Bei einem Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente kommt es oft zu Problemen bei der Bewilligung der EM-Rente. Wird die volle Erwerbsminderungsrente nicht bewilligt, lohnt es sich oft, sich dagegen zu wehren, wie dieser aktuelle Fall zeigt.
Inhaltsverzeichnis
Warum kam es trotz รคrztlicher Empfehlung zur Ablehnung?
Im Januar stellte der Mandant bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einen Antrag auf volle Erwerbsminderungsrente. Zuvor war er in einer Rehabilitationsklinik der DRV in Behandlung.
Dort wurde er medizinisch umfassend untersucht, sodass die behandelnden รrztinnen und รrzte am Ende der Reha einen detaillierten Entlassungsbericht erstellen konnten.
Darin hielten sie fest, dass dem Mann nur noch ein sehr geringes Leistungsvermรถgen von weniger als drei Stunden tรคglich zugemutet werden kรถnne. Fรผr viele Betroffene wรคre dies eine klare Grundlage, um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten.
Trotz dieser eindeutigen รคrztlichen Stellungnahme lehnte die DRV den Antrag bereits einen Monat spรคter ab.
In dem Ablehnungsbescheid war zu lesen, dass der Mann nach Einschรคtzung eines Vertrauensarztes ohne Weiteres in der Lage sei, mehr als sechs Stunden tรคglich zu arbeiten. Damit gingen die Behรถrdenรคrzte der DRV in direktem Widerspruch zu den Reha-รrztinnen und -รrzten, die zuvor einen so stark reduzierten Leistungsumfang bescheinigt hatten.
Widerspruch und Akteneinsicht?
Nach der Ablehnung kontaktierte der Mann die eine Kanzlei, die sich auf Rentenrecht spezialisiert hat, um seine Mรถglichkeiten auszuloten. Es stellte sich rasch heraus, dass Widerspruch eingelegt werden musste.
Dieses Vorgehen ist in Rentenangelegenheiten ein wichtiger Schritt, um den eigenen Anspruch weiterzuverfolgen und einer vermeintlich falschen Entscheidung entgegenzutreten. Darรผber hinaus wurde Einsicht in die Rentenakte der DRV beantragt, um besser zu verstehen, wie sich die Behรถrde in ihrem Bescheid begrรผndete.
Die Akteneinsicht fรถrderte schlieรlich zutage, dass der Vertrauensarzt der DRV die Reha-Befunde abweichend bewertet und damit fรผr die Ablehnung plรคdiert hatte.
Da es im Reha-Entlassungsbericht explizit hieร, dass der Antragsteller nur bedingt arbeitsfรคhig sei, ergab sich ein deutlicher Widerspruch zwischen den medizinischen Einschรคtzungen. Eine kurze Begrรผndung des Widerspruchs reichte in diesem Moment aus, um die erneute Prรผfung des Falls durch die DRV zu veranlassen.
Weshalb wurde ein zweites Gutachten nรถtig?
Als Reaktion auf den Widerspruch forderte die DRV ein weiteres medizinisches Gutachten an, das den Gesundheitszustand des Mandanten neu bewerten sollte.
Solche Zweitgutachten sind nicht ungewรถhnlich: Sie dienen dazu, eventuelle Unstimmigkeiten auszugleichen und eine objektive Einschรคtzung zu gewรคhrleisten.
Fรผr den Betroffenen kann das zwar zunรคchst eine zusรคtzliche Belastung bedeuten, weil er erneut zur Untersuchung antreten muss. Dennoch erรถffnen solche Neubewertungen oftmals die Chance, bereits vorliegende Befunde zu bestรคtigen oder zu widerlegen.
Im konkreten Fall kam der vom Rentenversicherungstrรคger beauftragte Gutachter letztlich zu einem รคhnlichen Ergebnis wie die Reha-รrzte. So fand er die Einschรคtzung der Reha-Klinik รผberzeugend und sah es als erwiesen an, dass der Mann nicht mehr als drei Stunden tรคglich arbeiten kรถnne. Damit verlor das erste, ablehnende Votum der DRV-รrzteschaft deutlich an Gewicht.
