Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden. Der Staat darf keinen Unterhaltsanspruch geltend machen, wenn der Betroffene lediglich Sozialleistungen erhält und darüber hinaus kein Einkommen hat.
Dies wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt und ausführlich begründet. (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2023
– XII ZB 190/22)
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund: Vater soll Unterhalt zahlen
Eine Unterhaltsvorschusskasse wollte von einem Vater einer minderjährigen Tochter 2021 vor dem Amtsgericht Duisburg-Hamborn die Zahlung von Unterhalt geltend machen.
Das 2013 geborene Kind lebt bei der Mutter, und das Land Nordrhein-Westfalen erbringt seit Januar 2020 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Während des Untersuchungszeitraums lebte der Betroffene durchgehend von Leistungen des Jobcenters nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV / heute Bürgergeld).
Das antragstellende Land wollte den Leistungsempfänger verpflichten, Kindesunterhalt zu zahlen, von Januar 2020 bis Ende Februar 2021 in Höhe von 3.104 Euro plus Zinsen, sowie weiter bis über das Jahr 2025 hinaus 100 Prozent Mindestunterhalt – erst in der zweiten und später in der dritten Altersstufe.
Keine Möglichkeit zum Arbeiten
Der Kindsvater argumentierte, der Paragraf 7 a stehe dem Anspruch entgegen. Er sei nicht leistungsfähig und nicht in der Lage, Erwerbseinkünfte zu erzielen. Denn er habe keinen Schulabschluss, könne weder richtig lesen noch schreiben und hätte noch nie gearbeitet. Zudem habe er zwei weitere minderjährige Kinder, die Betreuung bedürften.
Das Amtsgericht wies ebenso wie das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag der Unterhaltsvorschusskasse ab und berief sich dabei auf Paragraf 7 a des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG). Die Vorschusskasse (das Land) legte dagegen Rechtsbeschwerde ein.
Was sagt das Unterhaltsvorschussgesetz?
Laut dem Paragraf 7 a dürfen Unterhaltsansprüche gegen einen Elternteil nicht verfolgt werden, wenn der- oder diejenige Sozialleistungen erhält und nicht über zusätzliches Einkommen verfügt.
Der Staat darf dann keine Unterhaltsansprüche geltend machen, weder per Gericht noch durch Vollstreckungsmaßnahmen. Deshalb wies das Gericht die Beschwerde des Landes ab und bestätigte die vorhergehende Entscheidung.
Was sagt der Bundesgerichtshof?
Der Bundesgerichtshof klärte eindeutig, dass der Paragraf 7 a nicht erst die Vollstreckung verhindere, sondern auch der gerichtlichen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs entgegenstehe.
Verfolgen bedeutet mehr als Vollstrecken
Laut dem Bundesgerichtshof belege dies der Wortlaut des Paragrafen. Denn das “Verfolgen” eines Anspruchs sei weit mehr als die bloße Vollstreckung und umfasse primär die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs.
Zwangsvollstreckung wird ausdrücklich erwähnt
In diesem Sinne würde der Begriff des “Verfolgens” ebenso in anderen Gesetzestexten verwendet. Würden sich Regelungen hingegen auf die Zwangsvollstreckung begrenzen, dann würde dies ausdrücklich erwähnt.
Vermeiden von unwirtschaftlichem Verwaltungsaufwand
Der Bundesgerichtshof betonte, dass Rückgriffbemühungen vermieden werden sollten, die unwirtschaftlich sind und (unnötigen) Verwaltungsaufwand bedeuteten.
Ginge es nur um Vollstreckung, wäre der Paragraf überflüssig
So wäre der Paragraf 7 a weitgehend überflüssig, wenn nur die Vollstreckung ausgeschlossen wäre. Die Vorschrift setze nämlich voraus, dass der Unterhaltsschuldner über kein Einkommen außer Sozialleistungen verfüge.
Sozialleistungen könnten aber nicht gepfändet werden.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.