Rente: Mit-Renten-Trick sichern sich pflegende Rentner eine höhere Altersrente

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Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Az. L 13 R 3109/23) zeigt eine bittere Realität, die lange Zeit für Rentnerinnen und Rentner galt, die selbst zu Pflegenden wurden. Es geht um einen Rentner, der von 2011 bis 2015 seine schwer kranke Ehefrau bis zu ihrem Tod umfassend pflegte. Als er diese Leistung nachträglich bei der Deutschen Rentenversicherung geltend machen wollte, um seine eigene Rente zu erhöhen, wurde sein Antrag abgelehnt.

Sowohl die Rentenversicherung als auch zwei Gerichtsinstanzen bestätigten diese Entscheidung. Der Grund liegt in einer früheren Gesetzesregelung, die für Bezieher einer Altersvollrente eine folgenschwere Falle darstellte. Das Schicksal dieses Klägers ist eine wichtige Warnung, denn obwohl es für ihn keine Wiedergutmachung mehr gibt, existiert für heutige und zukünftige Fälle eine konkrete Lösung, die jeder kennen sollte.

Die Rechtsfalle: Warum die Rentenversicherung “Nein” sagen musste

Der Kläger bezog seit 2010 eine sogenannte Altersvollrente für schwerbehinderte Menschen. Nach der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung des Sechsten Sozialgesetzbuches (§ 5 Abs. 4 SGB VI a.F.) galt: Wer eine volle Altersrente (also 100 %) bezieht, ist versicherungsfrei.

Versicherungsfreiheit bedeutet im Klartext, dass die Tür zur gesetzlichen Rentenversicherung für Sie verschlossen ist. Es konnten für die anerkannte Pflegetätigkeit schlicht und ergreifend keine Rentenbeiträge mehr gezahlt werden. Nicht von der Pflegekasse, nicht von Ihnen, von niemandem. Das Gesetz verhinderte es.

Die Rentenversicherung hat den Antrag des Klägers also nicht aus bösem Willen abgelehnt, sondern weil sie an das damals geltende Recht gebunden war. Eine gnadenlose, aber rechtlich korrekte Entscheidung. Für den pflegenden Rentner war dies eine Falle: Sein Status als Vollrentner machte ihn immun gegen jede weitere Verbesserung seiner Rente durch Beitragszahlungen.

Keine Chance auf Wiedergutmachung? Gericht bestätigt harte Linie

Der Kläger wollte sich damit nicht abfinden. Er argumentierte, die Deutsche Rentenversicherung hätte ihn doch beraten und auf diesen Umstand hinweisen müssen. Juristen nennen dies den “sozialrechtlichen Herstellungsanspruch”. Das ist ein Werkzeug, das greifen soll, wenn eine Behörde durch Falschberatung einen Schaden verursacht. Dann muss sie den Betroffenen so stellen, als wäre er richtig beraten worden.

Das Sozialgericht und später das Landessozialgericht machten deutlich: Selbst wenn eine Beratung stattgefunden hätte, was hätte sie ändern sollen? Die von dem Kläger gewünschte Lösung – die Zahlung von Rentenbeiträgen für die Pflege – war gesetzlich unmöglich. Man kann niemanden so stellen, wie es das Gesetz gar nicht vorsieht.

Das Gerichtsurteil zementierte die harte Linie des Systems. Es gab kein Schlupfloch, keine Ausnahme. Wer in der Falle der Altersvollrente saß, kam nicht mehr heraus, um sich zusätzliche Rentenpunkte zu sichern.

Die Lösung für alle heutigen und zukünftigen Pflegefälle

Zum 1. Juli 2017 trat das sogenannte Flexirentengesetz in Kraft. Und dieses Gesetz hat die Tür, die für den Kläger verschlossen war, einen Spaltbreit geöffnet. Diesen Spalt müssen Sie kennen und für sich nutzen!

Die Lösung heißt flexible Teilrente (oder auch “Wunschteilrente”). Der Trick ist so einfach wie genial: Sie können bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen, Ihre Altersvollrente in eine Teilrente umzuwandeln. Und “Teil” kann bedeuten, dass Sie nur auf einen winzigen Bruchteil Ihrer Rente verzichten. Sie können zum Beispiel eine Rente von 99,9 % beantragen.

Großer Effekt mit der Flexirente

Der Effekt ist groß: Sobald Sie keine Altersvollrente (100 %) mehr beziehen, sondern nur noch eine Teilrente – und sei sie auch 99,9 % hoch – endet die Versicherungsfreiheit! Sie sind sofort wieder versicherungspflichtig in der Rentenversicherung.

Wenn Sie nun eine anerkannte Pflegetätigkeit ausüben (mindestens 10 Stunden pro Woche an mindestens zwei Tagen für eine Person mit mindestens Pflegegrad 2), zahlt die Pflegekasse des Gepflegten für Sie wertvolle Rentenbeiträge.

Der finanzielle Verlust durch die Kürzung Ihrer Rente um 0,1 % oder 1 % ist minimal. Bei einer Rente von 1.200 Euro wäre ein Verzicht von 1 % gerade einmal 12 Euro im Monat.

Der Gewinn durch die zusätzlichen Rentenbeiträge ist jedoch um ein Vielfaches höher! Je nach Pflegegrad und Umfang der Pflege können das pro Jahr der Pflege Dutzende Euro mehr Rente pro Monat sein – und zwar dauerhaft bis an Ihr Lebensende.

Checkliste: Was müssen pflegende Rentner jetzt tun?

Lassen Sie nicht zu, dass Ihnen das Schicksal des Klägers widerfährt. Werden Sie aktiv! Wenn Sie eine Altersrente beziehen und einen Angehörigen pflegen oder absehen können, dass dies bald der Fall sein wird, gehen Sie die folgenden Schritte:

  1. Status prüfen: Beziehen Sie eine 100%Altersvollrente und leisten Sie gleichzeitig anerkannte Pflegearbeit (oder planen dies)? Wenn ja, sind Sie in der potenziellen Falle.
  2. Sofort Kontakt aufnehmen: Zögern Sie keine Sekunde. Wenden Sie sich umgehend an die Deutsche Rentenversicherung. Vereinbaren Sie einen Beratungstermin, telefonisch oder persönlich.
  3. Gezielt beraten lassen: Sagen Sie den Beratern ganz klar, dass Sie Ihre Altersvollrente in eine Teilrente (z.B. 99 %) umwandeln möchten, um die Versicherungsfreiheit zu beenden und Rentenbeiträge für Ihre Pflegetätigkeit zu erhalten. Lassen Sie sich die Vor- und Nachteile genau vorrechnen.
  4. Antrag stellen: Diese Änderung wirkt nicht zurück. Sie können die Umwandlung in eine Teilrente immer nur für die Zukunft beantragen. Jeder Monat, den Sie zögern, ist ein verlorener Monat, in dem keine Beiträge für Sie gezahlt werden.