Jobcenter: Bürgergeld-Bezieher müssen sich nicht auf den Einbau veralteter Heiztechnik verweisen lassen

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SGB 2: Übernahme der Kosten für eine Erneuerung der Heizungsanlage zur Gewährleistung der Nutzbarkeit der Unterkunft

Leistungsempfänger, welche im selbst bewohnten Eigentum wohnen, können gegenüber dem Jobcenter eine Anspruch auf Gewährung von Reparaturkosten für ihre Heizungsanlage nach § 22 Abs. 2 SGB II geltend machen.

Dabei müssen sich Hilfeempfänger nicht auf den Einbau veralteter Heiztechnik verweisen lassen.

Wird neben dem Zuschuss zu den Reparaturkosten noch ein weiteres Darlehen vom Jobcenter gewährt, ist die Rückzahlung eines Darlehens nach § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II in verfassungskonformer Auslegung auf die im Regelbedarf vorgesehenen Beträge zu beschränken ( aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2017 (1 BvL 10/12) ).

So die Begründung SG Magdeburg S 14 AS 1925/15 ER.

Heizungsanlage hält die Bewohnbarkeit des Hauses aufrecht

Die Leistungsbeziehenden haben einen aktuellen Bedarf für unabweisbare Aufwendungen für eine Heizungsreparatur i.H.v. 5.303,40 EUR. Unabweisbar sind hiernach nur zeitlich besonders dringliche Aufwendungen, die absolut unerlässlich sind.

Antragsteller müssen sich nicht auf den Einbau von Heizwerttechnik verweisen lassen – so aber das Jobcenter.

Erneuerung der Heizungsanlage mit Brennwerttechnik erforderlich

Die Antragsteller müssen sich auf das Günstigste Angebot verweisen lassen.

Heizungsanlage eine Wertsteigerung des Grundstücks

Nach Auffassung des Gerichts muss das so hingenommen werden, weil dies in der Natur von Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen liegt.

Unerheblich ist, wenn eine moderne und energieeffizientere Heizungsanlage eingebaut wird

Denn es kann nicht in Zweifel gezogen werden, dass bei Ausfall einer Heizungsanlage diese dem Stand der Technik entsprechend erneuert werden kann und nicht bewusst eine alte, nicht energieeffiziente und nicht dem Stand der Technik entsprechende Anlage eingebaut werden muss (Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23.11.2010 – L 1 AS 426/10 – ).

Anspruch auf Zuschuss ist begrenzt

Die Antragsteller haben nur einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses i.H.v. 1.584,77 EUR, da die Instandhaltungskosten zuzüglich der laufenden Kosten nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II nur insoweit als Zuschuss übernommen werden können, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden 11 Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind.

Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II für den Restbetrag

Hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine Ermessensleistung.

Ermessensreduzierung auf Null

Denn die Erneuerung der Heizungsanlage ist unabweisbar. Darlehensweise Regelung sei für die Antragsteller okay,solange die monatlichen Raten nicht ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen.

Soziokulturelle Existenzminimum der Antragsteller sei bei einer Tilgung des Darlehens mit 10% gefährdet – so das Gericht

Das Gericht führt weiter aus:

Rückzahlungsregelung des Darlehens vom Jobcenter erscheint verfassungsrechtlich bedenklich

Es ist nicht verfassungsgemäß, einen Leistungsempfänger über einen langen Zeitraum hinweg auf ein Leistungsniveau zu drücken, dass Ansparungen vom oder Ausgleich innerhalb des Regelbedarfes ausschließt (SG Berlin, Beschluss vom 30.09.2011 – S 37 AS 24431/11 R – ).

Es müssen Spielräume für Rückzahlungen bestehen – so das Bundesverfassungsgericht

Das Gericht hat geurteilt, dass die Hilfebedürftigen bis zum Leistungsende monatlich nicht mehr tilgen müssen als 1, 91 € ( im Regelbedarf vorgesehenen Beträge für instandhaltung, damals bei Regelsatz von 360, 00 € ).

Wissenswertes zu Erhaltungsaufwendungen beim selbst bewohntem Eigenheim bzw. Reparaturkosten und Anschaffungskosten bei Mietwohnungen, aufgearbeitet vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Die Notwendigkeit von Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen iS des § 22 Abs 2 SGB 2 wird dadurch ausgelöst, dass bauliche oder sonstige Mängel bestehen oder unmittelbar drohen, die die Substanz oder Bewohnbarkeit der Immobilie aktuell beeinträchtigen (LSG BW L 7 AS 1121/13 – Einbau einer Gasetagenheizung anstelle Öleinzelöfen – hier verneinend ).

Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung und Installation eines Gasheizofens i.H.v. 1.787,38 € als einmaligen Bedarf i.S.v. § 22 Abs. 1 S.1 SGB II ( LSG NRW L 19 AS 1736/21 ).

Bürgergeld: Jobcenter muss Gasofen zahlen

Die von einem Eigenheimbesitzer zu zahlenden monatlichen Abschläge aufgrund eines Vertrags über die Wärmelieferung und den Einbau einer Heizungsanlage durch das Versorgungsunternehmen können als Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anzuerkennen sein (LSG NSB, L 13 AS 74/23 – anhängig beim BSG – B 4 AS 18/23 R -).

Um die Angemessenheit von Aufwendungen im Sinne von § 22 SGB II prüfen zu können, muss ein die aufzuwendenden Kosten konkretisiertes Angebot ( mindestens 2 Kostenvoranschläge ) vorliegen. Dies gilt auch für die Übernahme von Aufwendungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II oder § 22 Abs. 2 SGB II ( LSG Sachsen L 3 AS 1320/19 ).

Zum Einbau einer neuen Heizungsanlage als Zuschuss ( hier bejahend ) – Antragstellerin nicht Eigentümerin des von ihr bewohnten Hauses – § 1041 BGB – Nießbrauchberechtigte

Antragstellerin, welche nicht Eigentümerin des von ihr bewohnten Hauses ist, kann die Übernahme der Kosten für den Neueinbau einer Heizungsanlage beim Jobcenter nicht nach § 22 Abs. 2 SGB II geltend machen, sondern nach § 22 Abs. 1 SGB II, diese Norm gilt auch für die Antragstellerin als Nießbrauchberechtigte ( LSG NRW, L 6 AS 1340/16 B ER und – L 6 AS 1341/16 B – rechtskräftig ).

Die Übernahme von Kosten zur Erhaltung der Immobilie ( hier Dachreparatur ) können auch bestehen bei einer unangemessene Wohnfläche in selbstbewohntem Wohneigentum ( neuere Rechtsprechung des BSG B 7 AS 14/22 R ).

Dach – Reparaturkosten eines selbstbewohntes Hauses sind als Kosten der Instandhaltung nach § 22 SGB 2 zu übernehmen ( LSG Sachsen-Anhalt, L 5 AS 245/21 )

Bürgergeld: Jobcenter muss Dach-Reparaturkosten eines selbst genutzten Hauses zahlen

Hinweis:

Die Entscheidung erging zu Hartz IV Zeiten, gilt aber heute noch. Schon damals erkannte das Gericht, dass eine langjährige Tilgung von Darlehen nur zu eins führt:

Unterschreitung des Existenzminimums für Leistungsbezieher

Heute muss man so ein Darlehen wohl möglich mit 5% tilgen, denn so eine super Entscheidung hab ich nie wieder gelesen, dass nämlich bei der Tilgung nur die Beträge, welche im Regelsatz für Reparatur und Instandhaltung als Tilgungsleistung an zusetzen sind.