Bürgergeld: Jobcenter muss zahlen – Schulgeld jetzt absetzbar – Urteil

Lesedauer 2 Minuten

Wer als Bürgergeld-Bezieher eine private Berufsfachschule besucht, kann das Schulgeld unter bestimmten Voraussetzungen als notwendige Ausgabe absetzen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt am 12. Juni 2025 (Az. L 2 AS 79/24) entschieden. Für Betroffene bedeutet das mehr finanziellen Spielraum und eine stärkere Rechtssicherheit gegenüber dem Jobcenter.

Urteil im Überblick

Das Gericht befasste sich mit einer Auszubildenden, die ergänzend Bürgergeld bezieht und monatlich mehrere Hundert Euro Schulgeld zahlt. Das Jobcenter rechnete die komplette Ausbildungsförderung (BAföG) als Einkommen an und gewährte nur den pauschalen Absetzbetrag von 100 Euro. Das LSG stellte klar:

Wenn keine zumutbare, kostenfreie Ausbildungsalternative existiert, gehört das Schulgeld zu den „mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben“ nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II. Das Jobcenter muss die tatsächlichen Kosten abziehen – notfalls auch oberhalb der Pauschale.

Rechtlicher Hintergrund: § 11b SGB II und Ausbildungskosten

Grundsätzlich dürfen Jobcenter nur bereinigtes Einkommen anrechnen. Neben Steuern und Sozialabgaben nennt das Gesetz in Nr. 5 ausdrücklich notwendige, einkommensbezogene Aufwendungen. In der Praxis werden hier meist Fahr- oder Bewerbungskosten anerkannt. Ob Schul- oder Studiengebühren dazugehören, war bislang umstritten.

Das LSG Hamburg (Beschl. 18.06.2019) bestätigte schon 2019 die Abzugsfähigkeit; das LSG Berlin-Brandenburg verneinte sie jedoch 2023. Mit dem aktuellen Urteil liegt nun ein weiteres klares Pro-Votum vor.

Wann wird Schulgeld als „notwendige Ausgabe“ anerkannt?

Laut Entscheidung kommt es auf drei Punkte an:

Ist Ihr Bürgergeld-Bescheid korrekt?

Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.

Bescheid prüfen

  1. Keine kostenfreie Alternative
    In der Region muss nachweislich keine vergleichbare, gebührenfreie Ausbildung verfügbar oder zumutbar sein (etwa wegen Kinderbetreuung oder gesundheitlicher Einschränkungen).
  2. Zielgerichteter Einsatz der Fördermittel
    Die Ausbildungsförderung muss objektiv für Schul- oder Studiengebühren bestimmt sein. Pauschale Lebenshaltungskosten reichen nicht.
  3. Nachweis tatsächlicher Zahlung
    Belege wie Schulverträge, Überweisungs- oder Quittungsnachweise sind unerlässlich. Pauschale Behauptungen genügen nicht.

Erfüllt der oder die Lernende diese Kriterien, muss das Jobcenter das Schulgeld vollständig vom Einkommen abziehen. Eine Begrenzung auf 100 Euro ist unzulässig.

Abgrenzung zu früheren Entscheidungen

  • Hamburg 2019: Erster landes­sozial­gerichtlicher Beschluss zugunsten der Absetzbarkeit.
  • Berlin-Brandenburg 2023: Ablehnung mit Hinweis, das Schulgeld stehe nicht in direktem Zusammenhang mit der Einkommenserzielung.
  • Mecklenburg-Vorpommern 2025: Ebenfalls kritisch, Revision beim Bundessozialgericht (BSG) zugelassen.
    Die neue Entscheidung aus Sachsen-Anhalt folgt der Hamburger Linie und widerspricht ausdrücklich der Berliner Auffassung. Ein abschließendes BSG-Urteil wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2026 erwartet.

Praktische Tipps für Betroffene

Bewahren Sie alle Verträge, Kontoauszüge und Stundenpläne sorgfältig auf, denn nur mit vollständigen Belegen können Sie Ihre Forderungen gegenüber dem Jobcenter belegen. Läuft Ihr Bewilligungszeitraum noch, lassen sich fehlerhafte Berechnungen durch einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X korrigieren.

Lehnt das Jobcenter Ihren Antrag ab, legen Sie binnen eines Monats Widerspruch ein und verweisen dabei ausdrücklich auf die Entscheidung des LSG Sachsen-Anhalt (Az. L 2 AS 79/24). Nutzen Sie zudem die Härtefallprüfung: Besonders Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung haben gute Chancen, weil ihnen kostenfreie Ausbildungsalternativen oft praktisch nicht offenstehen.

Behalten Sie schließlich den weiteren Rechtsweg im Blick: Sollte Ihr Verfahren 2026 noch laufen, berücksichtigen Sie unbedingt das erwartete Urteil des Bundessozialgerichts, um Ihre Ansprüche vollständig durchzusetzen.

Ausblick

Mit der aktuellen Rechtsprechung steigt der Druck auf Jobcenter, teures Schulgeld nicht mehr pauschal abzulehnen. Bis das Bundessozialgericht eine verbindliche Linie vorgibt, sollten Leistungsberechtigte ihre Ansprüche konsequent geltend machen. Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann seine monatliche Leistung um mehrere Hundert Euro steigern – ein spürbares Plus im Ausbildungsalltag.