Ein neues Urteil des Landessozialgerichts NRW (Az. L 6 SB 291/21) erhöht rückwirkend den Grad der Behinderung (GdB) eines Bürgergeld‑Empfängers von 60 auf 70, verweigert jedoch weiterhin das Mobilitäts‑Merkzeichen G. Ein GdB bedeutet Steuervorteile – aber ohne stichhaltige Beweise für eine Gehbehinderung bleibt das kostenfreie Nahverkehrsticket ein Wunschtraum.
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Höherer Behinderungsgrad – kein Mobilitätsticket
Der 59‑jährige Kläger forderte einen GdB von 80 plus Merkzeichen G, um das beliebte ÖPNV‑Freifahrt‑Ticket zu erhalten. Das LSG folgte nur teilweise: Ab 9. Februar 2021 gilt ein GdB 70. Für das Merkzeichen fehlten belastbare Nachweise. Besonders ins Gewicht fielen versäumte Gutachtertermine und widersprüchliche Befunde.
Widersprüche als Eigentor
Richterinnen und Richter prüften Hörtests, Gesichtsfeldmessungen und orthopädische Gutachten. Mehrere Audiogramme lieferten vollkommen unterschiedliche Ergebnisse; bei den Augenbefunden vermutete der Sachverständige sogar Simulation.
Weil der Kläger persönliche Untersuchungen ablehnte, blieb das Gericht bei den wenigen verwertbaren Akten. Ergebnis: starke, aber nicht außergewöhnliche Einschränkungen – zu wenig für das begehrte Merkzeichen.
Was GdB 70 konkret bringt
Der neue GdB hebt den Behinderten‑Pauschbetrag 2025 auf 1 780 Euro und verbessert Kündigungsschutz sowie Zusatzurlaub. Ohne Merkzeichen G gibt es jedoch weder das kostenfreie ÖPNV‑Ticket noch den Mobilitäts‑Mehrbedarf beim Bürgergeld. Wer auf Bus und Bahn angewiesen ist, merkt also keinen finanziellen Unterschied im Alltag.
Merkzeichen G bleibt ein Hürdenlauf
Das Sozialgesetzbuch verlangt eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit. Schmerzen allein reichen nicht. Entscheidend ist die nachweisbare Gehstrecke, meist unter zwei Kilometern, oder vergleichbare funktionelle Ausfälle. Der Fall zeigt: Selbst ein hoher Gesamt‑GdB ersetzt keine medizinisch belegte Funktionsstörung.
Nutzen für Leserinnen und Leser
Viele gegen‑Hartz‑Leser kämpfen mit ähnlichen Problemen: Ohne Merkzeichen müssen sie Monatskarten aus dem Regelsatz zahlen. Das Urteil warnt davor, unklare oder lückenhafte Atteste einzureichen und Begutachtungen zu meiden. Wer Mobilitäts‑Vorteile will, benötigt belastbare Tests – etwa 6‑Minuten‑Gehtest, Goldmann‑Perimetrie oder Laufbandprüfung – und sollte Begutachtungstermine wahrnehmen oder rechtzeitig Taxikosten beantragen.
Zwei Sofort‑Tipps
Termine wahrnehmen oder Fahrkosten beantragen: Jede versäumte Untersuchung schwächt die eigene Beweislage.
Messverfahren vereinheitlichen: Nutzen Sie dieselbe Praxis und Methode, um widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden.
Blick nach Kassel: Rechtskraft hergestellt
Der Kläger versuchte, das Bundessozialgericht einzuschalten (Az. B 9 SB 19/25 AR). Anfang Juni 2025 wies das BSG den Antrag auf Nichtzulassungsbeschwerde ab. Damit ist das LSG‑Urteil endgültig.