Ein Sparvermögen in Höhe von 450.000 €, welches der Vater für seinen erwachsenen Sohn und Großvater seinen Enkeln auf mehrere Sparbücher eingezahlt hat, lässt die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II/ Bürgergeld für die Familie nicht entfallen.
3 prall gefüllte Sparbücher des Vaters/Großvaters mindern das Bürgergeld – Vermögen des erwachsenen Sohnes und seiner 2 Enkel nicht, denn die Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) war nicht entfallen.
Die Vermögensgrenzen (§ 12 SGB II) wurden nicht überschritten trotz der eingezahlten Spareinlagen vom Großvater in Höhe von 450.000 € auf 3 Sparbücher.
Bürgergeld: Bei Sparbüchern müssen sich Hilfebedürftige nicht am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen, so aktuell das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 20.11.2024 – L 18 AS 447/23 – recherchiert und aufgearbeitet von Detlef Brock – seit 20 Jahren ein Verfechter der Gerechtigkeit.
Hat der Vater eines erwachsenen Bürgergeld – Empfängers und zugleich Großvater seiner Enkel erhebliche Bargeldbeträge auf 3 Sparkassenbücher eingezahlt, ist es nicht anrechenbares Vermögen und mindert nicht die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft, wenn sie alle samt nicht über das Vermögen verfügen konnten und es zum Lebensunterhalt nicht bereit stand.
Legt nämlich ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes oder eines Enkels an, ohne das Sparbuch selbst aus der Hand zu geben, so ist aus diesem Verhalten in der Regel zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten wolle.
Dieser zivilrechtlichen Rechtsprechung hat sich auch das Bundessozialgericht angeschlossen und diese Grundsätze gälten durchgehend seither (BSG, Urteil vom 24.05.2006 – B 11a/AL 7/05 R – Orientierungssatz Detlef Brock).
SGB II-Leistungen – Rücknahme – Vermögen – Sparbuch – Großeltern/Eltern-Kind-Verhältnis – Forderungsberechtigung
Nicht verfügbares Guthaben auf Sparkonto kann vom Jobcenter nicht zur Deckung des Lebensunterhalts angerechnet werden, denn das Guthaben in Höhe von 450.000,- € war für den Leistungsempfänger und seine Kinder nicht verfügbar und daher nicht zur Deckung seines Lebensunterhalts verwendbar.
Keine versteckten Schenkungen, so aber das Jobcenter
Nicht zu folgen ist der Auffassung des Jobcenters, dass hier versteckte Schenkungen mit „warmer Hand“ zu Gunsten des Bürgergeldempfängers erfolgt sind.
Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH gilt, dass ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines (Enkel-)Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben – wie es vorliegend der Fall war -, typischerweise zu schließen, dass er sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten will (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 – XII ZB 425/18 ).
Es trifft zwar zu, dass der Besitz des Sparbuchs in Fällen, in denen es um das Großeltern-Enkel-Verhältnis geht, ein stärkeres Indiz für die Inhaberschaft der Forderung darstellt, als in Fällen des Eltern-Kind-Verhältnisses
Nach der angeführten Rechtsprechung des BGH kann zwar im Eltern-Kind-Verhältnis bei minderjährigen Kindern dem Besitz des Sparbuchs eine geringere Indizwirkung für die materielle Berechtigung des Einzahlers zukommen als im Großeltern-Enkel-Verhältnis.
Das Aufbewahren des Sparbuchs kann in diesem Fall u.U. Ausfluss der elterlichen Sorge sein, mit dem einem Verlust des Sparbuchs vorgebeugt werden soll. Ein derartiger Fall liegt hier aber offensichtlich nicht vor.
Denn der Großvater hatte die Sparbücher zum einen für seine Enkel und zum anderen für seinen erwachsenen Sohn angelegt.
Fazit: Großvater räumt die Konten ab wegen befürchteter Ansprüche des JobCenters
Dass die Sparbücher „leergeräumt“ wurden, nachdem den Hilfebedürftigen durch das JobCenter mitgeteilt worden war, dass Zinserträge auf diesen Sparbüchern gutgeschrieben worden waren, ist im Übrigen eher ein Beleg dafür, dass den Hilfebedürftigen diese Guthaben eben nicht zustehen sollten, denn sie wurden offenbar wegen befürchteter Ansprüche des JobCenters vom Vater bzw. Großvater von den Konten „abgezogen“.
Beim Rechtstipp dargestellten Entscheidungen ging es um das Großeltern-Enkel-Verhältnis. In meiner neuen aktuellen Entscheidung geht es aber um das Eltern-Kind-Verhältniss.
Doch auch hier gilt die Rechtsprechung des BGH, welcher sich das Bundessozialgericht in Jahre langer Rechtsprechung angeschlossen hat.
Ein Sparvermögen in Höhe von 450.000 €, welches der Vater für seinen erwachsenen Sohn und Großvater seinen Enkeln auf mehrere Sparbücher eingezahlt hatte, lässt die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II für die Familie nicht entfallen.
Praxistipp
Es existiert kein Rechtsgrundsatz, nach dem sich ein Leistungsbezieher am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen muss.
Dem SGB II lässt sich weder eine Regelung noch ein Anhalt dafür entnehmen, dass fiktives Vermögen, also solches, dass dem Inhaber nicht zusteht, im Rahmen des § 12 SGB II zu berücksichtigen ist.
Rechtstipp: Besitz nicht entscheidend für Kontoinhaberschaft – Sparbuch der Großeltern
Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) bei vorhandenem Sparvermögen hat sich an der Verfügungsberechtigung zu orientieren. Bei Sparbüchern muss sich der Hilfebedürftige nicht am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen ( i. d. S. SG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2014 – S 13 AS 735/14; SG Gießen, Urteil vom 15.07.2014 – S 22 AS 341/12; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.04.2012 – L 9 AS 695/08 sowie LSG Hamburg, Urteil vom 25.08.2011- L 5 AS 33/08 ).
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.