Darf das Jobcenter bei Bürgergeld-Antragstellung prüfen, wofür das Vermögen ausgegeben wurde?

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Bürgergeld: Darf das Jobcenter einem Nicht – Leistungsbezieher vorschreiben, wofür er sein Vermögen ausgeben darf? Definitiv Nein – sagt der Sozialrechtsexperte Detlef Brock.

An Hand obergerichtlicher Rechtsprechung möchte ich Euch aufzeigen, wann von einer – Verschwendung des Vermögens – gesprochen wird.

Wenn eine Person, welche Nichtleistungsempfänger von Bürgergeld ist, zum Bsp. erbt, die Lebensversicherung bzw. Bausparvertrag wird ausgezahlt, und dann nach einiger Zeit aufgrund von erheblichen Ausgaben Hilfebedürftig im Sinne des SGB II wird, hat das Amt bzw. Jobcenter nur zu prüfen, ob Hilfebedürftigkeit ( § 9 SGB II ) gegeben ist und kann darf nicht vorschreiben, wozu ihr das Geld hättet verwenden müssen.

Denn es verbietet sich, dass das Jobcenter möglicherweise noch in moralisierender Weise bewertet, welche Ausgaben billigenswert sind und welche nicht.

Dafür gibt es auch keine gesetzliche Grundlage.

Wurde das Vermögen z. Bsp. dafür ausgegeben, um neue Möbel zu kaufen, das Kind bekam endlich ein Fahrrad, ein Kredit, welcher aufgrund der beruflichen Tätigkeit aufgenommen wurde , wurde jetzt getilgt – weil erhebliche Schulden bestanden ), ein PKW wurde gekauft, weil aufgrund der Selbstständigkeit dieser dringend benötigt wird, denn sind das Alles Dinge, die auch ein Nicht- Leistungsempfänger anschaffen würde oder gemacht hätte.

Hier kann das Jobcenter nicht argumentieren – Sie haben verschwenderisch ihr Vermögen aus gegeben und sind jetzt zum Schadensersatz ( § 34 ) verpflichtet.

Denn wohl möglich hätte das Jobcenter hier auch Leistungen erbringen müssen wie Wohnungserstausstattung, Förderung der Selbstständigkeit durch das JC.

Es entbehrt auch jeglicher gesetzlichen Grundlage, wenn das Jobcenter sagt oder im Aufhebungsbescheid bekannt gibt:

Sie müssen jetzt von dem erlangtem Vermögen 17 Monate auf Sozialniveau leben.

1. Das ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines jeden Menschen.

2. Jeder Mensch kann mit seinem Vermögen machen, was er will.

3. Das Jobcenter darf nicht diktieren, wie man zu Leben hat, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage

Die Vorschrift des § 34 SGB II ist verfassungsgemäß unter Berücksichtigung der Tatsache so auszulegen, dass auf existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen ein Rechtsanspruch besteht, welcher regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit besteht (vgl. Bundesverfassungsgericht Beschluss v. 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, LSG Berlin/Brandenburg, Urteil v. 04.03.2014 -L 29 AS 814/11 – ).

Daneben ist die Vorschrift auch unter Berücksichtigung des Artikel 2 Grundgesetz auszulegen, wonach die allgemeine Handlungsfreiheit nur durch ein entsprechendes Gesetz eingeschränkt werden darf.

Folgendes gilt nun

Ein Schadensersatzanspruch des Jobcenters wegen Vermögensverschwendung kommt nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht

Ein Ersatzanspruch des Jobcenters nach § 34 SGB II wegen Vermögensverschwendung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht.

Es verbietet sich vor dem Hintergrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes –, dass das Jobcenter möglicherweise noch in moralisierender Weise bewertet, welche Ausgaben billigenswert sind und welche nicht.

Es kommt nicht maßgeblich darauf an, wofür das Geld ausgegeben wurde und ob dies nachvollziehbar, naiv, moralisch achtenswert oder zu missbilligen ist.

Die Grenze ist vielmehr erst da zu ziehen, wo Vermögen kausal zum Zwecke der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit verschwendet wird ( § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II – Orientierungssatz Detlef Brock ).

So hat das LSG Mecklenburg- Vorpommern mit Urteil vom 07.05.2019 – L 10 AS 632/16 – wie folgt entschieden:

Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten – Wiederherbeiführung der Hilfebedürftigkeit

Ein Ehemaliger Leistungsbezug verpflichtet Personen, die wegen Vermögens keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben, nicht zu einem über das allgemeine Maß hinausgehenden zurückhaltenden Umgang mit diesem Vermögen.

Sie sind nicht zu einer besonders bescheidenen Lebenshaltung verpflichtet und erst recht nicht dazu, vom Vermögen monatliche Ausgaben nur in Höhe von SGB-II-Leistungen zu tätigen.

Ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II wegen Vermögensverschwendung kommt damit nur in Ausnahmefällen in Betracht.

