45 Jahre lang Beitrรคge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen ist eine enorme Lebensleistung โ rechtlich gesehen erรถffnet sie den Anspruch auf die Altersrente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte.
Dennoch erlaubt diese Rentenart keinen sofortigen Ruhestand. Fรผr alle Geburtsjahrgรคnge ab 1964 liegt die abschlagsfreie Altersgrenze inzwischen bei 65 Jahren; vor diesem Alter lรคsst sich die Rente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte weder vorziehen noch durch Abschlรคge โerkaufenโ.
Warum ist die abschlagsfreie Rente erst ab 65 mรถglich?
Mehrere Gesetze hatten ursprรผnglich die โRente mit 63โ eingefรผhrt und anschlieรend in monatlichen Schritten angehoben.
Mit Beginn des Jahres 2025 ist die Staffelung abgeschlossen: Seither gilt fรผr 45-Jahres-Karrieren ein bundeseinheitliches Mindesteintrittsalter von 65 Jahren. Die Regelaltersgrenze fรผr die klassische Regelrente steigt parallel bis 2031 weiter auf 67 Jahre.โ
Welche Wege stehen Versicherten ohne Schwerbehinderung offen?
Wer โnurโ auf 45 Versicherungsjahre verweisen kann, aber das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, muss sich an der Altersrente fรผr langjรคhrig Versicherte orientieren.
Sie setzt bereits nach 35 Versicherungsjahren an und kann ab 63 Jahren bezogen werden โ allerdings mit dauerhaften Abschlรคgen. Fรผr jeden Monat vor der persรถnlichen Regelaltersgrenze reduziert sich die Rente um 0,3 Prozent. Ein Jahr Vorverlegung kostet somit 3,6 Prozent, zwei Jahre 7,2 Prozent.
Fรผr den Jahrgang 1964 bedeutet ein frรผhestmรถglicher Start mit 63 sogar eine lebenslange Kรผrzung von 14,4 Prozent, weil zwischen 67 und 63 genau 48 Monate liegen.
Wie verรคndert ein Schwerbehindertenausweis die Lage?
Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 betrรคgt. Dann ermรถglicht die Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen einen abschlagsfreien Ausstieg bereits mit 65 Jahren โ vorausgesetzt, es wurden mindestens 35 Versicherungsjahre gesammelt.
Eine frรผhere Rente ist sogar mit 62 Jahren mรถglich, doch auch hier greift der Abschlag von monatlich 0,3 Prozent. Weil jedoch nicht von der Regelaltersgrenze 67, sondern von 65 Jahren heruntergerechnet wird, summiert sich die Minderung hรถchstens auf 10,8 Prozent.
So werden die Abschlรคge berechnet
Das Prinzip ist einfach und unerbittlich: Fรผr jeden Monat, den die tatsรคchliche Rente vor der maรgeblichen Altersgrenze beginnt, mindert sich der ausgezahlte Betrag um drei Zehntel Prozent โ unwiderruflich und bis ans Lebensende. Deshalb kann ein vermeintlich kleiner Zeitgewinn teuer werden.
Beispiel: Wer regulรคr mit 66 Jahren und 8 Monaten in Rente ginge (Geburtsjahr 1962) und stattdessen das Angebot mit 63 Jahren annimmt, sieht sich um 13,2 Prozent gekรผrzt.
Was lรคsst sich tun, um Einbuรen abzufedern?
Es gibt mehrere Stellschrauben: Manche Versicherten verlรคngern Beschรคftigung oder selbstรคndige Tรคtigkeit wenige Monate, um Abschlรคge zu verkleinern. Andere nutzen Teilzeitmodelle oder Flexirente-Kombinationen, um Einkommen und Beitragszeiten parallel aufzubauen.
Freiwillige Beitrรคge in die Deutsche Rentenversicherung kรถnnen Lรผcken schlieรen, sofern mindestens 18 Jahre Pflichtbeitrรคge vorhanden sind.
Wer bereits mit Abschlรคgen gern frรผher gehen mรถchte, sollte sorgfรคltig kalkulieren, ob ein Zuverdienst nach Rentenbeginn die Kรผrzung auffรคngt โ seit 2023 gilt fรผr Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenze mehr.
