Sozialhilfe: Gericht rügt fehlende Ermessensausübung des Sozialamtes
Der Sozialhilfeträger muss bei der Bewilligung von Leistungen für die Wohnungserstausstattung für Nicht- Leistungsbezieher sein – Ermessen – beachten und vor allem es auch ausüben.
Das Gericht rügt das Sozialamt und gibt Hinweise, wie Leistungen der Wohnungserstausstattung für Nicht – Leistungsbeziehende zu gewähren sein können.
Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung gibt es auch für Nicht-Leistungsbezieher
Bei der Gewährung von Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung für Nicht – Leistungsbezieher muss das Sozialamt „ Ermessen ausüben“ , das dieser pflichtgemäß auszuüben hat.
Der Ermessensspielraum bezieht sich sowohl auf die Zahl der zu berücksichtigenden Monate als auch darauf, in welchem Umfang dieser Einkommensanteil zur Anrechnung kommt.
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf die ungekürzte Bewilligung von Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung
Bewilligung von Prozesskostenhilfe, denn das vorliegende Verfahren wirft schwierige ungeklärte Rechtsfragen auf, aus denen sich die Erfolgsaussichten ergeben, so aktuell das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.
Rentner, welcher Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie Wohngeld bezieht, hat wohl möglich Anspruch auf – Ungekürzte Bewilligung von Leistungen für die Erstausstattung seiner Wohnung ( § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII ), wenn er weder über Möbel noch über Haushaltsgegenstände verfügt, weil er vor Jahren zwangsgeräumt wurde und danach im Hotel lebte.
Die jetzt bewohnte Wohnung sei seine erste eigene Wohnung.
Der Sozialhilfeträger vertritt folgende rechtswidrige Auffassung:
Das in den nächsten sechs Monaten zu erwartende Einkommen sei zwingend zu berücksichtigen.
Aber bei der in § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB XII enthaltenen „kann“-Ermächtigung handele es sich um ein „Kompetenz-Kann“, – nicht um eine Vorschrift, die – Ermessen – einräumt.
Dem ist das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – aber nicht gefolgt und hat dem Rentner Prozesskostenbeihilfe für sein Verfahren zugesprochen.
Begründung
In Fällen, in denen die nachfragende Person nicht im laufenden Leistungsbezug steht, muss bei der Entscheidung über einmalige Bedarfe das Einkommen berücksichtigt werden, das die nachfragende Person innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwirbt, in dem über die Leistung entschieden worden ist( (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII u. § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB XII).
Sozialbehörden – müssen – aber bei der Bewilligung einer Erstausstattung für die Wohnung – pflichtgemäß Ermessen ausüben!
Im Gegensatz zur Auffassung der Sozialhilfeträgers handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine Ermessensnorm, das Wort – Kann – ist nicht lediglich als „Kompetenz-Kann“, sondern als eine Bestimmung zu verstehen, die dem Leistungsträger Ermessen einräumt, das dieser pflichtgemäß auszuüben hat.
Welche Ermessenserwägungen muss das Sozialamt berücksichtigen bei der Anrechnung des zukünftigen Einkommens
Für die Frage, welche Ermessenerwägungen anzustellen sind, ist zu berücksichtigen, dass die Anrechnung zukünftigen Einkommens auf einen aktuellen Bedarf sozialhilferechtlich problematisch ist und damit im Gegensatz zu den Darlegungen der Sozialbehörde im Widerspruchsbescheid gerade eine Ausnahme und nicht den Regelfall darstellt.
Bei einer Berücksichtigung zukünftigen Einkommens bleibt der aktuelle Bedarf zunächst ungedeckt, was dem in der Sozialhilfe geltenden Gegenwärtigkeitsprinzip widerspricht (dazu BSG Urteil vom 25.04.2018 – B 8 SO 25/16 R).
§ 31 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ist nur verständlich, wenn man davon ausgeht, dass von Personen, deren künftiges Einkommen voraussichtlich über einer Bedarfsdeckung im Sinne des § 27a SGB XII liegen wird, erwartet werden kann, dass sie auch vorher schon in größerem Umfang Umschichtungen bei den notwendigen Bedarfen vornehmen können als Personen, die dieses Einkommen künftig nicht zur Verfügung haben.
Wird Einkommen bezogen, welches über die Deckung des laufenden Bedarfs hinausgeht, ist dieser Anteil des Einkommens konkret zu ermitteln.