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Wie lieร sich der Fall auรergerichtlich klรคren?
Da das zweite Gutachten nun eindeutig fรผr den Versicherten sprach, rรผckte die Deutsche Rentenversicherung von ihrer anfรคnglichen ablehnenden Haltung ab. Sie bot dem Mandanten eine volle Erwerbsminderungsrente an โ allerdings befristet, wie es hรคufig der Fall ist, wenn der Gesundheitszustand in gewissen Abstรคnden erneut รผberprรผft wird.
Der Mandant nahm das Angebot an. Fรผr ihn stellte die befristete Rente eine deutliche Verbesserung seiner Lebenssituation dar und ersparte ihm das Risiko sowie die Kosten eines Klageverfahrens.
Im August desselben Jahres erhielt er den offiziellen Rentenbescheid, der seine volle Erwerbsminderung bestรคtigte. Diese schnelle Einigung zeigt, dass ein akribisches Vorgehen im Widerspruchsverfahren und das Einholen eines weiteren Gutachtens zu einem Durchbruch verhelfen kรถnnen.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Fall ziehen?
Eine Erkenntnis liegt darin, dass es sich lohnt, gegen eine offensichtlich fehlerhafte Ablehnung der Erwerbsminderungsrente vorzugehen. รrztliche Befunde aus Rehabilitationskliniken, die direkt im Auftrag der DRV tรคtig sind, dรผrfen nicht ohne Weiteres von anderen DRV-รrzten beiseitegeschoben werden. Bei widersprรผchlichen Einschรคtzungen sollte stets geprรผft werden, ob ein erneutes Fachgutachten Klarheit schaffen kann.
Interessant ist zudem, dass die Rentenversicherung an dieser Stelle mehr Geld investierte, als mรถglicherweise nรถtig gewesen wรคre. Hรคtte sie der Einschรคtzung der Reha-รrzteschaft von Anfang an vertraut, wรคre kein teures Zweitgutachten erforderlich gewesen.
Fรผr den Versicherten stellt sich darรผber hinaus immer die Frage, inwieweit er sich ohne juristische Unterstรผtzung erfolgreich gegen eine solche Ablehnung hรคtte wehren kรถnnen.
Welche Perspektiven gibt es fรผr Betroffene?
Betroffene, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, sollten wissen, dass Ablehnungen nicht das letzte Wort sind. Auch wenn Widersprรผche und Gutachten zunรคchst bรผrokratisch und anstrengend erscheinen, kann sich der Aufwand lohnen.
Oft bestehen realistische Chancen, im Widerspruchsverfahren eine fรผr den Antragsteller positive Entscheidung zu erzielen.
Eine sorgfรคltige Aufarbeitung des medizinischen Sachverhalts ist dabei ebenso wichtig wie der prรคzise juristische Umgang mit den Unterlagen.
Abseits dieses Einzelfalls verdeutlicht der Fall, wie wichtig es ist, sich mit den Ablรคufen bei der Deutschen Rentenversicherung vertraut zu machen. Fรผr Laien ist es oft schwierig, unterschiedliche Gutachten zu bewerten oder die richtigen Formulierungen zu finden. Juristische und fachliche Unterstรผtzung kann deshalb sehr hilfreich sein, um ein gerechtes Ergebnis zu erreichen.
Wie geht es weiter nach der befristeten Rente?
Bei befristeten Renten bleibt stets die Option, nach Ablauf eine Verlรคngerung zu beantragen. Dann erfolgt eine erneute Prรผfung des Gesundheitszustands. รnderungen kรถnnen sowohl zugunsten des Betroffenen (wenn sich die Situation unverรคndert schlecht darstellt oder sogar verschlechtert hat) als auch zu seinen Ungunsten ausfallen (wenn sich unerwartet doch eine Verbesserung einstellt).
In jedem Fall ist dieser Fall aus der Beratungspraxis ein gutes Beispiel dafรผr, dass eine ablehnende Entscheidung durch die Deutsche Rentenversicherung nicht zwangslรคufig endgรผltig ist.