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Ein Beispiel aus der Praxis
Nehmen wir die fiktive Buchhalterin Sabine M., Jahrgang 1964, verheiratet, drei erwachsene Kinder. Sie hat nach ihrer Ausbildung ohne Unterbrechung gearbeitet, in Elternzeiten stets geringfรผgig dazuverdient und sรคmtliche Zeiten lรผckenlos bei der Deutschen Rentenversicherung gemeldet. Damit stehen in ihrem Versicherungskonto zum 31. Dezember 2024 exakt 45 Versicherungsjahre.
Sabine verdient zuletzt 3 800 Euro brutto im Monat. Die Rentenauskunft weist ihr โ hochgerechnet auf das 65. Lebensjahr โ eine vorlรคufige Bruttorente von 1 950 Euro aus. Doch sie fรผhlt sich mit 63 bereits ausgelaugt und รผberlegt, zwei Jahre frรผher aufzuhรถren.
Ohne Schwerbehindertenausweis wรผrde sie auf die Altersrente fรผr langjรคhrig Versicherte ausweichen. Die gesetzliche Regelaltersgrenze ihres Jahrgangs liegt bei 67 Jahren. Zwischen 67 und 63 Monaten liegen vier volle Jahre, also 48 Monate. Fรผr jeden Monat fallen 0,3 Prozent Abschlag an.
Die Gesamtminderung liegt somit bei 14,4 Prozent. Statt 1 950 Euro erhielte Sabine dauerhaft rund 1 670 Euro brutto. Nach Steuern und Kranken- sowie Pflegekassenbeitrรคgen blieben ihr etwa 1 350 Euro netto.
Sie prรผft, ob ein Zuverdienst aus einer geringfรผgigen Beratungstรคtigkeit die Lรผcke schlieรen kรถnnte โ seit 2023 gibt es keine Hinzuverdienstgrenze mehr.
Sabine lรคsst parallel ihren Gesundheitszustand bewerten, weil sie seit Jahren an chronischer Rheumatoider Arthritis leidet. Das Versorgungsamt erkennt ihr schlieรlich einen Grad der Behinderung von 50 zu, der Schwerbehindertenausweis liegt noch vor dem 63. Geburtstag vor.
Damit kann sie die Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen nutzen. Die abschlagsfreie Grenze liegt hier bei 65 Jahren. Wรผrde sie mit 63 starten, verkรผrzt sie den Abstand auf nur 24 Monate; der Abschlag halbiert sich auf 7,2 Prozent. Ihre Bruttorente beliefe sich dann auf rund 1 810 Euro, netto knapp 1 470 Euro.
Sabine entscheidet sich, noch bis 63 ยฝ Jahre in Teilzeit zu arbeiten, die entlastende Arbeitszeitverkรผrzung รผber ยง 8 SGB IV zu nutzen und zusรคtzlich freiwillige Beitrรคge nachzuzahlen.
Dadurch gewinnt sie sechs weitere Versicherungsmonate, reduziert den Abschlag um 1,8 Prozentpunkte und stabilisiert ihre Rente bei gut 1 500 Euro netto โ ein Betrag, mit dem sie ihre Fixkosten decken kann.
Das Beispiel zeigt, wie stark der Zeitpunkt des Rentenstarts, ein anerkannter Grad der Behinderung und wenige zusรคtzliche Beitragsmonate die finanzielle Balance beeinflussen.
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Welche ersten Schritte sollten Betroffene jetzt gehen?
Wichtig bleibt, das eigene Versicherungskonto zu klรคren. Die Deutsche Rentenversicherung verschickt ab dem 55. Geburtstag jรคhrliche Rentenauskรผnfte; wer unsicher ist, sollte persรถnliche Beratung in Anspruch nehmen und die Rentenauskunft auf mรถgliche Fehlzeiten prรผfen. Lohnend ist ein Blick auf Zeiten der Kindererziehung, Pflege oder Minijobs, die bei der 45-Jahres-Wartezeit mitzรคhlen kรถnnen.
Wer eine Schwerbehinderung geltend machen mรถchte, sollte das Verfahren frรผh beginnen, weil der Ausweis zum Zeitpunkt des Rentenantrags bereits vorliegen muss.
Und nicht zuletzt gilt: Private Vorsorgeinstrumente โ von der Riester-Rente bis zu ETFs โ kรถnnen abschlagsbedingte Mindereinnahmen kompensieren, wenn sie rechtzeitig aufgebaut werden.
Mit diesen Informationen lรคsst sich die eigene รbergangsstrategie an die gesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen โ und vor allem realistisch kalkulieren, ob das Budget einen vorzeitigen Ruhestand tragen kann oder ob sich das Warten auf die abschlagsfreie Variante rechnet.