Sparen bei der Grundsicherung und härtere Sanktionen für Leistungsberechtigte bestimmen die Pläne der CDU / CSU, wenn es um das Bürgergeld geht. Experten für Sozialrecht halten dem entgegen, dass der Staat verpflichtet ist, Bedürftigen das Existenzminimum zu sichern. Die Juristin Dr. Annalena Mayr klärt die rechtlichen Grundlagen.
Inhaltsverzeichnis
Das Existenzminimum im Grundgesetz
Laut Mayr sind für das Recht auf das Existenzminimum der Artikel 1 und der Artikel 20 des Grundgesetzes entscheidend. Artikel 1 definiert die Menschenwürde und Artikel 20 das Sozialstaatsprinzip.
Damit wird aus dem Recht auf das Existenzminimum ein echtes Grundrecht, so führt die Juristin aus. Dieses Grundrecht umfasst nicht nur die physische Existenz, sondern auch das soziokulturelle Minimum. Das bedeutet kurz gesagt, der Staat ist nicht nur verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Bedürftige nicht hungern, frieren und ihre Wohnung verlieren. Auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe muss ermöglicht werden.
Es gibt einen Spielraum
Das Grundgesetz schreibt aber nicht genau vor, wie Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums gestaltet werden müssen, so die Juristin. Der Gesetzgeber hat in dieser Hinsicht vielmehr einen gewissen Spielraum.
Die Grundsicherung muss nachvollziehbar sein
Die Grundsicherung darf verfassungsrechtlich also nicht beweisbar unzureichend sein. Der Gesetzgeber muss Verfahren, mit denen der Regelbedarf bestimmt wird, nachvollziehbar und sachlich differenziert gestalten.
Sind Kürzungen mit der Verfassung vereinbar?
Laut Mayr ist der Spielraum, die Grundsicherung zu kürzen, verfassungsrechtlich sehr eingeschränkt. Denn bereits bei den bestehenden Leistungen gebe es viel Kritik mit Bezug auf das Grundgesetz. So orientiere sich die Höhe des Bürgergeldes an den Ausgaben der ärmsten 15 oder 20 Prozent der Bevölkerung – und nicht, so kann ergänzt werden, an einer objektiven Berechnung des Existenzminimums.
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Bescheid prüfenKeine gesunde Ernährung
Mayr zufolge belegen Studien, dass Menschen im Bürgergeldbezug sich keine gesunde Ernährung leisten können, sondern ihre Gesundheit geschädigt würde. Der Regelbedarf würde sich an den unteren 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung orientieren, die auf Unterstützung durch gemeinnützige Organisationen wie die Tafel angewiesen seien.
Verfassungsrecht schränkt Sanktionen ein
Forderungen nach härteren Sanktionen stießen, so Mayr, an die Grenzen des Verfassungsrechts. Sanktionen seien zwar möglich, da der Staat verlangen dürfe, dass Hilfebedürftige an der Überwindung der Bedürftigkeit mitwirkten.
Doch das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum bliebe laut dem Bundesverfassungsgericht auch bei persönlicher Schuld der Betroffenen bestehen. Denn es leitet sich direkt aus der Menschenwürde ab.
Hohe Hürden für Sanktionen
Das Bundesverfassungsgericht hätte deshalb hohe Hürden für die Rechtmäßigkeit von Sanktionen erstellt. Insbesondere müsse der Staat berücksichtigen, welche Auswirkungen die Sanktionen für die Betroffenen hätten und ob diese tatsächlich in der Lage seien, ihre Hilfebedürftigkeit selbst zu beseitigen.
Versachlichung der Debatte
Mayr hofft, dass die geplanten Reformen die Vorgaben des Verfassungsrechts hinreichend berücksichtigen und die politische Debatte entsprechend versachlicht wird.