Hartz IV Urteile zu Kranken- Zusatzkosten

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Mehrbedarfe bei Diabetes und Bluthochdruck

Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen – Beschluss vom 30.11.2005 – Az.: L 20 B 25/05 SO –

1. Die neueren Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge sehen einen krankheitsbedingten Mehrbedarf vor, wenn der Hilfe Nachfragende an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I oder an Typ II a (altersbedingter Zucker bei Normalgewicht) erkrankt ist. Für Diabetes mellitus Typ II b (Diabetes bei Übergewicht) ist auch nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins die Gewährung eines Mehrbedarfs nicht vorgesehen. Schwerpunktthema – Mehrbedarfe nach dem SGB II und SGB XII

2. Auch die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen Hypertonie kommt sowohl nach der genannten Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 05.08.2004 als auch nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins nicht in Betracht. Zwar ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass bei Hypertonie Krankenkostzulagen gewährt werden können. Aus den Erläuterungen zu den Empfehlungen des Deutschen Vereins bei Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen ergibt sich jedoch, dass für den weitaus überwiegenden Teil dieser Krankheitsbilder und für ihre Vorformen keine erhöhten Lebenshaltungskosten durch gesundheitsfördernde diatätische Maßnahmen entstehen. Nur bei sehr fortgeschrittenen Krankheitszuständen ist eine Ausnahme geboten.

Zu Mehrbedarfen für eiweißdefinierte Kost Sächsisches Landessozialgericht – Beschluss vom 26.01.2006 – Az.: L 3 B 299/05 AS-ER –

Zur Beurteilung der "Angemessenheit des Mehrbedarfes" einer kostenaufwendigeren Ernährung ist von den durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen auszugehen. Die dort aufgeführten Beträge sind jedoch entsprechend der Veränderung der Regelsätze für Alleinstehende/ Haushaltsvorstände jährlich fortzuschreiben.

Mit dem Begriff Mehrbedarf knüpfte der Gesetzgeber an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung der dem § 21 Abs. 5 SGB II vergleichbaren Vorschrift in § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an.
Soweit sich unterschiedliche Erkrankungen in unterschiedliche Mehrbedarfe auswirken, ist nicht ersichtlich, welche Gesetzesratio gegenüber einer Kumulation in Ansatz gebracht werden könnte.

Mehrbedarf bei Übergewicht und Diabetes mellitus Typ II b Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – Beschluss vom 06.09.2005 – Az.: L 9 B 186/05 SO ER –

1. Ein Mehrbedarf im Sinne von § 30 Abs. 5 SGB XII knüpft nicht an das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung an, sondern allein an die Tatsache, dass wegen einer Krankheit oder Behinderung eine kostenaufwändigere Ernährung als üblich erforderlich wird. Einen abstrakten Mehrbedarf beim Vorliegen einer Krankheit gibt es nicht. Ein Mehrbedarf setzt stets voraus, dass im individuellen Fall eines Hilfesuchenden ein Mehrbedarf tatsächlich akut vorhanden ist.

2. Während früher bei Übergewicht des Betroffenen angenommen wurde, dass die von Diabetikern einzuhaltende Diät teurer als eine normale Ernährung ist und einen Mehrbedarfszuschlag rechtfertigt, (vgl. etwa Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, Kleinere Schriften des D.V. Heft 48, 1974, Seite 106) stimmen alle vorliegenden wissenschaftlich fundierten Stellungnahmen aus jüngerer Zeit darin überein, dass jedenfalls bei der im Falle von Übergewicht gebotenen Reduktionskost Mehrkosten nicht anfallen. Die neueren Empfehlungen des D.V., dessen Stellungnahmen zu anderen Fragen des Sozialhilferechts teilweise die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens beigemessen worden ist, so OVG NRW, Urteil vom 20.6.2000 22 A 285/98 -, für die Heranziehung der Empfehlungen des D.V. zu Inhalt und Bemessung des gesetzlichen Mehrbedarfs nach dem Bundessozialhilfegesetz, Kleinere Schriften des Deutschen Vereins, Heft 55, 1976, zur Bemessung des Mehrbedarfs für Erwerbstätige nach § 23 Abs. 4 Nr. 1 BSHG a.F., kommen in ihrer zweiten, völlig neu bearbeiteten Auflage der Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe aus dem Jahre 1997 jedenfalls bei Übergewicht des Kranken bzw. in Fällen eines Diabetes mellitus IIb zu dem Ergebnis, dass ernährungsbedingte Mehrkosten nicht entstehen.

