Bis ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente entschieden ist, vergehen in der Regel viele Monate. In der Zwischenzeit beziehen Betroffene oft entweder Kranken-, Arbeitslosen- oder Bürgergeld. Müssen Sie hier “Überzahlungen” erstatten, wenn die Erwerbsminderungsrente am Ende geringer ausfällt als die Leistungen der Wartezeit?
Krankengeld und Erwerbsminderungsrente
Bei Arbeitsunfähigkeit durch eine (chronische) Erkrankung, Verletzung, Behinderung etcetera, zahlt der Arbeitgeber sechs Wochen den Lohn weiter.
Danach springt die gesetzliche Krankenkasse bei Versicherten ein und trägt das Krankengeld für maximal weitere 72 Wochen. Dies ist geringer als Lohnfortzahlung und beträgt rund vier Fünftel des Nettolohns.
Die Krankenkasse drängt regelmäßig vor Ablauf der 72 Wochen zu einer Reha, bei der auch geprüft wird, wie erwerbsfähig Sie sind.
Lautet das Ergebnis, dass Sie voraussichtlich länger als ein halbes Jahr nicht arbeiten konnen, dann tritt der Antrag auf Erwerbsminderungsrente an die Stelle der Krankenkasse. Diese zahlt bis zum Ende der 72 Wochen Krankengeld.
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Müssen Sie Krankengeld zurückzahlen?
Was passiert, wenn die Rente dann niedriger ist als das Krankengeld zuvor? Kann die Krankenversicherung jetzt eine “Überzahlung” zurückfordern? Nein, eine solche Differenz haben Sie nicht zu erstatten. Das ist seit 1992 gerichtsfest durch das Bundessozialgericht. (1 RK 9/92).
Muss Arbeitslosengeld erstattet werden?
Nach Auslaufen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und des Krankengeldes greift die Nahtlosigkeitsregelung.
Wenn Sie nach 78 Wochen immer noch nicht arbeiten können und einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt haben, dann haben Sie durch die Nahtlosigkeitsregelung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Die Nahtlosigkeitsregelung ist definiert im § 145 SGB III. Hier ist geregelt, Personen ohne Lücke finanziell zu unterstützen, die auf die Entscheidung über die Erwerbsminderungsrente warten, Krankengeld ausgereizt haben, aber noch nicht wieder arbeiten können.
Müssen Sie hier die Differenz zurückzahlen, die sich bei einer niedrigeren Erwerbsminderungsrente ergibt? Nein, auch die Bundesagentur für Arbeit hat in diesem Fall keinen Anspruch gegenüber Ihnen als Leistungsempfänger.
Die Bundesagentur hat zwar ein Recht auf Erstattung. Dies gilt aber gegenüber der Rentenversicherung und nicht gegenüber den Leistungsberechtigten.
Muss Bürgergeld zurückgezahlt werden?
Wer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und Nahtlosigkeitsregelung hat, für den bleibt beim Warten auf die Entscheidung über den Antrag auf Erwerbsminderungsrente nur noch das Jobcenter und Bürgergeld.
Müssen Sie dies bei einer rückwirkenden Erwerbsminderung zurückzahlen? Wieder gerichtsfest nein.
Leistungsberechtigte müssen sich keine Sorgen machen
Es gilt also das Gleiche gegenüber der Krankenversicherung wie gegenüber der Bundesagentur für Arbeit und gegenüber dem Jobcenter.
Wer Leistungen bezieht, während er auf die Entscheidung über die Erwerbsminderungsrente wartet, muss diese später nicht zurückzahlen – auch wenn die Rente niedriger ausfällt als das geleistete Kranken-, Arbeitslosen- oder Bürgergeld.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.