Bürgergeld und Sozialticket: Das Chaos geht in die nächste Runde

Lesedauer 3 Minuten

Berechtigungsnachweis: Das Chaos geht in die nächste Runde

Bis Anfang dieses Jahres konnten Menschen mit geringem Einkommen oder Empfänger/innen von Sozialhilfe oder Bürgergeld mit dem Berlinpass Ermäßigungen bei kulturellen Veranstaltungen wie z.B. bestimmten Konzerten und Museumsbesuchen, aber auch Ermäßigungen für Schwimmbäder und den öffentlichen Nahverkehr erhalten.

Viele Haushalte haben keinen Nachweis für den Berlinpass erhalten

Schon während Corona konnte der Berlinpass nicht verlängert werden, was zu vielen Unannehmlichkeiten und unnötigem Stress vor allem im ÖPNV führte.

Seit Januar sollten nun alle betroffenen Haushalte einen Berechtigungsnachweis für den Nachfolger des Berlinpasses, die VBB-Kundenkarte, erhalten haben, aber auch im Juni sind wir noch weit von einer befriedigenden Lösung der dadurch entstandenen Probleme entfernt.

Seit Januar ist der Berlinpass offiziell nicht mehr gültig, was zur Folge hatte, dass Tausende von Sozialticketinhabern ihren Anspruch auf das Sozialticket nicht mehr nachweisen konnten.

Schwarzfahrticket trotz Berechtigung

Bei einer Kontrolle in öffentlichen Verkehrsmitteln musste man sich nicht nur einer öffentlichen Diskussion über die eigenen Ansprüche mit wildfremden Fahrkartenkontrolleuren stellen, sondern bekam in den meisten Fällen trotzdem ein Schwarzfahrticket ausgestellt und wurde zur Kasse gebeten.

Auch wenn der Nachweis “nur” zur Zahlung von 7 Euro führte, war es peinlich, verunsichernd und ärgerlich, ganz abgesehen davon, dass für die meisten Haushalte am Existenzminimum 7 Euro in Zeiten von Inflation und Energiekrise viel Geld sind.

Nach kurzer Zeit und vielen Nachfragen gab die Bundesagentur für Arbeit (BA) dann die Empfehlung, den Bewilligungsbescheid mitzunehmen, was datenschutzrechtlich und sozial eine katastrophale, aber für die meisten Bürgergeldempfänger alternativlose Lösung war.

So harrten viele aus, in der Hoffnung, dass im nächsten Monat der ersehnte Berechtigungsnachweis eintrifft, mit dem man dann im Idealfall die VBB-Kundenkarte bestellen kann. Doch auch diese Hoffnung wurde enttäuscht.

Sind die Jobcenter nicht zuständig?

Nachdem viele Haushalte auch im April noch keine Bescheinigung erhalten hatten, teilte uns das Jobcenter auf Nachfrage mit, dass es gar nicht der Absender der Bescheinigungen sei, sondern diese aus Nürnberg kämen. Dort sitzt die Zentrale der Bundesagentur, die offensichtlich völlig überfordert war.

Probleme mit dem QR-Code

Im Mai sind dann endlich die letzten Unterlagen bei ihren Empfängern angekommen, aber die meisten haben immer noch keine Kundenkarte. Denn um diese zu beantragen, muss man den gesamten Nachweis mit dem aufgedruckten QR-Code in ein Online-Portal hochladen, doch viele Leute bekamen immer wieder die Meldung, dass der QR-Code nicht dem Standard entspreche.

Hunderte Bürger beschwerten sich

Eine telefonische Nachfrage bei der BVG brachte uns einen hysterisch lachenden Sachbearbeiter, der bestätigte, dass er heute schon hunderte Anrufe zu diesem Thema erhalten habe, aber nicht helfen könne.

Die BVG habe damit nichts zu tun, da die Briefe von einer, Zitat, “Billigdruckerei” kämen, mit der sie nichts zu tun hätten. Wie vermutet, liege das Problem darin, dass die Codes genau auf dem Brieffalz stünden und daher von der Software nicht erkannt werden könnten. Die Lösung bestand darin, den Bewilligungsbescheid mitzuführen.

Bürgergeld-Bescheid als Nachweis

Auf die Frage, ob es nicht ausreiche, den Berechtigungsnachweis mitzuführen, da dieser deutlich weniger sensible Daten enthalte, antwortete uns der Mitarbeiter der BVG, dass dies nicht ausreiche. Die Kontrolleure seien da sehr streng. Warum diese Möglichkeit nicht besteht, wurde uns nicht mitgeteilt.
Auch die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung hat sich des Themas angenommen und informiert auf ihrer Internetseite:

Ein gültiger Leistungsbescheid (Kopie genügt) wird bei der Fahrausweiskontrolle des Berlin-Ticket S als Berechtigungsnachweis anerkannt. Der Leistungsbescheid darf auch geschwärzt sein. Folgende Angaben müssen jedoch lesbar bleiben:

  • Briefkopf,
  • Überschrift/Betreff,
  • Name und Vorname der Person, die den Leistungsnachweis verwendet,
  • Bedarfsgemeinschaftsnummer (BG-Nummer) oder Aktenzeichen des Leistungsbescheides und Bewilligungszeitraums.

Alle anderen Angaben (z.B. Höhe der Leistungen oder Kontodaten) können geschwärzt werden. Bitte tragen Sie auf Ihrem Berlin-Ticket S das Aktenzeichen oder die Bedarfsgemeinschaftsnummer (BG-Nummer) Ihres Leistungsbescheides ein. Zusätzlich muss ein Ausweisdokument vorgelegt werden.

Bis Ende des Jahres noch weiterbestehendes Chaos?

Ein Anruf bei der Agentur für Arbeit ergab, dass die Berechtigung zum Versand der Bescheinigungen in einigen Monaten möglicherweise auf die lokalen Agenturen übertragen und nicht mehr zentral verwaltet wird. Wenn dann noch der Mitarbeiter in der Druckerei, der die Briefe faltet, geschult wird, können alle Betroffenen Ende des Jahres endlich beruhigt Bahn fahren.