Bürgergeld: Jobcenter muss auch ohne Zusicherung höhere Wohnkosten zahlen – Urteil

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Ein Umzug bedarf keiner Zusicherung des Jobcenters, damit dieses einen ein wenig höheren Mietpreis der neuen Wohnung übernimmt, der innerhalb der Angemessenheitsgrenze liegt. So entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. (L 19 AS 2352/19)

Jobcenter genehmigt Umzug nicht

Die Betroffene bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (heute Bürgergeld) und wohnte in einer 38-qm Wohnung. Sie zog in eine größere Wohnung um, und diese kostete 349,14 Euro monatliche Grundmiete.

Das Jobcenter bewilligte ihr per Bescheid lediglich Leistungen von 319,00 Euro. Wegen des nicht genehmigten Umzugs kürzte die Behörde die Kosten für Unterkunft und Heizung also um monatlich 30,14 Euro und erklärte, die Bruttokaltmiete nur in der vorherigen Höhe zu zahlen. Denn der Umzug sei erstens nicht erforderlich gewesen und zweitens ohne Zusicherung erfolgt.

Nebenkosten-Nachzahlung wurde abgelehnt

Die alte Vermieterin forderte von der Leistungsberechtigten schließlich eine Nebenkosten-Nachzahlung von 163,00 Euro. Die Betroffene beantragte die Erstattung dieser Summe vom Jobcenter. Das Jobcenter lehnte dies ab und wies den folgenden Widerspruch der Frau ebenfalls zurück.

Mit einem Änderungsbescheid passte das Jobcenter seine Leistungsbewilligung rückwirkend an und erstattete für einen Monat 328,00 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung, kürzte also nicht um 30,14 Euro, sondern um 21,14 Euro.

Klage vor dem Sozialgericht

Die Betroffene erhob Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt. Sie erklärte, der Umzug sei notwendig gewesen, da ein massiver Schimmelbefall Gegenstände und Möbel beschädigt hätte, und Jobcenter wie Vermieter einen entsprechenden Ersatz abgelehnt hätten.

Die neue Wohnung entspreche in jeglicher Hinsicht den Kriterien des Jobcenters, und sie hätte die kompletten Kosten des Umzugs selbst getragen.

Umzug kann auch ohne Zusicherung erforderlich sein

Das Sozialgericht Frankfurt stimmte der Betroffenen zu und verpflichtete das Jobcenter dazu, weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 184,14 Euro zu übernehmen. (S 40 AS 1945/17)

Die Betriebskostennachzahlung sei zu erstatten, da auch einmalige Zahlungen zu erstatten seien und als tatsächlicher aktueller Bedarf im Monat ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen. Dies gelte auch nach einem Umzug, wenn der Leistungsempfänger durchgehend im Leistungsbezug gewesen sei – wie in diesem Fall.

Das Jobcenter, so das Gericht, liege falsch, wenn es davon ausgehe, ein Bezug der Sozialleistung bedeute eine faktische Umzugssperre. Das Jobcenter müsse zudem die Mehrkosten in Höhe von 21,14 Euro übernehmen. Ein Umzug könne auch dann erforderlich sein, wenn keine Zusicherung gegeben worden sei.

Grund für den Umzug: Schimmelbefall

Der Schimmelbefall hätte zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, und auch der Fahrweg zur Schule der Betroffenen habe sich reduziert. Beides seien plausible, nachvollziehbare und verständliche Gründe für einen Umzug. Zudem sei in der neuen Wohnung die Angemessenheitsgrenze nicht überschritten.

Das Jobcenter legte Berufung ein

Das Jobcenter legte Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein und argumentierte: Ein Jobcenter müsse ohne Zusicherung bei einem Umzug die höheren Kosten der neuen Wohnung nicht übernehmen, wenn es keine plausiblen, nachvollziehbare und verständlichen Gründe für den Wohnungswechsel gibt. Das gelte auch dann, wenn die neue und teurere Wohnung innerhalb der Angemessenheitsgrenze liegt.

Die Berufung wird abgelehnt: Das Jobcenter muss zahlen

Doch auch das Landessozialgericht entschied zugunsten der Betroffenen, übernahm die Begründung des Sozialgerichts Frankfurt und fügte weitere Punkte hinzu. So betrage nach der Betriebskostennachzahlung die tatsächliche Differenz zwischen der alten und der neuen Wohnung lediglich 6,32 Euro.

Der sehr erhebliche Vorteil der Betroffenen durch den fehlenden Schimmel und den kürzeren Schulweg sei höher zu gewichten als die gering höheren Kosten.