Bürgergeld: Jobcenter speichern Kontoauszüge eine Ewigkeit – aber müssen Schwärzungen zulassen

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Wer Bürgergeld bezieht, weiß um die zahlreichen Nachweispflichten gegenüber dem Jobcenter: Einnahmen und Ausgaben müssen genau dokumentiert und regelmäßig belegt werden.

Doch selbst wenn der Leistungsbezug längst beendet ist, verschwinden die sensiblen Finanzdaten nicht einfach aus den Behördenakten. Tatsächlich bestätigte das Bundessozialgericht (BSG) in einem Grundsatzurteil (Az: B 14 AS 7/19 R), dass Kontoauszüge bis zu zehn Jahre gespeichert werden dürfen.

Dieses Vorgehen diene laut Richterspruch dazu, noch nachträglich zu überprüfen, ob alle Angaben während des Bezugs korrekt waren. Die Rechtsgrundlage hierfür fußt sowohl auf dem Sozialrecht als auch auf der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die in diesem Fall als erfüllt betrachtet wird.

Das BSG und andere Gerichte, die sich mit dieser Frage befasst haben, begründen die lange Aufbewahrungsfrist vor allem damit, dass mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Beantragung von Sozialleistungen nur so effektiv aufgedeckt werden können.

Treten nach Jahren Zweifel an früheren Angaben auf, eröffnen die archivierten Kontoauszüge die Möglichkeit, die damaligen Einkommensverhältnisse umfassend zu rekonstruieren.

Die Sozialgerichte verteidigen dieses Vorgehen als ein legitimes Mittel zur Betrugsprävention: Es sei zum Beispiel denkbar, dass bestimmte Einnahmen bei Beantragung des Bürgergelds verschwiegen oder falsch deklariert wurden. Der spätere Zugriff auf die Kontoauszüge könne in solchen Fällen sicherstellen, dass ein möglicherweise unrechtmäßiger Bezug von Sozialleistungen entdeckt wird.

Und der Datenschutz?

Das Thema Datenschutz löst in diesem Zusammenhang regelmäßig Diskussionen aus. Kritiker fürchten eine übermäßige Datensammlung, die weit über das Ende des Leistungsbezugs hinausreicht.

Als besonders heikel gilt, dass Kontoauszüge oft viele sensible Informationen beinhalten, etwa Zahlungen an Ärzte, Mitgliedsbeiträge für bestimmte Vereine oder Rückschlüsse auf private Lebensbereiche. Die Forderung, diese Daten zu löschen, sobald kein Bürgergeld mehr bezogen wird, wird von Datenschützern mit Nachdruck erhoben.

In den hier behandelten Urteilen sahen die Gerichte jedoch keinen Verstoß gegen die DSGVO und verwiesen auf die Möglichkeit, personenbezogene Angaben – etwa den Verwendungszweck bestimmter Transaktionen – zu schwärzen. Auf diese Weise bleibe nur das übrig, was für die Behörde von Relevanz sei: die Höhe und der Zeitpunkt von Geldeingängen.

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Wie verlief der konkrete Fall aus Brandenburg?

Eine ehemalige Bürgergeld-Empfängerin hatte sich mit der Forderung an ihr zuständiges Jobcenter gewandt, sämtliche bei der Behörde gespeicherten Kontoauszüge zu löschen.

Sie argumentierte, dass die Datenspeicherung nach Ende ihres Leistungsbezugs nicht mehr erforderlich sei.

Das Jobcenter lehnte diese vollständige Löschung jedoch ab und wies darauf hin, dass die Kontoauszüge insbesondere die Höhe und Art der Einkünfte offenbarten, die für eine eventuelle nachträgliche Prüfung noch benötigt werden könnten.

Als Kompromiss wurde der Frau angeboten, alle nicht relevanten personenbezogenen Angaben zu schwärzen, sodass nur die für die Behörde wesentlichen Informationen bestehen blieben. Die Klägerin war damit nicht einverstanden und zog gegen das Jobcenter vor Gericht.

Welche Haltung nimmt das Bundessozialgericht ein?

Der Fall wanderte durch sämtliche Instanzen: vom Sozialgericht Cottbus über das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bis hin zum Bundessozialgericht. In letzter Instanz bestätigten die Richter, dass die Speicherung der Kontoauszüge für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren rechtmäßig sei. Sie betonten, diese Handhabe sei notwendig, damit das Jobcenter seiner gesetzlichen Pflicht nachkommen könne, spätere Rückforderungen zu prüfen.

Auf diese Weise könne auch verhindert werden, dass zu Unrecht bezogene Leistungen beim Staat verblieben. Die Gerichte sahen keinen Konflikt mit dem Datenschutz, weil die Schwärzung von persönlichen Details als ausreichendes Mittel erachtet wurde, um einen angemessenen Schutz privater Informationen zu gewährleisten.

Wie bewerten Kritiker diese Praxis?

Datenschützer warnen vor einem „Datenüberhang“, der nicht zuletzt ein Risiko darstelle, weil persönliche Informationen im Behördenalltag allzu lange verfügbar blieben.

Auch die Sorge, dass durch mögliche Datenpannen oder unbefugten Zugriff private Angaben in falsche Hände geraten könnten, wird immer wieder laut. Kritische Stimmen sehen in der Speicherdauer eine Art „Vorratsdatenspeicherung“ auf Sozialbehördenebene, die Menschen, die einmal auf staatliche Hilfe angewiesen waren, weiterhin unter Beobachtung stelle.

Welche Konsequenzen hat das Urteil für Betroffene?

Wer einmal Leistungen in Form von Bürgergeld oder anderen Sozialhilfen bezogen hat, muss damit rechnen, dass die eigenen Kontoauszüge bis zu zehn Jahre nach Ende des Leistungsbezugs abrufbar bleiben.

Diese längere Kontrollmöglichkeit ist rechtlich gedeckt und durch höchstrichterliche Entscheidungen bestätigt. Betroffene können jedoch geltend machen, dass Daten geschwärzt werden, sofern die Schwärzung keine relevanten Angaben zum Einkommen oder zum Vermögen beeinträchtigt.

Die entscheidende Frage dabei ist stets, ob die jeweiligen Informationen für eine potenzielle Überprüfung weiterhin von Bedeutung sind. Namen von Zahlungsempfängern oder Verwendungszwecke, die keinen Bezug zur Leistungsgewährung haben, dürfen in der Regel entfernt werden.

Worauf sollten Bürgergeld-Empfänger jetzt achten?

Aus Sicht der Jobcenter und des Bundessozialgerichts gelten die Aufbewahrungsfristen als angemessene Präventionsmaßnahme. Wer befristet auf staatliche Unterstützung angewiesen war oder ist, sollte sich darüber im Klaren sein, dass eigene Finanzdaten nicht automatisch mit dem Leistungsende aus den Behördenakten verschwinden.

Da das Recht auf Teilschwärzung besteht, können Bürgergeld Bezieher auch im Nachhinein darauf pochen.