Keine Prüfung und Bewertung einer bescheidenen Lebenshaltung

Sozialwidriges Verhalten liegt immer nur dann vor, wenn das Vermögen zielgerichtet zum möglichst baldigen Wiedereintritt in den Leistungsbezug verschleudert wird.

Es obliegt gerade nicht den staatlichen Stellen, die zur Erfüllung der genannten Pflicht berufen sind, zu prüfen, ob die Hilfebedürftigkeit nachvollziehbar entstanden ist.

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Im Ablehnungsbescheid an die Klägerin gerichteten Aufforderung schrieb das Jobcenter

Sie müssen jetzt für 17 Monate auf „Hartz IV – Niveau“ leben

Damit hatte das Jobcenter aber die Grenzen des rechtmäßigen Handelns weit überschritten.

Für eine solche Aufforderung und die damit einhergehenden Eingriffe in die freie Lebensführung der Klägerin findet sich keinerlei Rechtsgrundlage.

Hier gelangte der Senat zu der Auffassung, dass ein Ersatzanspruch derart offensichtlich ausscheidet, dass sich bereits die Erörterung der Frage, ob die Beschaffung der Schrankwand und die Renovierung der Wohnung erforderlich waren oder nicht, verbietet.

Eine Bewertung bei Nichtleistungsempfängern, ob deren Lebensführung billigenswert gewesen ist – verbietet sich für Jobcenter und Gerichte

Denn eine derartige Diskussion führt zwangsläufig dazu, dass das Jobcenter und auch die Gerichte über § 34 SGB II gehalten wären – bei Nichtleistungsempfängern – zu bewerten, ob deren Lebensführung billigenswert gewesen ist.

Im Ergebnis wären bei jedem Erstantragsteller die vorherigen Ausgaben zu prüfen und in moralisierender – waren diese sozialadäquat? – Form zu bewerten.

Schlussbemerkung von Detlef Brock

Die Sichtweise des Jobcenters führt hier zwangsläufig zu einer staatlichen Wertungsmöglichkeit, ob bestimmte Ausgaben sinnvoll, achtenswert oder sozialadäquat gewesen sind.

Ein solches Verständnis ignoriert, dass § 34 SGB II eine Ausnahme zu dem anerkannten Grundsatz ist, dass die staatliche Pflicht zur Leistungserbringung und damit die Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit besteht (vgl. BVerfGE 35, 202 <235>).

Es obliegt gerade nicht den staatlichen Stellen, die zur Erfüllung der genannten Pflicht berufen sind, zu prüfen, ob die Hilfebedürftigkeit nachvollziehbar entstanden ist.

Im Ergebnis kann ein Erstattungsanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens nur in absoluten Ausnahmefällen mit der Ausgabe eines Vermögens begründet werden.

Denn die Grenze ist vielmehr erst da zu ziehen, wo Vermögen kausal zum Zwecke der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit verschwendet wird mit Hinweis des Gerichts auf ( § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II).

Wissenswertes und Rechtstipp

Nicht jeder Verbrauch von Vermögen im SGB-II-Bezug ist sozialwidrig oder verschwenderisch ( LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. September 2022 – L 3 AS 208/21 – ).

“Ein vorgezogenes Erbe im Arbeitslosengeld-II-Bezug kann man gut gebrauchen. Da fällt es leicht, sich den dringend benötigten, behindertengerechten PKW anzuschaffen, die Kinder zu unterstützen und einen Kredit zurückzuzahlen. Die Rechnung machte ein arbeitsloser Mann jedoch ohne sein Jobcenter. Er habe das Geld verschleudert und solle nun 11.000 € erstatten.

So geht das nicht, meinte das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz und stellte auf die Motivation des Mannes ab.”

Anmerkung

Auch in diesem Fall wird deutlich, wie sehr die Jobcenter Menschen unter Druck setzen können, dem hier 64 Jährigen jedenfalls nahm das Ganze sehr mit und er war auch noch später entsetzt über die Erfahrung mit dem Jobcenter.

Hier hatte der Antragsteller mittels einer Erbschaft Schulden getilgt, die meistens aufgrund seiner Tätigkeit entstanden waren, ein Auto angeschafft, welches er für seine Arbeit brauchte u. a. Dinge.

Vertragsmäßiges Verhalten ist nicht unangemessen

“Es sei nicht unangemessen, einen Kredit, der zudem aus der beruflichen Tätigkeit resultiere, zu bedienen und sich gegenüber seinem Gläubiger vertragsgemäß zu verhalten.

Gleiches gelte auch für die angefallenen Bewerbungskosten, weil diese letztlich auch im Interesse des Jobcenters und des Steuerzahlers entstanden seien und der Kläger mit seinen intensiven Bewerbungen genau das erfüllt habe, was das SGB II von ihm verlange.”

Schlusswort

Solche gerichtlichen Urteile machen deutlich, dass schon zu viele Menschen von Jobcentern schikaniert wurden oder sogar so krank wurden, dass sie nicht mehr in der Lage waren, die persönlichen Dinge selbst zu regeln.

