Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az. L 7 AS 551/25 B ER) hat am 27. Mai 2025 einen Eilantrag auf volle Übernahme einer 1.200-Euro-Miete abgelehnt. Die Richter sahen keinen akuten Wohnungsverlust und erklärten die Wohnung wegen ihres Preisniveaus für „nicht erhaltenswert“.
Für die schnelle Berechnung nutzten sie – wie häufig – die Wohngeldtabelle plus zehn Prozent: In Düsseldorf liegen die zulässigen Kosten damit bei 650,10 Euro. Die Entscheidung zeigt, wie streng Gerichte prüfen, wenn Mieten weit über den Obergrenzen liegen.
LSG-Urteil im Überblick
Der siebte Senat bestätigte den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf. Die Antragstellerin, eine alleinstehende Bürgergeld-Bezieherin, hatte bis April 2025 noch pünktlich die volle Miete überwiesen. Sie wollte verhindern, dass künftige Rückstände zu einer fristlosen Kündigung führen.
Das Gericht erklärte jedoch: Ohne konkrete Kündigungsandrohung bestehe kein Eilbedürfnis. Außerdem liege die Kaltmiete knapp 85 Prozent über dem zulässigen Höchstbetrag – damit sei die Wohnung aus Sicht des Sozialrechts nicht schützenswert.
Warum der Eilantrag scheiterte
Keine akute Gefahr
Für eine einstweilige Anordnung verlangt § 86b Abs. 2 SGG einen „Anordnungsgrund“. Dieser fehlt, wenn weder Mietrückstände noch eine Räumungsklage vorliegen. Die Frau konnte nur befürchten, dass sie bald mit den Zahlungen in Verzug gerät. Das genügt nicht.
Wohnung „offenkundig unangemessen“
Selbst wenn eine Kündigung gedroht hätte, greift der Rechtsschutz nur bei erhaltenswertem Wohnraum. Gerichte ziehen dann meist die Werte der Wohngeldtabelle (§ 12 WoGG) heran und schlagen zehn Prozent Sicherheitszuschlag auf. Für Düsseldorf gilt 2025:
- Tabelle Stufe VI: 591 Euro
- 10 % Sicherheitszuschlag: 59,10 Euro
- Obergrenze: 650,10 Euro
Die vertraglich geschuldeten 1 200,15 Euro übertreffen diesen Wert um 550 Euro. Das Landessozialgericht sprach deshalb von einer „evidenten Unangemessenheit“.
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So berechnen Gerichte die Mietobergrenze
Zwar müssen Jobcenter ein „schlüssiges Konzept“ für örtliche Mietpreise vorlegen. Fehlt es oder ist es zweifelhaft, greifen Eilgerichte ersatzweise zum WoGG-Schema. Die zehn Prozent dienen als Puffer, weil Bürgergeld-Haushalte in der Regel unflexibler suchen können als Wohngeld-Beziehende. In der Praxis folgt daraus ein klarer Schwellenwert.
Beispielwerte 2025 (Ein-Person-Haushalt, brutto kalt):
Stadt | WoGG-Stufe | Obergrenze + 10 % |
Düsseldorf | VI | 650€ |
Köln | VI | 650€ |
Dortmund | V | 600€ |
Essen | IV | 560€ |
Damit wird ersichtlich, dass schon ein moderater Überschuss das Risiko erhöht, im Eilverfahren zu scheitern.
Nutzen für Bürgergeld-Bezieher
Früh handeln
Solange die Miete noch vollständig gezahlt wird, prüfen Gerichte streng. Wer eine Senkungsaufforderung erhält, sollte sofort Alternativen prüfen, zum Beispiel Umzugshilfen oder einen Härtefallantrag wegen besonderer persönlicher Umstände.
Kosten realistisch einschätzen
Die Tabelle oben hilft, das eigene Risiko einzuschätzen. Liegt die Miete knapp über der Grenze, kann ein Eilantrag sinnvoll sein, sobald eine Räumungsklage droht. Bei massiver Überschreitung ist die Chance gering.
Beratungsangebote nutzen
Lokale Mietervereine, Erwerbsloseninitiativen und Schuldnerberatungen kennen Ausnahmeregeln wie § 22 Abs. 8 SGB II (Übernahme von Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft). Frühzeitige Beratung kann eine Kündigung oft vermeiden.
Politische Perspektive
Das Verfahren spiegelt die wachsende Kluft zwischen Tabellenwerten und Marktmieten in Ballungsräumen. Während das Bundesverfassungsgericht eine Mindestabsicherung verlangt, ziehen Fachgerichte eine harte Linie, sobald Mieten deutlich ausreißen. Kommunen fordern daher, Mietobergrenzen schneller anzupassen und gleichzeitig den sozialen Wohnungsbau auszubauen. Ohne strukturelle Reformen wird die Zahl ähnlicher Verfahren steigen.