Passbeschaffungskosten für ein ausländisches minderjähriges Kind können nach § 21 Abs. 6 SGB II vom Jobcenter zu übernehmen sein, wenn das Jobcenter die Vorlage des Passes zur Leistungsvoraussetzung macht.
Die Kosten für die erstmalige Beschaffung eines Reisepasses und Ausweises sowie damit im Zusammenhang stehender Kosten können von einem nicht deutschen Kind beim Jobcenter als Härtefallmehrbedarf geltend gemacht werden.
Die Gewährung eines Mehrbedarfs ist nicht von der Stellung eines gesonderten Antrags abhängig ( BSG, Urteil vom 23.03.10 – B 14 AS 6/09 R -).
So entschieden vom SG Köln, Urteil vom 17. Mai 2022 – S 15 AS 4356/19 –
Begründung:
Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II
Bei den Kosten für die Beschaffung von Ausweispapieren für ein zusammen mit seiner leistungsberechtigten Mutter im Bundesgebiet ständig lebenden, nichtdeutschen Kindes, deren Vorlage das Jobcenter als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen verlangt, handelt es sich um einen besonderen, vom Jobcenter gemäß § 21 Abs. 6 SGB II anzuerkennenden Bedarf.
Für unter 14jährige Personen sind die für die Beibringung von Ausweispapieren entstehenden Kosten in keiner Weise vom Regelbedarf mit umfasst
Denn ein Betrag in einer Höhe von EUR 244,80 (Kosten für die Ausstellung des Ausweises: EUR 136,-; Fahrkosten zur zuständigen Auslandsvertretung: EUR 108,80) übersteigt die in den Regelbedarf eingestellten Aufwendungen für die Anschaffung deutscher Ausweispapiere bei Weitem.
Für unter 14jährige Personen sind die für die Beibringung von Ausweispapieren entstehenden Kosten in keiner Weise vom Regelbedarf mit umfasst.
Darlehen ist ausgeschlossen
Nicht in Betracht kommt ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT DS 19/24034 S. 35) ist dies der Fall, wenn eine leistungsberechtigte Person aufgrund eines nicht absehbaren und nicht selbst zu verantwortenden Notfalls einen ungewöhnlich hohen Finanzbedarf hat.
Das Jobcenter fordert Monate lang von der Mutter die Vorlage von Ausweispapieren für ihr nichtdeutsches Kind
Das Darlehen war nicht in Betracht zu ziehen, weil das Jobcenter die Gewährung von Leistungen an diese minderjährige Person hiervon abhängig gemacht hat ( Vorlage von Ausweispapieren).
Unabweisbarkeit des Mehrbedarfs war gegeben
Der Bedarf war in diesem Zusammenhang als unabweisbar – zu sehen.
Was wurde an Kosten anerkannt Ausweis- Fahrtkosten- Reisepass
Die Aufwendungen für die Ausstellung des Ausweises und die in diesem Zusammenhang entstehenden, notwendigen Fahrkosten wurden anerkannt.
Anfertigung eines Reisepasses
Die Kosten für die Anfertigung eines Reisepasses für ein minderjähriges Kind wurden vom Gericht als nicht erforderlich eingestuft.
Denn das Interesse eines hilfebedürftigen Kindes, Reisen in außereuropäische Länder machen zu können, unterfällt grundsätzlich nicht den existenzsicherungsrechtlich geschützten Bedarfslagen des SGB II.
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
Eine sehr gute Entscheidung, auch wenn es Bürgergeld – Bezieher bei der Beschaffung eines neues Ausweises nicht weiter hilft, denn hier war ein anderer Sachverhalt gegeben.
Aber weil das Jobcenter sich von Anfang an weigerte, die Kosten zu tragen, obwohl die Mutter vom Jobcenter Monate lang aufgefordert wurde, Ausweispapiere des minderjährigen Kindes vorzulegen, hat das Gericht das Jobcenter eines besseren belehrt, denn das Jobcenter war der Meinung:
1. Kosten wurden bereits beglichen, somit kein Anspruch auf Übernahme.
2. Im SGB II keine Rechtsgrundlage für Passbeschaffungskosten.
3. Härtefall nach § 21. Abs. 6 SGB II sei nicht gegeben.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.