Empfehlungen des Deutschen Vereins zu Diabetes sind überholt

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – Urteil vom 24.11.2005 – Az.: L 9 B 259/05 SO PKH

– Für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Krankenkostzulage sind nicht ausschließlich die neueren "Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe" (Kleinere Schriften des Deutschen Vereins, 2. Aufl., 1997) heranzuziehen. Wie bereits das Oberverwaltungsgericht Schleswig (Beschluss vom 26. März 2003 – 2 MW 159/02 -) ausgeführt hat, geben diese Empfehlungen als antizipiertes Sachverständigengutachten sowohl den Verwaltungsgerichten wie auch den Sozialhilfeämtern verlässliche Informationen zwecks einheitlicher Verwaltungshandhabung. Von diesen soll daher nur abgewichen werden, wenn die dort zugrunde gelegten Annahmen durch neue Erkenntnisse erschüttert oder die dort festgelegten Mehrbeträge aufgrund der Preisentwicklung überholt seien. Bereits der Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom Januar 2002 als auch das Rationalisierungsschema 2004 stellen aber solche neuen Erkenntnisse dar, so dass von den Empfehlungen des Deutschen Vereines abgewichen werden kann.

Zu Mehrbedarfen bei Allergien und Gelenkerkrankungen

Sozialgericht Aachen – Urteil vom 29.12.2005 – Az.: S 11 AS 110/05 ER –
Die Aufzählung entsprechender Erkrankungen in den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (2. Aufl., 1997), die in Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung von § 21 Abs. 5 SGB II herangezogenen werden ist nicht abschießend. Ein Mehrbedarf kann auch aufgrund solcher Erkrankungen bestehen, die dort nicht aufgeführt sind. Mehrbedarfe bei Morbus- Crohn und Niereninsuffizienz Sozialgericht Dresden – Beschluss vom 02.11.2005 – Az.: S 34 AS 999/05 ER –

1. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe sind eine geeignete sachverständige Hilfe bei der Beurteilung, für welches Krankheitsbild und in welcher angemessenen Höhe ein Mehrbedarf für kostenaufwendigere Ernährung nach § 23 Abs. 4 Nr. 2 BSHG anzuerkennen ist.

2. In den Empfehlungen des Deutschen Vereins wird bei Niereninsuffizienz von Mehrausgaben gegenüber dem Ernährungsaufwand im Warenkorb der Regelsätze von monatlich 60,00 DM (= 30,68 EUR) für eiweißdefinierte Kost und bei Morbus Crohn von Mehrausgaben von monatlich 50,00 DM (= 25,56 EUR) für Vollkost ausgegangen, und zwar auf der Basis des Jahres 1997. Im Hinblick auf diese erheblich zurückliegende Empfehlung erscheint es sachgerecht, auf der Basis der Empfehlungen des Deutschen Vereins aufbauend und unter Berücksichtigung der seither eingetretenen Preisentwicklung die Beträge für kostenaufwendigere Ernährung fortzuschreiben. Bei Niereninsuffizienz sind demnach Mehrausgaben von monatlich 32,82 EUR für eiweißdefinierte Kost und bei Morbus Crohn bei 27,35 EUR für Vollkost anzusetzen.

3. Zur Berechnung des Mehrbedarfs bei mehreren Erkrankungen ist auf den Einzelfall abzustellen. Eine Gewährung allein des höchsten Einzel- Mehrbedarfs kann angemessen sein, wenn es sich um dieselbe Art der Krankenkost handelt oder sich die Nahrungsmittel weitestgehend überschneiden. Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes gibt Mehrbedarf zutreffend wieder Sozialgericht Stade – Beschluss vom 30.09.2005 – Az.: S 19 SO 82/05 ER –

In dem vom Landschaftsverband Westfalen/Lippe herausgegebenen Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwendiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs 4 BSHG aus dem Jahr 2002, der die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge weiter entwickelt hat, wird jedoch hinsichtlich der Zuckerkrankheit darauf hingewiesen, dass die wissenschaftliche Auffassung bezüglich der beim Diabetes erforderlichen Diät sich in den letzten Jahren fundamental geändert hat: Während früher die Auffassung vertreten wurde, dass ein Diabetiker besondere Nahrungsmittel mit so genannten "Zuckeraustauschstoffen" benötige, sind heute die führenden Diabetologen weltweit übereinstimmend der Meinung, dass eine ausgewogene Mischkost mit Eiweiß und Fettanteilen von 20 bis 30 % und einem Kohlenhydratanteil von mindestens 50 % sowie die Einhaltung eines normalen Körpergewichtes die besten Voraussetzungen bieten, eine optimale Blutzuckereinstellung mit oder ohne Medikamente zu erreichen und vor allem Spätkomplikationen und Folgeerkrankungen des Diabetes mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermeiden.

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