Ich rede hier aus einer ganz persönlichen Erfahrung, ich habe so einen Menschen kennen gelernt, ihm wollte man sein Haus weg nehmen bzw. zum Verkauf zwingen wegen Unangemessenheit, in aller letzter Sekunde konnte ich den Wahnsinn stoppen, doch der Bekannte hat sich von diesem ganzem Behördenwahnsinn nie mehr erholt.

Darum gilt Folgendes

Es obliegt grundsätzlich gerade nicht den staatlichen Stellen,Jobcenter, und Sozialämtern, die zur Erfüllung der genannten Pflicht berufen sind, zu prüfen, ob die Hilfebedürftigkeit nachvollziehbar entstanden ist.

Der Gesetzgeber hat gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II gerade nur das absichtliche Herbeiführen der Hilfebedürftigkeit als sanktionsbedürftig und damit sozialwidrig erachtet hat.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass § 34 SGB II eine Ausnahme zu dem anerkannten Grundsatz ist, dass die staatliche Pflicht zur Leistungserbringung und damit die Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit besteht (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.11.2019 – 1 BvL 7/16 – ).

Es obliegt daher grundsätzlich gerade nicht den staatlichen Stellen, die zur Erfüllung der genannten Pflicht berufen sind, zu prüfen, ob die Hilfebedürftigkeit nachvollziehbar entstanden ist.

Im Ergebnis kann ein Erstattungsanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens daher nur in absoluten Ausnahmefällen mit der Ausgabe des Vermögens begründet werden.

Insbesondere verbietet es sich – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes –, dass der Staat möglicherweise noch in moralisierender Weise bewertet, welche Ausgaben billigenswert sind und welche nicht.

Insoweit kommt es nicht maßgeblich darauf an, wofür das Geld ausgegeben wurde und ob dies nachvollziehbar, naiv, moralisch achtenswert oder zu missbilligen ist (so auch LSG Mecklenburg-Vorpommern – L 10 AS 632/16 – ).

Das sollte man unbedingt wissen egal ob Leistungsempfänger, Behördenmitarbeiter oder Rechtsanwalt

Sowohl das Bundessozialgericht ( B 14 AS 55/12 R ) auch die obergerichtliche Rechtsprechung sind sich einig, dass die Grenze erst da zu ziehen ist, wo Vermögen kausal zum Zwecke der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit verschwendet wird mit Hinweis des Gerichts auf ( § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II).

Jobcenter: Bürgergeld-Sanktion rechtswidrig, wenn mit der Urlaubsabgeltung Schulden getilgt wurden – Urteil

Rechtstipp:

vgl. SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 31.08.2015 – Az.: S 35 AS 257/15 –

Luxuriöser Lebensstil – Ausgaben von monatlich 3.550,- EUR – des Nicht- Leistungsbeziehers von Grundsicherung stellt kein sozialwidriges Verhalten dar und bietet keinen Anlass zur Prüfung eines Schadensersatzanspruchs nach § 34 SGB II.

Wann spricht die Rechtsprechung von Verschwendung beim ALG II/Sozialhilfe

1. Wer bei nur sehr geringen eigenen Einnahmen (hier monatliche Altersrente in Höhe von ca. 250 EUR) für seine laufenden sonstigen Lebenshaltungskosten (ohne Kosten der Unterkunft) den viereinhalbfachen sozialhilferechtlichen Regelbedarf aufwendet, obwohl er ohne weiteres hätte erkennen können, dass unter diesen Umständen das noch vorhandene Vermögen innerhalb weniger Jahre aufgebraucht ist, fällt unter den Ausschlusstatbestand nach § 41 Abs. 4 SGB XII für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ( LSG BW – L 2 SO 2489/14 -).

2. LSG NSB, Urteil vom 12.12.2018 – L 13 AS 111/17 –

Leitsatz Dr. Manfred Hammel

Es ist in einem hohen Maße sozialwidrig entsprechend § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wenn innerhalb eines Zeitraums von nur 27 Monaten eine Erbschaft in einer Höhe von ca. EUR 120.000,- „ausgegeben und vertrunken“ sowie danach um Arbeitslosgengeld II nachgesucht wird, zumal für den Betreffenden absehbar war, dass er nach dem Verbrauch dieser Mittel in Ermangelung anderer Einnahmen erneut auf staatliche Transferleistungen zur Sicherung seines Existenzminimums angewiesen sein würde.

An dieser Stelle hat auf das durchschnittliche Ausgabeverhalten vergleichbarer Personen abgestellt zu werden. Hier hätte der Betreffende – bei „normalem Ausgabeverhalten“ – über 91 Monate hinweg seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten können.

Alles andere war in seiner Handlungstendenz auf die Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit (§ 9 Abs. 1 SGB II) gerichtet und als gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 SGB II pflichtwidrig aufzufassen.

Hier ist ein Kausalzusammenhang zwischen dem vorzeitigen Verbrauch der Erbschaft und den Leistungen, die der SGB II-Träger ersetzt verlangt, zu bejahen.