Alleinerziehende haben beim Bürgergeld einen Anspruch auf Mehrbedarf. Für Kindesunterhalt ist entscheidend, ob ein Elternteil,und wenn, dann welches die Kinder allein erzieht. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verschafft Klarheit, welche Kriterien gelten, damit Alleinerziehung gegeben ist. ( 5 C 9.22)
Inhaltsverzeichnis
Mutter von Zwillingen klagt
Eine Mutter erzog Zwillingstöchter. Das zuständige Jugendamt gewährte keinen Unterhaltsvorschuss. Diesen Vorschuss gibt es, wenn die Kinder erstens beim alleinerziehenden Elternteil leben, und der andere Elternteil zweitens keinen regelmäßigen Unterhalt zahlt, obwohl er dazu verpflichtet wäre.
Das Jugendamt begründete die Nichtzahlung damit, dass die Mutter nicht voll alleinerziehend sei. Die Betroffene hielt das für ungerecht, denn sie ging davon aus, alleinerziehend zu sein, und so klagte sie durch alle Instanzen des Verwaltungsgerichts.
Zwei Instanzen lehnen Anspruch ab
Sie scheiterte mit ihrer sowohl vor dem Verwaltungsgericht wie vor dem Oberverwaltungsgericht. Strittig war die Rolle des getrennt lebenden Vaters.
Dieser beteiligte sich nämlich während der Schulzeit zu rund 36 Prozent an der Kinderbetreuung. Die beiden ersten Instanzen sahen die Mutter also ausreichend entlastet und sprachen ihr damit den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss ab.
Es geht um den Schwerpunkt der Betreuung
Das Bundesverwaltungsgericht beurteilte die Situation anders und hob die vorigen Entscheidungen auf. Eine Entlastung durch den Unterhaltsvorschuss sei nicht nur notwendig, wenn ein Elternteil vollständig alleinerziehend sei, also die Kinder zu 100 Prozent betreue.
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Bescheid prüfenAuch überwiegende Betreuung bedeutet Alleinerziehung
Die Entlastung sei auch wesentlich, wenn ein Elternteil die Kinder überwiegend betreue, obwohl auch der andere Elternteil beteiligt sei. Die Richter legten dazu eine konkrete Grenze fest. Wenn ein Elternteil mehr als 60 Prozent der Betreuung übernimmt, dann ist dieser alleinerziehend.
Ein Unterhaltszuschuss muss in diesem Fall bewilligt werden, falls der andere Elternteil keinen Unterhalt leistet.
Ausschließlich die Zeit zählt
Die Richter betonten, dass es sich bei dieser Definition von Alleinerziehung ausschließlich um den zeitlichen Aufwand handelt, und dass es keine Bewertung der Qualität geben solle. Es geht also nicht um eine Entscheidung über „bessere“ oder „schlechtere“ Betreuung, sondern allein darum, welcher Elternteil mehr Zeit mit den Kindern verbringt.
Mehrbedarf bei Alleinerziehung
Zur Frage des Mehrbedarfs für Alleinerziehende beim Bürgergeld (damals Arbeitslosengeld II) hatte das Bundessozialgericht bereits vor Jahren ein wichtiges Urteil getroffen. Demnach muss der Mehrbedarf unabhängig vom Nachweis des konkreten Aufwands gewährt werden – also pauschal und typisierend.
Mehrere Familienmitglieder in einem Haus
Die Betroffene lebte ihrem Kind, den Rentenleistungen beziehenden Eltern und ihrer Schwester in einem Haus zusammen. Das Jobcenter verweigerte einen Mehrbedarf für Alleinerziehende mit der Begründung, dass die anderen Familienmitglieder das Kind mit betreuen könnten oder würden.
Tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge enscheidet
Das Bundessozialgericht schob derlei Behauptungen des Jobcenters einen Riegel vor.
Das Jobcenter hat also kein Recht darauf, wenn mehrere Nichteltern zusammen mit einem Elternteil in einem Haus leben, die Alleinerziehung durch den Elternteil in Frage zu stellen. Laut dem Bundessozialgericht ist es eine „von der Rechtsprechung zu beachtende gesetzgeberische Entscheidung, den Mehrbedarf von der tatsächlichen Ausübung der (alleinigen) elterlichen Sorge abhängig zu machen“. (B 4 AS 167/11 R)