Bürgergeld: Dann muss das Jobcenter Mietschulden für eine unangemessene Wohnung zahlen

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Bei laufender Karenzzeit und noch nicht eingeleitetem Kostensenkungsverfahren muss das Jobcenter Mietschulden auch bei – unangemessenen Kosten der Unterkunft – übernehmen.

Das gibt heute morgen das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern bekannt (Az. L 10 AS 77/25 B ER)

Kurzbegründung

Darlehensweise Übernahme von Mietschulden – die Voraussetzungen lagen vor

Es droht der Antragstellerin aufgrund der ernsthaften Kündigung mit Entwurf der Räumungsklage eine Wohnungslosigkeit gemäß § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2022 – B 7/14 AS 52/21 R ), so dass Ermessen nicht auszuüben ist.

Des weiteren steht die Hilfebedürftige im laufendem Bezug von Bürgergeld.

Übernahme der Mietschulden war als Darlehen ist auch notwendig und gerechtfertigt

Denn die Antragstellerin zahlte die weiteren Mieten vor dem laufenden Bezug, so dass ein eigenes ernsthaftes Bemühen um die Fortsetzung des Mietverhältnisses gegeben ist. Nur unwirtschaftliches oder unvernünftiges Verhalten im Vorhinein schließt aber den Darlehensanspruch nicht aus.

Das Jobcenter verweist auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. Juni 2010, Az. B 14 AS 558/09 R – zur Übernahme von Mietschulden

Der 10.Senat des LSG M-V weist darauf hin, dass die Entscheidung des Bundessozialgerichts grundsätzlich einen abstrakt angemessenen Wohnraum voraussetzt.

Aber das übersieht das Jobcenter: Es schließt Ausnahmen von diesem Grundsatz nicht aus.

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Wann sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung – ausnahmsweise Mietschulden auch bei – unangemessenen Mietkosten – zu übernehmen?

1. Ausnahmen in diesem Sinne wurden von der Rechtsprechung bereits anerkannt für Fälle, in denen der Leistungsberechtigte den Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen Miete und der angemessenen Miete aus seinem Erwerbseinkommen oder der Regelleistung aufbringen kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 05.02.2009 – L 26 B 2388/08 AS ER)

2. Und in denen der Leistungsberechtigte erst seit Kurzem Leistungen nach dem SGB II bezog und die unangemessene Miete vom Jobcenter innerhalb der sechsmonatigen Übergangsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F. noch vollständig übernommen wurde (LSG Celle-Bremen, Beschluss v. 26.10.2206 – L 9 AS 529/06 ER).

Nach Auffassung der Richter lag so ein Fall hier vor

Laufende Karenzzeit – noch nicht eingeleitetes Kostensenkungsverfahren

Die Leistungsempfängerin bezog noch Leistungen innerhalb der Karenzzeit des § 22 Abs. 2 SGB II. Aus diesem Grund war sie nie auf eine Unangemessenheit ihrer Wohnkosten hingewiesen worden, was heißt, – eine aktuelle Kostensenkungspflicht – bestand nicht.

Bürgergeld: Übernahme von Mietschulden bei laufender Karenzzeit

Das LSG Berlin-Brandenburg hat in einem ähnlichen Fall (Beschluss vom 19. Juni 2023 – L 18 AS 512/23 B ER – ) ein Darlehen bewilligt, da das Jobcenter, das für einen letztlich nicht absehbaren Zeitraum auch weiterhin Leistungen für unangemessene Kosten der Unterkunft und Heizung schuldet, dem Hilfebedürftigen nicht entgegenhalten kann, dass die Schuldenübernahme (unangemessener) Kosten der Unterkunft und Heizung nicht geeignet ist, die Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 8 SGB II zu sichern.

Dies gilt hier umso mehr, als das das Jobcenter zunächst eine Entscheidung nach § 22 Abs. 1 letzter Satz SGB II über die Aufforderung zur Kostensenkung aus dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zu treffen hätte.

Anmerkung vom Experten für Sozialrecht Detlef Brock

1. Diese Entscheidung ist sehr zu begrüßen für Leistungsempfänger und sie stellt auch klar, dass im Ausnahmefall auch bei – unangemessenen Kosten der Unterkunft – Mietschulden vom Jobcenter zu übernehmen sind.