Hammer Urteil: Trotz 450.000 Euro Bürgergeld-Anspruch vom Jobcenter

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Ein aktuelles Urteil hat für erhebliches Aufsehen gesorgt, weil das Jobcenter einem Bürgergeld-Beziehenden nicht das Vermögen anrechnen durfte, das sich auf drei Sparkonten in Höhe von insgesamt 450.000 Euro befand.

Trotz dieser großen Geldsumme entschied das Gericht, dass dem Antragsteller die Bürgergeld-Leistungen nicht verwehrt werden dürfen. Grund dafür war die Frage, wer tatsächlich Zugriff auf diese Konten hatte und ob das Geld real zur Verfügung stand oder nur formal.

Dr. Utz Anhalt im Video zu dem Urteil

Worum geht es in diesem konkreten Fall?

Ein Vater und Großvater hatte auf drei separaten Sparkonten 450.000 Euro angelegt und dabei seinen erwachsenen Sohn und dessen Kinder als Kontoinhaber eingetragen.

Als der Sohn Bürgergeld beantragte, ging das Jobcenter zunächst davon aus, dass sein Vermögen deutlich über den Grenzen des erlaubten Schonvermögens liege.

Daher verweigerte es die Leistungen. Der Sohn war jedoch der Ansicht, das Geld stehe ihm und seinen Kindern gar nicht zur Verfügung, und erhob deshalb Klage gegen die Entscheidung. Das Gericht gab ihm recht und urteilte, dass die Summe nicht als Vermögen des Sohnes beziehungsweise der Enkel betrachtet werden darf.

Warum wurde das Sparvermögen nicht als Vermögen angerechnet?

Der entscheidende Punkt, den das Gericht dabei hervorhob, ist die tatsächliche Verfügbarkeit des Geldes.

Auch wenn der Sohn und die Enkel offiziell als Kontoinhaber genannt waren, hatten sie nachweislich keinen Zugriff darauf. Die Kontrolle lag ausschließlich beim Vater beziehungsweise Großvater, der diese Summe als Rücklage angelegt hatte und nicht für den laufenden Lebensunterhalt seiner Familie verwenden wollte.

Bereits 2006 stellte das Bundessozialgericht klar, dass Vermögen, das einem Antragstellenden nicht tatsächlich zur Verfügung steht, nicht bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II – heute Bürgergeld – angerechnet werden darf. Das Sparguthaben galt in diesem Fall als fiktives Vermögen, weil es für den Sohn und die Enkel nicht greifbar war.

Was bedeutet dieses Urteil für Betroffene?

Die Entscheidung ist deshalb so bedeutsam, weil sie zeigt, dass es nicht allein auf die Höhe des Sparguthabens ankommt, sondern vor allem auf die Frage, ob der jeweilige Bürgergeld-Beziehende es wirklich nutzen kann.

Wer von einem Angehörigen oder Bekannten Geld auf dem eigenen Namen angelegt bekommt, sollte genau prüfen, ob er oder sie tatsächlich über das Konto verfügen kann.

Entscheidend ist, ob das Geld real in die Hand genommen werden könnte, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ist dies nicht möglich, weil es sich lediglich um eine langfristige Anlage handelt und die eigentliche Verfügungsgewalt beim Geldgeber bleibt, kann das Jobcenter die Summe nicht als Vermögen anrechnen.

Wie sollten Betroffene vorgehen, wenn das Jobcenter Vermögen anrechnen möchte?

Sollte das Jobcenter Leistungen verweigern oder kürzen, weil es ein hohes Vermögen vermutet, ist es wichtig, die tatsächlichen Besitzverhältnisse und die Verfügungsgewalt über das Konto genau zu dokumentieren.

Betroffene können Widerspruch einlegen und, falls erforderlich, den Rechtsweg beschreiten. Dabei kann es helfen, entsprechende Verträge, Kontoauszüge oder schriftliche Erklärungen des Kontoinhabers beziehungsweise Geldgebers vorzulegen, um zu belegen, dass das Geld nicht zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht.

Die Rechtsprechung sieht vor, dass reine Formalien – wie ein Name auf einem Konto – nicht ausreichen, um Vermögen anzurechnen, wenn ein effektiver Zugriff fehlt.

Verfügbarkeit des Geldes entscheidend

Das Grundprinzip des Bürgergeld-Systems ist es, nur die Personen zu unterstützen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Vermögen bestreiten können. Dabei geht das Gesetz aber von tatsächlich nutzbaren finanziellen Mitteln aus.

Wer ein Vermögen zwar formal besitzt, es aber de facto nicht nutzen kann, gilt in dieser Hinsicht nicht als vermögend. Damit soll verhindert werden, dass jemand, der kein Geld zum Leben hat, allein wegen einer Namenseintragung auf einem Konto leer ausgeht.

Entscheidend ist also immer, ob die jeweilige Person das Geld nach Belieben abheben und verwenden darf.

Was sollten Großeltern und Eltern beachten, die für ihre Nachkommen sparen wollen?

Die Situation aus diesem Urteil ist für viele Familien realistisch, in denen Geld für Kinder oder Enkelkinder zurückgelegt wird.

Wenn die Sparenden in ihrem Umfeld möglichen Sozialleistungsbezug nicht gefährden möchten, sollten sie entweder klar regeln, wer tatsächlich über das Geld verfügen kann, oder von Anfang an festlegen, dass der Zugriff bis zu einem bestimmten Zeitpunkt beim Schenkenden verbleibt.

Dadurch ist sichergestellt, dass es sich bei den betroffenen Guthaben nicht um anrechenbares Vermögen handelt, sofern die Begünstigten das Geld während einer Phase der Hilfebedürftigkeit nicht wirklich nutzen können.

Warum schafft das Urteil wichtige Klarheit für Bürgergeld-Beziehende?

Das Urteil zeigt deutlich, dass das Jobcenter nicht pauschal jedes Sparguthaben als verfügbar einstufen darf, nur weil ein Name darauf steht. Entscheidend ist immer, wer tatsächlich die Möglichkeit hat, das Geld zu verwenden.

Wer von dieser Rechtsprechung betroffen ist, sollte genau prüfen, ob das vermeintliche Vermögen auch wirklich zur Verfügung steht.

Wenn es ausschließlich in der Hand einer anderen Person liegt, darf es bei der Berechnung des Bürgergeldes nicht berücksichtigt werden. Dieses Verfahren entlastet viele Betroffene und stellt sicher, dass finanzielle Rücklagen, die nur formal auf ihren Namen laufen, nicht dazu führen, dass ihnen wichtige staatliche Leistungen verweigert werden. (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 20.11.2024 – L 18 AS 447/23 – recherchiert und aufgearbeitet von Detlef Brock)