Bürgergeld: Jobcenter muss volle Mietkosten bei unerlaubter Ortsabwesenheit zahlen

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Unerlaubte Ortsabwesenheit der Eltern: Volle Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Kinder, so entschieden vom SG Kiel, Urteil vom 28.06.2024 – S 33 AS 213/22 – Berufung anhängig beim SH LSG – L 6 AS 76/24 -.

Kinder unter 15 Jahren haben auch dann einen Anspruch auf Bürgergeld, wenn ihre Eltern unerlaubt abwesend sind und deshalb kein Bürgergeld nach § 7b SGB II erhalten.

Darüber hinaus haben sie auch Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft in Höhe des auf die Eltern entfallenden Anteils an den Unterkunftskosten.

In dem bereits in der August-Ausgabe des Hempels besprochenen Fall war eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Kind über den Zeitraum der erteilten Zustimmung zur Ortsabwesenheit hinaus in ihrem Herkunftsland verblieben.

Das Jobcenter Kiel hob deshalb die Leistungsbewilligung der Mutter für die Tage der unerlaubten Ortsabwesenheit auf.

Der Sohn verlangte daraufhin vom Jobcenter Kiel, auch den auf seine Mutter entfallenden Teil der Unterkunftskosten zu übernehmen, für den diese wegen unerlaubter Ortsabwesenheit keine Leistungen erhalten hatte – was das Jobcenter Kiel ablehnte.

Das Sozialgericht gab dem Sohn Recht

Zwar werden Bedarfe für die Unterkunft grundsätzlich nach dem sog. Kopfteilprinzip anerkannt, d.h. die Kosten der Unterkunft werden nach der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen aufgeteilt (Rechtsprechung des BSG).

Ausnahmen von diesem Grundsatz werden jedoch anerkannt, wenn der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft z.B. aufgrund einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen ist.

Abweichungen vom Kopfteilprinzip sind nach der Rechtsprechung des BSG aus bedarfsbezogenen Gründen möglich

Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist also aus bedarfsbezogenen Gründen möglich, wenn nur so ein menschenwürdiges Existenzminimum der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewährleistet werden kann.

So lag es auch in hier:

Durch den bestandskräftigen Leistungsausschluss der Mutter war der Bedarf des Sohnes an Kosten der Unterkunft und Heizung unterdeckt, da der Sohn den auf seine Mutter entfallenden Kopfteil für diesen Zeitraum letztlich aus seinem Sozialgeld bestreiten musste.

Mitgeteilt heute von RA Helge Hildebrandt, Kiel,  Erstveröffentlichung in HEMPELS 9/2024

Praxishinweis

Die Möglichkeit, nicht erwerbsfähigen Personen in der Bedarfsgemeinschaft trotz des Leistungsausschlusses Sozialgeldansprüche zu verschaffen, bleibt somit erhalten (vgl. Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage, § 7 RdNr. 172); dies gilt sowohl für die Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II a.F. als auch für die des § 7 Abs. 4a SGB II n.F. (vgl. Münder/Geiger, SGB II, § 7 RdNr. 174).

Der Sohn bildet auch während des Leistungsausschlusses seiner Mutter nach § 7 Abs. 4a SGB II a.F. weiterhin eine Bedarfsgemeinschaft mit ihr und kann dementsprechend seinen Anspruch auf Gewährung von Sozialgeld und Kosten der Unterkunft und Heizung von seiner Mutter ableiten.

Anderenfalls käme die Auffassung des Jobcenters einem Leistungsausschluss nach dem SGB II durch die Hintertür gleich, obwohl die von der Rechtsprechung anerkannten (§ 7 Abs. 4a SGB II a.F.) bzw. nunmehr explizit nicht unter die Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II n.F. fallenden unter 15-jährigen und damit nicht erwerbsfähigen Personen von dem Leistungsausschluss gerade nicht betroffen sein sollen.