Laut § 22 Abs. 5 SGB II erfasst nur den erstmaligen Umzug, d.h. den Auszug aus dem Elternhaus. Für Folgeumzug braucht ein 23 – jähriger Hilfebedürftiger vom Jobcenter keine Zusicherung einzuholen.
Durch die Aufnahme eines Elternteils in die (eigene) Wohnung einer leistungsberechtigten Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, wird deren Wohnung nicht zur elterlichen Wohnung ( LSG BW L 1 AS 4236/16 ER-B ).
Auch unter 25 – jährige Bezieher von Bürgergeld haben ein Recht auf Selbstentfaltung in der Wohnung (Art. 2 Abs. 1 GG). Im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes wurde das Jobcenter verpflichtet, die Zusicherung zu erteilen. Denn es liegt ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vor (§ 22 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 SGB II)
Hierbei handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der insoweit zum Tragen kommt, wenn grundrechtliche Erwägungen zur Geltung zu bringen sind.
Jobcenter müssen das Recht auf Selbstentfaltung in der Wohnung beachten
Vorliegend ist sein Recht auf Selbstentfaltung in der Wohnung (Art. 2 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen.
Das Gericht hält es nach dem Vortrag des Antragsstellers aber für glaubhaft, dass er als 23-Jähriger in seiner allgemeinen Lebensführung durch das Zusammenwohnen mit der Mutter in nur einem Zimmer stark eingeschränkt ist.
Für den Senat war auch nachvollziehbar – Soziale Kontakte
Für den Senat ist es nachvollziehbar, dass der 23-Jährige seine sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen und zu seiner Partnerin auch in seiner Wohnung bzw. in seinem eigenen Zimmer pflegen möchte.
Diese Privatsphäre könnte der Antragsteller bis zu seinem 25. Lebensjahr nicht mehr herstellen, obwohl er bereits seit 2013 in seiner eigenen Wohnung – außerhalb einer Bedarfsgemeinschaft – gelebt hat.
Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten geht der Senat in diesem Einzelfall davon aus, dass ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt, der die Zusicherung nach § 22 Abs. 5 SGB II rechtfertigt.
Fazit
1. Einer Zusicherung nach 22 Abs. 5 SGB II bedarf nur der erstmalige Auszug aus dem Elternhaus, nicht dagegen darauf folgende, weitere Umzüge – Folgeumzüge.
2. Dies folgt aus dem Zweck der Norm, einer kostensteigernden Vermehrung bestehender Bedarfsgemeinschaften entgegen zu wirken. Bei einem Folgeumzug kann er nicht mehr erreicht werden.
3. Zudem ist es unangemessen und nicht verhältnismäßig, weil die Subsumtion weitere Umzüge nach dem Auszug aus dem Elternhaus unter den § 22 Abs. 5 SGB II Gefahr läuft, den jungen Leistungsbeziehern eine Art “Lebenskontrolle” aufzubürden.
Praxistipp
§ 22 Abs. 5 SGB II will verhindern, dass junge Erwachsene aus dem Elternhaus ausziehen, d.h. alleine umziehen. Der Gesetzgeber hat damit eine ebenso umstrittene wie nicht nur unter Freiheits- (Art. 2 Abs. 1 GG) und Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) problematische Sonderregelung zu § 22 Abs. 4 SGB II eingefügt, die eng auszulegen ist.
§ 22 Abs. 5 SGB II erfasst nur den erstmaligen Umzug, d.h. den Auszug aus dem Elternhaus.
Vermieden werden soll der kostenträchtige Erstbezug einer eigenen Wohnung (Berlit in LPK, 7. Aufl. 2021, § 22 Rn. 194). Das folgt aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs 16/688, 14 f.) und dem Sinn und Zweck der Regelung, einen unkontrollierten Anstieg der Bedarfsgemeinschaften zu verhindern (vgl. zum Meinungsstand Luik in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 22 Rn. 243 ff.; offen gelassen BSG, Urteil vom 25.04.2018 – B 14 AS 21/17 R -).
Lesetipp zum Bürgergeld
Bürgergeld-Eilverfahren: Umzug in zu teure Wohnung erforderlich bei Konflikt mit dem Kindesvater
Ein Umzugsgrund in eine nicht angemessene Wohnung kann bei einer allein erziehenden Mutter bestehen, wenn eine enge räumliche Nähe zum Kindesvater besteht, welcher im gleichem Hause wohnt und es diesbezüglich häufig zu Konflikten kommt, die sich nachteilig und belastend auf das minderjährige Kind auswirken und das Ganze vom Jugendamt bestätigt wird