontrastprogramm
Während sich die Diäten automatisch nach oben bewegen, kündigte der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil bereits im Herbst 2024 an, dass es 2025 keine Anhebung des Bürgergeldes geben werde. Nach der kräftigen Erhöhung zum Jahresbeginn 2024 verweist das Ministerium auf die spürbar gesunkene Teuerung. Für alleinstehende Leistungsbeziehende bleibt der Regelsatz deshalb bei 563 Euro, für Paare bei 506 Euro pro Person.
Karlsruher Zweifel an der Existenzsicherung
Genau diese Stagnation hat nun rechtliche Folgen. Die 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe sieht Anhaltspunkte dafür, dass die Regelsätze der Jahre 2021 bis 2023 das vom Bundesverfassungsgericht definierte Existenzminimum nicht deckten.
In einem Vorlagebeschluss vom 12. Mai 2025 (Az. S 12 AS 2069/22) fordert das Gericht das Bundesarbeitsministerium zu einer detaillierten Antwort auf neun Fragenkataloge zur Berechnungsmethode auf. Sollte Karlsruhe dem Gericht folgen, könnte das laufende Finanzierungskonzept des Bürgergelds ins Wanken geraten.
Gerechtigkeit oder Neid?
Vertreter der Regierungsfraktionen betonen, allein das objektive Index-Verfahren garantiere Transparenz und verhindere, dass Abgeordnete ihr Gehalt nach Gutdünken festlegen.
Die Linke wirft dem Parlament dennoch ein fatales Signal an Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen vor: “Während Bürgergeld-Beziehende und Beschäftigte im Niedriglohnbereich Kaufkraftverluste hinnehmen müssten, sichere sich die Politik jährlich steigende Bezüge – steuerfinanziert.”
Was hinter der Lücke steckt
Der Nominallohnindex bildet die gesamtwirtschaftliche Bruttolohn- und Gehaltsentwicklung ab, die in den Jahren 2023 und 2024 deutlich über fünf Prozent lag.
Die Fortschreibung der Bürgergeld-Sätze orientiert sich hingegen an einem Warenkorb, der aus dem Ausgabeverhalten der unteren 20 Prozent der Haushalte abgeleitet wird. Gerade diese Haushalte sparen in Krisenjahren zuerst und drücken damit statistisch den Anpassungsbedarf der Grundsicherung. Das Ergebnis ist eine wachsende Schere zwischen Einkommen und Mindestabsicherung.
Nebentätigkeiten und Pauschalen als zusätzliche Reizpunkte
Die eigentliche Grundentschädigung erzählt nur die halbe Geschichte. Hinzu kommt eine steuerfreie Kostenpauschale von derzeit 4 777 Euro monatlich für Büro, Kommunikation und Wahlkreisarbeit sowie eine üppige Ausstattung mit Mitarbeitendenbudgets.
Darüber hinaus verdienen etliche Abgeordnete an Vorträgen, Aufsichtsratssitzen oder Unternehmensbeteiligungen. Eine Obergrenze für Extra-Einkünfte besteht nicht, es gilt lediglich eine Anzeigepflicht. Dass sich das Grundgehalt trotzdem jährlich fortschreibt, stößt in Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis.
Reformvorschläge auf dem Tisch
In Regierungs- wie Oppositionsfraktionen kursieren Überlegungen, die automatische Kopplung an den Nominallohnindex durch ein zweistufiges Verfahren zu ersetzen.
Demnach könnte der Inflationsausgleich gedeckelt werden, wenn der Reallohn der unteren Einkommensdezile sinkt. Gewerkschaften favorisieren eine Anbindung an die Medianlohnbremse, während einige Sozialverbände fordern, Diäten erst dann anzuheben, wenn auch das Bürgergeld steigt.
Leistungsprinzip vs. Mandatscharakter
Einige Stimmen schlagen gar vor, Teile der Entschädigung erfolgsabhängig zu gestalten, etwa mit Blick auf die Umsetzung zentraler Wahlversprechen. Verfassungsrechtlich ist das heikel, weil das freie Mandat ausdrücklich untersagt, Abgeordnete an Weisungen oder materielle Anreize zu binden. Ohne Grundentschädigung wären Parlamentarier finanziell massiv erpressbar, argumentieren Befürworter des Status quo.