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Jobcenter zeigt sich trotz Urteil des Bundessozialgerichts uneinsichtig
In einem Hartz IV Bescheid wird einem Ehepaar Einkommen an die Leistungen angerechnet. So weit so gut. Allerdings verdient der Ehemann viel weniger, als vom Jobcenter angerechnet. Das Jobcenter sieht sich dennoch im Recht, schlieรlich hรคtte der Leistungsberechtigte eine andere Steuerklasse nehmen kรถnnen. Somit habe er ein fiktives Einkommen, รผber das er jedoch nicht real verfรผgt, da er es nicht bekommt.
Ehemann stockt mit Hartz IV auf
Das leistungsberechtigte Paar muss mit Hartz IV Leistungen aufstocken, weil der Lohn des Mannes nicht ausreicht, um das Existenzminimum nach Abzug aller Kosten zu wahren. Der Mann der Familie hat die Steuerklasse IV gewรคhlt. Das Jobcenter jedoch will, dass der Leistungsbezieher die Steuerklasse III wรคhlt. Diese sei vorteilhafter, so die Behรถrde. Dann mรผsse die Behรถrde weniger Leistungen zahlen, so das Argument.
Jobcenter fordert zum Wechsel der Steuerklasse auf
Demnach forderte das Jobcenter den Leistungsberechtigten auf, die Steuerklasse zu wechseln. Das macht der Betroffene nicht und beruft sich die auf die freie Wahl der Steuerklassen, die jeder Arbeitnehmer im gesetzlichen Rahmen selbst wรคhlen dรผrfe.
Jobcenter rechnet fiktives Einkommen an
Dennoch rechnet das Jobcenter den Hartz IV Bescheid so aus, als hรคtte der Mann die Steuerklasse III gewรคhlt. Denn mit der Steuerklasse III hรคtte der Mann, so die Berechnung, รผber mehr als ein halbes Jahr zwischen 50 und 140 EUR mehr Einkommen zur Verfรผgung gehabt. In einem neuen Bescheid kรผrzte die Behรถrde den Hartz IV Bezug um jeweils den entsprechenden Betrag.
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Behรถrde lehnt Widersprรผche ab
Gegen die Anrechnung eines fiktiven Einkommens legten beide mehrmals Widersprรผche ein. Alle wurden von der Behรถrde abgelehnt. So sahen sich die Eheleute gezwungen eine Klage beim zustรคndigen Sozialgericht Halle an der Saale einzulegen. Vor Gericht argumentierte das Jobcenter, dass eine โselbst herbeigefรผhrte Hilfebedรผrftigkeitโ vorliege. Der Klรคger kรถnne eine gรผnstigere Steuerklasse wรคhlen.
Eine selbst herbeigefรผhrte Hilfebedรผrftigkeit liegt nicht vor
Das Gericht gab den Klรคgern recht. Eine Anrechnung eines fiktiven Einkommens ist rechtswidrig. Eine โselbst herbeigefรผhrte Hilfebedรผrftigkeitโ liege nicht vor, da das Paar das Geld tatsรคchlich nicht zur Verfรผgung hat, weil sie es schlicht und ergreifend durch den Steuerwechsel nicht eingenommen haben. Aus diesem Grund darf der Leistungstrรคger es nicht als “bereite Mittel” anrechnen. Demnach muss das Einkommen so angerechnet werden, wie es den Eheleuten zur Verfรผgung steht, auch ohne den Wechsel in eine andere Steuerklasse.
Jobcenter ging in Berufung
Doch das Jobcenter wollte das Urteil nicht akzeptieren und ging in Berufung. Man halte sich schlieรlich an die fachlichen Weisungen der Bundesagentur fรผr Arbeit, so das Argument. Die Richter am Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt wiesen die Berufung ab. Die Richter betonten, dass bereits das Bundessozialgericht (Az.: B 14 AS 161/11 R) urteilte, dass eine “Anrechnung einer fiktiven Einnahme zur Bedarfsminderung nach dem System des SGB II dagegen ausgeschlossen istโ. Wer also keine reale Einnahme zu verzeichnen hat, muss sich diese auch nicht anrechnen lassen. Das Jobcenter muss nun das reale und nicht das fiktive Einkommen anrechnen.