Schwerbehinderung: Wer den Ausweis zu spät zeigt, riskiert die Kündigung – Urteil

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Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung haben einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser gilt aber nur, wenn der Arbeitgeber zeitnah beziehungsweise zum Zeitpunkt der Entlassung über die Schwerbehinderteneigenschaft informiert ist. Wer den Ausweis erst Monate später vorlegt, kann sich nicht auf den besonderen Kündigungsschutz berufen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5 SA 204/23).

Häufige Fehlzeiten wegen Krankheit

Der Betroffene hatte lange Jahre bei dem Arbeitgeber in der chemischen Industrie gearbeitet. Dabei wurde er immer wieder lange und häufig krank. Der Arbeitgeber bot ihm verschiedene Hilfsangebote an, doch der Arbeitnehmer schlug diese aus.

Krankheitsbedingte Kündigung

Schließlich sprach der Arbeitgeber ihm eine krankheitsbedingte Kündigung aus. Zum Zeitpunkt der Kündigung war der Arbeitnehmer objektiv schwerbehindert. Damit hätte er nicht einfach krankheitsbedingt gekündigt werden dürfen, sondern eine Kündigung hätte nur mit Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes erfolgen dürfen.

Arbeitnehmer lehnt Betriebliches Eingliederungsmanagement ab

Zwischen 2017 und 2022 fehlte der Arbeitnehmer im Schnitt jedes Jahr wegen Krankheit ca. 63 Kalendertage. Allein 2022, im Jahr der Kündigung, waren bis September bereits 107 Krankheitstage angefallen. Der Arbeitgeber bot ihm mehrfach ein Betriebliches Eingliederungsmanagement an, das der Betroffene jedoch jedes Mal ablehnte.

COPD und Schwerbehinderung

Die Diagnosen für seine Fehlzeiten lauteten oft grippale Infekte, Magen-Darm-Leiden und Rückenschmerzen. Erst später wurde bekannt, dass der Arbeitnehmer an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leidet. Im Juni 2022 wurde ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt, und damit konnte er als Arbeitnehmer die Nachteilsausgleiche für Menschen mit Schwerbehinderung einfordern. Zu diesen zählt ein besonderer Kündigungsschutz.

Vorlage des Schwerbehindertenausweises erst 3,5 Monate nach der Kündigung

Erst 3,5 Monate nach der Kündigung legte der Arbeitnehmer seinem ehemaligen Arbeitgeber seinen Schwerbehindertenausweis vor, der seine Schwerbehinderung rückwirkend zum 2. Juni 2022 bestätigte. Im Gerichtsverfahren berief er sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft. Er erklärte, wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamtes sei die Kündigung unwirksam.

Er gab an, den Schwerbehindertenbescheid selbst erst Ende Dezember 2022 bekommen zu haben, den Antrag hätte er aber schon im Juni 2022 gestellt.

Arbeitsgericht weist Klage zurück

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen sah keinen Anspruch auf Kündigungsschutz, da er dem Arbeitgeber seinen Schwerbehindertenstatus erst verspätet mitgeteilt hatte. Zudem seien seine Zukunftsprognosen für die Gesundheit negativ, und der Arbeitgeber müsste mit hohen Kosten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall rechnen. Die Interessenabwägung fiel zugunsten des Arbeitgebers aus.

Keine erhebliche Beeinträchtigung

Der Betroffene ging in Berufung vor das Landesarbeitsgericht. Auch hier scheiterte er. Er argumentierte, das Arbeitsgericht habe seine Erkrankungen falsch bewertet und weder ärztliche Atteste noch ein Sachverständigengutachten zu seiner Genesung eingeholt. Er sagte weiterhin, seine bisherigen gesundheitlichen Einschränkungen seien einmalige und ausgeheilte Ereignisse gewesen. Er leide nicht an chronischen Krankheiten. Er habe auch die Eingliederungsmaßnahmen nicht einseitig abgelehnt, sondern es sei zu keiner Einigung gekommen. Seine Krankheiten hätten den Betrieb auch nicht erheblich beeinträchtigt.

Schwerbehinderung noch nicht entschieden

Seine Schwerbehinderung sei zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht entschieden gewesen. Sie sei rückwirkend gültig gewesen und der Arbeitgeber hätte ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz anbieten müssen. Deshalb forderte er die Kündigung für unwirksam zu erklären.

Besonderer Kündigungsschutz entfällt

Das Landesarbeitsgericht sah die Sache anders. Der besondere Kündigungsschutz greife in diesem Fall nicht. Der Betroffene hätte dieses Recht verwirkt. Dafür gibt es das Zeitmoment der längeren Untätigkeit und das Umstandsmoment des Vertrauens des Gegenübers.
Die Kündigung hätte den Betroffenen am 29. September 2022 erreicht. Doch erst am 19. Januar 2023 hätte er den Ausweis vorgelegt und ihn sogar erst am 2. Februar 2023 im Rechtsstreit geltend gemacht. Das Gericht schließt: „Der Arbeitgeber konnte nach dieser langen Zeit davon ausgehen, dass der besondere Kündigungsschutz nicht mehr relevant war.“