Besonderheiten des Einzelfalles können eine weitgehende Reduktion des Anrechnungszeitraums bedingen
Auf dieser Basis hat der Träger der Sozialhilfe im Wege einer pflichtgemäßen Ermessensausübung darüber zu entscheiden, ob bzw. wie weit dieser über der laufenden Bedarfsdeckung liegende Anteil des Einkommens für die Deckung der einmaligen Bedarfe einzusetzen ist.
Der Ermessensspielraum bezieht sich sowohl auf die Zahl der zu berücksichtigenden Monate als auch darauf, in welchem Umfang dieser Einkommensanteil zur Anrechnung kommt.
Problematisch und in der Rechtsprechung ungeklärt ist darüber hinaus die Einkommensanrechnung für die Zukunft
Problematisch und in der Rechtsprechung ungeklärt ist darüber hinaus, in welcher Weise zukünftiges Einkommen zu berücksichtigen ist.
In Betracht kommt, dass die einmalige Leistung zunächst voll durch den Sozialhilfeträger zu erbringen ist und der Leistungsempfänger entsprechend dem späteren Einkommenszufluss die Leistung gegenüber dem Träger der Sozialhilfe später zu erstatten hat.
Soweit – wie im Fall des Rentners – in absehbarer Zeit Einkommen verlässlich zu erwarten ist, kommt auch eine sofortige Einkommensanrechnung in Betracht, wenn dem Betroffenen eine eigenverantwortliche Bedarfsdeckung etwa durch Umschichtungen oder auch private Kreditaufnahme zuzumuten ist.
Die Voraussetzungen dafür wären dann zu ermitteln und in eine Ermessenentscheidung einzustellen.
Fazit:
1. Der Sozialhilfeträger hat dem Rentner für seine Wohnungserstausstattung – lediglich – iHv 115,76 € gewährt.
2. Der Sozialhilfeträger kann Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung auch Nicht-Leistungsbeziehern gewähren.
3. In Fällen, in denen die nachfragende Person nicht im laufenden Leistungsbezug steht, muss bei der Entscheidung über einmalige Bedarfe das Einkommen berücksichtigt werden, das die nachfragende Person innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwirbt, in dem über die Leistung entschieden worden ist.
4. Dabei müssen Sozialämter berücksichtigen, dass es sich bei der Vorschrift des § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB XII um eine Ermessensnorm handelt, das Wort – Kann- ist nicht lediglich als „Kompetenz-Kann“, sondern als eine Bestimmung zu verstehen, die dem Leistungsträger Ermessen einräumt, das dieser pflichtgemäß auszuüben hat (allgemeine Meinung, vergl. nur Stölting in jurisPK-SGB XII § 31 Rn. 51 mwN).
Praxistipp für Nicht- Leistungsbezieher, welche die Leistungen der Erstausstattung beim Jobcenter geltend machen müssen
§ 24 Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II – Für Antragsteller, die keine laufenden Leistungen benötigen
Einkommenseinsatz bei Bezug von Bürgergeld – SGB II – Leistungen
Mit § 24 Abs. 3 Satz 4 SGB II sieht der Gesetzgeber eine eigene Anrechnungsregelung dahingehend vor, dass das den Lebensunterhaltsbedarf übersteigende Einkommen berücksichtigt werden kann, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden worden ist.
„Dagegen ist im Wege des Ermessens gem. § 24 Abs. 3 S. 4 („kann“) festzulegen, für wie viele Monate das übersteigende Einkommen einzusetzen ist.
Dabei hat der Sozialleistungsträger bei seiner Entscheidung eine Prognose über die Entwicklung des Einkommens des Hilfesuchenden und auf dieser Grundlage die Entscheidung über die Anrechnung künftigen Einkommens auf den noch nicht gedeckten Teil des Bedarfs zu treffen.
Eine regelmäßige Festsetzung auf sechs Monate wäre ermessensfehlerhaft, weil damit die Möglichkeit der „bis zu“ Überprüfung untergraben werden würde.
Maßstab für die Fixierung der Anrechnungsmonate sind dabei immer die Umstände des Einzelfalles.
Besonderheiten des Einzelfalles können eine weitgehende Reduktion des Anrechnungszeitraums bedingen ( Luik/Harich, SGB II Rn. 132- 133 ).“