Eine im Arbeitsvertrag verlangte Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen, indiziert eine Benachteiligung wegen einer Behinderung.
Die Frage nach einer Schwerbehinderung -unabhängig von der zu leistenden Tätigkeit- ist unzulässig. Mit dieser Begründung verurteilte das Arbeitsgericht Hamburg einen Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer eine hohe Entschädigung zu zahlen. (20 Ca 22/17)
Inhaltsverzeichnis
Arbeit auf Probe und Arbeitsvertrag
Der schwerbehinderte Kläger arbeitete nach einem Vorstellungsgespräch zuerst auf Probe als Hauswart beim Arbeitgeber. Der war mit ihm sehr zufrieden und bit ihm einen Arbeitsvertrag an. Sie einigten sich auf ein Einstiegsgehalt von 2.700,00 Euro brutto. Der Arbeitgeber hatte den Arbeitsvertrag unterschrieben, und der Beschäftigte nahm ihn mit nach Hause, um ihn in Ruhe zu lesen.
Keine Einstellung von Schwerbehinderten
Dabei stolperte er über einen Absatz:
„Der Mitarbeiter versichert, dass er arbeitsfähig ist, nicht an einer infektiösen Erkrankung leidet und keine sonstigen Umstände vorliegen, die ihm die vertraglich zu leistende Arbeit jetzt oder in naher Zukunft wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Der Mitarbeiter erklärt weiter, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt. Sofern etwa die Voraussetzungen dafür später eintreten, wird er das Unternehmen hiervon unverzüglich in Kenntnis setzen.“
Der Mann telefonierte mit dem Arbeitgeber und teilte ihm dabei mit, dass er schwerbehindert sei. Nach zwei weiteren Telefonaten teilte die Geschäftsführerin ihm mit, dass er nicht eingestellt würde.
Arbeitgeber möchte keinen besonderen Kündigungsschutz haben
Dem Arbeitnehmer zufolge hätte sich die Geschäftsführerin über den besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen mokiert und gesagt: „Das wollen wir hier nicht haben.“ Zudem sagte sie, dem Betroffenen zufolge, er hätte einen denkbar schlechten Start hingelegt, weil er seine Schwerbehinderung verschwiegen habe. Die Geschäftsführerin hätte erklärt, dass sie ihn wegen des besonderen Kündigungsschutzes bei Schwerbehinderung nicht nehmen wollten.
Arbeitnehmer verlangt Entschädigung
Der Betroffene wies den Arbeitgeber in einer Mail daraufhin, „dass sie sich nicht in Bezug auf seine Schwerbehinderung gegen ihn entscheiden könne, dass er den Arbeitsvertrag bereits am 12. Januar 2017 unterschrieben habe und dass sie ihm wegen einer Diskriminierung eine Entschädigung von drei Monatsgehältern, d.h. insgesamt in Höhe von 8.100,00 €, zahlen müsse.“
Laut Arbeitgeber ist Schwerbehinderung kein Grund für die Absage
Der Mann klagte vor dem Arbeitsgericht Hamburg, um diesen Anspruch durchzusetzen. Dort behauptete der Arbeitgeber, die Geschäftsführerin habe tatsächlich gesagt, sie beide hätten einen denkbar schlechten Start gehabt.
Das habe sich aber nicht auf die Schwerbehinderung bezogen, sondern auf die Änderungswünsche und die urlaubsbedingte Abwesenheit einer Vorgesetzten, die eine Abstimmung über das Gehalt erschwert hätte.
Für die Entscheidung, den Kläger nicht zu beschäftigen, sei nicht seine Schwerbehinderung kausal, sondern seine überzogenen Forderungen und sein weiteres Verhalten.
Arbeitsgericht ist von Arbeitgeber nicht überzeugt
Die Richter hielten die Argumente des Arbeitgebers nicht für ausreichend. Sie verurteilten ihn zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5.400,00 Euro nebst Zinsen.
Für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot reiche die Annahme der Mitursächlichkeit aus, um einen Kausalzusammenhang zu vermuten. Dabei müsse kein direktes Verschulden des Arbeitgebers vorliegen.
Ungünstigere Situation für Schwerbehinderte
Weiter hieß es im Urteil: „Die Klausel in § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zwingt ihn, entweder wahrheitswidrig zu erklären, nicht schwerbehindert zu sein oder aber – wie es der Kläger getan hat – den Vertrag mit der Bitte um entsprechende Änderung nicht zu unterschreiben. In beiden Fällen ist der schwerbehinderte Arbeitnehmer in einer ungünstigeren Situation als ein nicht-behinderter Bewerber.“
Arbeitgeber hat den Vorwurf nicht entkräftet
Damit indiziere der Arbeitsvertrag eine Benachteiligung schwerbehinderter Menschen, die der Arbeitgeber nicht entkräftet hätte. Die Richter schlossen: „Es kann nach dem Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwerbehinderung des Klägers für ihre Entscheidung, ihn letztlich nicht einzustellen, zumindest mitursächlich war.“